Die Angst der Bauern
Hintergrund waren Messungen zwischen 2013 und 2018 zum chemischen Zustand des Grundwassers: Demnach beträgt der Anteil des nitratbelasteten, „roten“Grundwassers etwa 26 Prozent in Bezug auf die Fläche von NRW. Die Europäische Union warf Deutschland „unzureichende Maßnahmen zum Grundwasserschutz“vor, da die Proben relativ stark mit Nitrat belastet waren.
„Grundwasservorkommen unter landwirtschaftlich genutzten Flächen sind häufig Belastungen ausgesetzt, die durch die intensive Bodennutzung verursacht werden“, erklärt Falk Hilliges vom Umweltbundesamt. Eine Ursache für die hohe Stickstoffbelastung von Grundwasser und Böden in Deutschland sei die nicht standortgerechte Ausbringung von Düngemitteln. Problematisch sind laut Umweltbundesamt vor allem Regionen mit viel Tierhaltung sowie mit einem hohen Anteil an Gemüseund Sonderkulturen.
Frank Greshake, Chef der Schweinevermarktung Rheinland, sieht Landwirte zu Unrecht als Sündenböcke für die Nitratbelastung dargestellt. „Die Gülle hat einen schlechten Ruf, aber ist ein wertvoller Mehrnährstoff-Dünger, in dem alles enthalten ist, was die Pflanze braucht.“Die Nährstoffe werden sofort von den Pflanzen aufgenommen, sodass weniger Nitrat ins Grundwasser gelange. „Deutschland ist doch bei der EU für sein gutes Trinkwasser und die gute Wasserqualität in Badeseen bekannt“, sagt Greshake: „So vergiftet kann unser Wasser nicht sein.“
Die Landwirtschaftskammer NRW kritisiert die Düngevorgaben: „Wenn die Bauern wüssten, dass das Jahr extrem trocken wird, würden sie am Jahresanfang mehr düngen“, so Boßmann. Bei zu geringer Stickstoffzufuhr bleiben Salat und Kohl klein und schlaff. „Weizen mit zu wenig Eiweiß fehlt die Backfähigkeit, das kaufen Bäcker nicht“, erklärt Greshake. „Pommes-Fabriken lehnen zudem zu kleine Kartoffeln ab. Manches Gemüse ist durch den fehlenden Dünger qualitativ so schlecht, dass man es nicht ernten kann. Es bleibt viel liegen.“
Viele Landwirte sehen zudem eine Herausforderung in den Anforderungen
des Lebensmitteleinzelhandels, sagt Boßmann. „Gemüsesorten wie Möhren oder Kohlrabi sollen mit saftigem Laub geliefert werden. Um das hinzubekommen, muss das Gemüse
bis zur Ernte mit ausreichend Nährstoffen versorgt sein.“
Vor allem die Viehwirte bekämpfen laut Greshake das Nitratproblem: mit weniger Eiweiß im Tierfutter, abgedeckten Güllebehältern gegen Verdunstung oder durch Prüfung des Nährstoffvorrats im Boden: „Diese Maßnahmen helfen in der Praxis, aber nicht auf dem Papier. Aufgrund veralteter Berechnungswerte haben Landwirte angeblich Hunderte, zum Teil bis zu 2000 Kubikmeter Gülle zu viel im Behälter, die ihre Schweine gar nicht produziert haben.“
Eine zusätzliche Belastung für die Landwirtschaft sei die Corona-Pandemie. „Wir sind mit unserer Produktion, etwa von Kartoffeln, an Fabriken und Kantinen angegliedert, die sie zum Beispiel zu Pommes verarbeiten“, erzählt Landwirt Tölkes aus Kempen. Da viele Fabriken und Kantinen derzeit geschlossen seien, seien die Produkte nicht mehr so gefragt: „Wenn es im nächsten Jahr wieder so trocken wird, und die Düngevorgaben gleich bleiben, könnte es für die Konsumenten ein knappes Jahr werden.“