Rheinische Post Hilden

In der Plange-Mühle eröffnet eine Klinik

Die Betonsilos im Hafen stehen nach zwei Jahren Umbau vor der Fertigstel­lung. Fernziel ist die Einrichtun­g eines Campus.

- VON UWE-JENS RUHNAU

HAFEN Der Blick auf den Hafen in Düsseldorf war lange durch einen Schriftzug geprägt: „Diamant-Mehl“stand in großen Lettern auf dem mächtigen Gebäude, das sich quer auf dem Kopfgrunds­tück der Weizenmühl­enstraße der Innenstadt zuwendet. Die Buchstaben sind entfernt, was ein bisschen schade ist, das Gebäude ist längst einer neuen Nutzung zugeführt worden. Die Toten Hosen hatten in dem Block einmal ihre Zentrale. Heute arbeiten dort Kreative, Modeleute, Handelsfir­men, 800 bis 1000 Menschen, so genau weiß das niemand. Zum ehemaligen Mühlen-Komplex gehören mehrere Gebäude, die nach und nach denkmalger­echt saniert wurden. Gerade laufen die abschließe­nden Arbeiten in den mächtigen Betonsilos. Wo tonnenweis­e Mehl gelagert wurde, sollen bald Menschen operiert werden und genesen.

Die Weizenmühl­enstraße ist Hafen, nicht Medienhafe­n. Da glänzt nichts hochpolier­t, es wird produziert, gelagert, verladen. Wer in die Straße einbiegt, sieht auf die Fortin-Mühle, heute Branchenma­rktführer in Kontinenta­l-Europa. Die auf Futtermitt­el spezialisi­erte Deuka-Mühle steht ein paar Meter weiter, dann sieht man massenhaft auf Parkplätze­n die in Düsseldorf gebauten Sprinter. Sie werden dort verladen und gehen auf große Fahrt. Und schließlic­h, am Schluss: die Plange-Mühle.

Der Hafen in Düsseldorf entstand ab 1890. Der Denkmalein­trag für die Plange-Mühle vermerkt, dass wegen der großen Nachfrage ab 1904 ein neues Hafenbecke­n gebaut wurde. Dort sicherte sich Plange die Spitze der Landzunge. Gebaut wurde die Mühle im Jahr 1906. Als besonders markant wird der Turm hervorgeho­ben, der zur Hafeneinfa­hrt ausgericht­et war und von einem Bronzeadle­r gekrönt wurde, der mit einer Lampe ausgestatt­et war und den Schiffen bei der Einfahrt die Orientieru­ng erleichter­n sollte. Ihn gibt es noch.

Der Komplex war die zweite Dampfmühle der Unternehme­rfamilie. Dort wurde Weizenmehl hergestell­t, 120 Mitarbeite­r produziert­en bis zu 800 Tonnen am Tag. Ab 1920 wurden vor Ort die bekannten 1-Kilogramm-Packungen für den Handel abgefüllt. Den Antrieb und auch die Energie für die Beleuchtun­g lieferte eine 1200-PS-Dampfmasch­ine. Mit drei Großmühlen war das Unternehme­n vor gut 100 Jahren die Nummer eins in Europa. Walter Plange entwickelt­e 1928 einen Getreidesi­lo von 12.000 Kubikmeter­n, fast 30 Meter hoch. 1934 wurde die Siloanlage in Düsseldorf um eine zweite Batterie erweitert. Sie stehen wie die Plange-Mühle insgesamt unter Denkmalsch­utz.

Hausherr ist heute Christoph Ingenhoven mit seiner Familie. Ein Sohn managt den Besitz, Bruder Oliver, ebenfalls Architekt, leitet den Umbau der Betonsilos. „Ein Wahnsinns-Unterfange­n“, sagt dieser beim Rundgang. Los ging es damit Ende 2018. Der Länge nach wurden die hohlen Röhren innen aufgeschli­tzt und viel Beton herausgeno­mmen, so dass Räume entstanden. Der „Wahnsinn“bestand auch darin, dass nicht von unten nach oben gebaut werden konnte. Der Denkmalsch­utz gestattete nicht, dass die Gebäude im Erdgeschos­s geöffnet und mit Baufahrzeu­gen beschickt werden konnten. Also mussten die Silohalbsc­halen auf dem Dach geöffnet und die Baustelle von dort aus betrieben werden, die Statiker hatten aufwändige Abfangkonz­epte zu erarbeiten.

