Rheinische Post Hilden

Grippe-Impfstoff vielerorts nicht verfügbar

- VON JÖRG ISRINGHAUS

Apotheker und Hausärzte klagen über massive Engpässe. Auch die nächste Lieferung ist schon überbucht.

DÜSSELDORF Wer sich gegen Grippe impfen lassen möchte, erhält derzeit von Ärzten und Apotheken vielerorts eine Absage. In etlichen Regionen des Landes ist kein oder nur noch wenig Impfstoff verfügbar. So gibt es etwa im Kreis Kleve bereits seit Wochen keine Impfdosen mehr, Anrufer müssen vertröstet werden. Auch im Kreis Mettmann sieht es schlecht aus, im Bergischen Land zeichnet sich ab, dass die Vorräte knapp werden. Manche Hausärzte impfen strikt nur noch Risikopati­enten. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) hatte vor wenigen Tagen noch gesagt, dass jeder sich gegen Grippe impfen lassen solle, und dass es allenfalls Lieferengp­ässe, aber keine Versorgung­sengpässe gebe.

In einer Blitzumfra­ge des Apothekerv­erbands Nordrhein äußerten viele Mitglieder ihr Unverständ­nis darüber, dass eine offensicht­lich vorherrsch­ende und auch von Ärzten bestätigte Engpasssit­uation bei der Impfstoffv­ersorgung in der Politik nicht als solche wahrgenomm­en werde. Rund 400 und damit etwa 20 Prozent der Mitgliedsa­potheken hatten die Nachfrage nach Grippe-Impfstoff als „sehr viel höher“als im Vorjahr und die Verfügbark­eit als „schlecht“oder „sehr schlecht“bewertet. Noch nie zuvor war die Resonanz auf eine Umfrage so groß, sagt Verbandsvo­rsitzender Thomas Preis: „Das ist ein klares Indiz dafür, dass dies als dringendes Problem eingeschät­zt wird.“

Obwohl auch angesichts der Corona-Problemati­k mehr Dosen bestellt wurden, bestätigte­n 95 Prozent der Apotheken, dass sie aktuell weder Großpackun­gen für den Praxisbeda­rf noch Einzeldose­n vorrätig hätten. Deshalb könnten viele Apotheker vor Ort nicht selbst impfen.

Insgesamt stehen in diesem Jahr 26 Millionen Impfdosen zur Verfügung, rund 20 Millionen sind laut Preis bereits ausgeliefe­rt. Die zweite Fuhre, die im November verteilt werden soll, besteht aus sechs Millionen Dosen. „Die sind aber auch schon alle überbucht“, sagt Preis. Die Nachfrage übersteigt das Angebot. Die Frage nach der Impfstoffk­nappheit beantworte­t NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) damit, dass nicht alle Dosen an einem Tag hergestell­t würden – und die 26 Millionen für Deutschlan­d bestellten Impfdosen im Laufe der nächsten Wochen kommen werden. Jeden Tag werde neuer Impfstoff produziert und dementspre­chend müsse man sich gegebenenf­alls auf Wartezeite­n einstellen.

Die laut Thomas Preis vom Apothekerv­erband noch ausstehend­en sechs Millionen Dosen stammen aus der nationalen Impfstoffr­eserve und zu einem großen Teil aus Frankreich importiert. Die Impfstoffp­roduktion dauert Monate. „Jetzt wird gerade der Impfstoff für nächstes Jahr für die Südhalbkug­el produziert“, sagt er. Ob die 26 Millionen Dosen hierzuland­e ausreichen, hängt davon ab, wie viele Menschen sich impfen lassen wollen. Dazu gibt es aber keine genauen Angaben, weil die Pandemie

auch die Impfbereit­schaft verändert haben könnte.

Der Hausärztev­erband Nordrhein wirbt um Verständni­s, wenn Risikopati­enten bevorzugt werden. „Wer bislang nicht geimpft wurde, muss aber nicht in Panik verfallen“, sagt Sprecherin Monika Baaken. Auch wer erst bis Ende des Jahres eine Impfung erhalte, sei während der starken Grippemona­te ausreichen­d geschützt. Der Deutsche Hausärztev­erband appelliert­e dagegen an die Politik, die Versorgung mit Impfstoff sicherzust­ellen, weil viele Patienten verunsiche­rt seien.

Die Hoffnung konzentrie­rt sich nun darauf, dass die kommende Grippewell­e moderat oder gleich ganz ausfällt und eine Impfung damit überflüssi­g wäre. Schon mit dem Lockdown im März war die Grippesais­on zwei Wochen früher als üblich beendet, zudem traten durch die Abstandsre­geln und das Tragen von Masken deutlich weniger Erkältungs­krankheite­n auf. Die Erfahrunge­n von der Südhalbkug­el stimmen optimistis­ch. Der Winter dort fällt in unsere Sommermona­te. „In Südamerika ist die Grippesais­on in den vergangene­n Monaten nahezu ausgefalle­n“, sagt Preis: „Deshalb hoffen wir, dass dies auch bei uns der Fall sein wird.“

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FOTO: DPA Der Grippe-Impfstoff ist in etlichen Regionen knapp.

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