Etage für Etage betonierte­n die Arbeiter Decken, schnitten Löcher für Fenster. Auf jeder der acht Etagen wurden bei den fünf Doppelröhr­en zwei Fenster gestatttet. Eine Röhre wurde belassen, wie sie ist, um den Ursprungsz­ustand zu dokumentie­ren. Ähnlich ist man beim bereits fertigen Nachbarsil­o verfahren, wo sich zwei riesige Fenster rund 15 Meter über mehrere Ebenen erstrecken, die benachbart­e dritte Fläche ist aber weißes Putzfeld geblieben wie ehedem. Restaurato­ren bearbeiten alle Betonfläch­en, Risse werden ebenso konservier­t wie Granateins­chläge aus dem Zweiten Weltkrieg.

Besonderer Clou ist in den Augen Oliver Ingenhoven­s ein dreieckige­s Fluchttrep­penhaus, von Hand gegossen, belichtet durch ein 28 Meter hohes Fenster. Und natürlich der Dachreiter, der einzige Raum, der sich über beide Silo-Komplexe erstreckt. Der Blick über den Hafen und zur Stadt ist von dort fantastisc­h. Ein idealer Ort für ein Atelier, findet Ingenhoven, aber die Nutzung steht noch nicht fest. Klar aber ist, dass es auf einer Etage ein Röntgenins­titut geben wird, auf drei weiteren Ebenen zieht die [Link auf Beitrag 84852971] Orthopädis­che Praxisklin­ik Neuss-Düsseldorf ein. Start ist im November. Auf den übrigen Etagen soll es medizinnah­e Nutzungen geben.

Fernziel für die Plange-Mühe ist der Ausbau zum nachhaltig­en Campus. Durch einen Neubau soll die Nutzfläche auf 40.000 Quadratmet­er wachsen, die Autos sollen in einem Parkhaus untergebra­cht und die Freifläche­n begrünt werden. Ingenhoven will die Landzungen Kessel- und Weizenmühl­enstraße mit neuen Brücken an die Speditions­traße anschließe­n. Dann wäre die Plange-Mühle der erwünschte Vorzeigest­andort und ein Ausflugszi­el, das nicht mehr abgeschlag­en im Niemandsla­nd liegt.

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RP- FOTOS: ANDREAS BRETZ Die Plange-Mühle ist weitgehend saniert, die Beton-Silos rechts werden derzeit umgebaut. Im November öffnet dort eine Klinik.
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VISUALSIER­UNG: INGENHOVEN ARCHITECTS So soll die Silo-Anlage einmal aussehen. Neben dem im roten Ziegelstei­n gehaltenen Büro- und Geschäftsh­aus (rechts) eröffnet eine orthopädis­che Praxis- und Privatklin­ik. Auch der Ausleger wird saniert.
 ??  ?? Projektlei­ter Oliver Ingenhoven auf dem Dach des Betonsilos in 30 Meter Höhe. Im Hintergrun­d das Hauptgebäu­de mit Turm, den ein Bronzeadle­r krönt.
Projektlei­ter Oliver Ingenhoven auf dem Dach des Betonsilos in 30 Meter Höhe. Im Hintergrun­d das Hauptgebäu­de mit Turm, den ein Bronzeadle­r krönt.
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FOTO: TATA RONKHOLZ, OHNE TITEL (AUS DER SERIE „RHEINHAFEN“), 1980 © 2020 VAN HAM ART ESTATE: TATA RONKHOLZ Die Plange-Mühle mit dem Schriftzug Diamant-Mehl 1980

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