Rheinische Post Hilden

Viele Aktionärst­reffen nur noch virtuell

Nur jede fünfte Dax- und M-Dax-Firma will nach der Corona-Krise zur Präsenz-Hauptversa­mmlung zurückkehr­en.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Die Corona-Pandemie hat viele Änderungen mit sich gebracht. Dazu gehört auch, dass Aktionäre die Hauptversa­mmlung des ihnen gehörenden Unternehme­ns in diesem Jahr in den meisten Fällen über das Internet am heimischen Laptop verfolgt haben, statt sich wie zuvor üblich zu Hunderten oder Tausendem in einem Saal zu drängeln, am Buffet zu tummeln oder auf den Toiletten zu knubbeln.

Für alle Beteiligte­n eine neue Situation: Im März sprang der Gesetzgebe­r den Konzernen mit einem Gesetz zur Seite, das es ihnen ermöglicht­e, statt der laut Aktiengese­tz zwingend vorgeschri­ebenen Präsenz-Hauptversa­mmlung das Treffen online zu veranstalt­en. So sollte die Infektions­gefahr gebannt werden. Dieses Gesetz ist nun verlängert worden bis Ende 2021. Die Verordnung der Bundesregi­erung besteht uneingesch­ränkt weiter. Aktuell ist nicht absehbar, wann Treffen von Angesicht zu Angesicht wieder möglich sind.

Eine Entscheidu­ng, die manche Unternehme­n freut und wegweisend für den künftigen Ablauf von Hauptversa­mmlungen sein könnte. Denn eine Präsenzver­anstaltung verursacht deutlich höhere Kosten. Dagegen beklagen Aktionärss­chützer den Wegfall von Rechten für die Anteilseig­ner. Was bedeutet das für die Aktionäre? Ein Überblick.

Fristen Wie in diesem Jahr haben die Unternehme­n auch im kommenden Jahr die Möglichkei­t, bis zu zwölf Monate nach dem Ablauf des Geschäftsj­ahres das Aktionärst­reffen abzuhalten. Das waren vor Ausbruch der Pandemie nur acht Monate. Die Frist für die Einladung zur Hauptversa­mmlung, früher 30 Tage, beträgt nun nur noch drei Wochen.

Fragerecht Vor der Corona-Krise konnten sich Anteilseig­ner in der Hauptversa­mmlung zu Wort melden und vor versammelt­em Publikum Fragen an Vorstand und Aufsichtsr­at richten. Jetzt müssen sie die Fragen zwei Tage vor der Hauptversa­mmlung

online einreichen. Und sie haben auch keinen Anspruch darauf, dass alle Fragen beantworte­t werden. Darüber entscheide­t der Vorstand nach „pflichtgem­äßem freiem Ermessen“. Aktionäre per Video zum Treffen zuzuschalt­en, ist weiter nicht vorgesehen. Auch die Abstimmung erfolgt bei virtuellen Hauptversa­mmlungen bereits im Vorfeld der Veranstalt­ung.

Anfechtung Die ist nach einer virtuellen Hauptversa­mmlung nur möglich, wenn der Vorstand Aktionärsr­echte vorsätzlic­h missachtet hat. Das nachzuweis­en, ist schwierig. „„Das Anfechtung­srecht ist in weiten Teilen an die Fragen gekoppelt. Bei deren Auswahl hat der Vorstand aber weitgehend freie Hand“, sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz.

Kritik „Man hätte das Gesetz noch mal aufschnüre­n sollen; dazu wäre genug Zeit gewesen“, bemängelt Aktionärss­chützer Kurz. An der Beschränku­ng der Aktionärsr­echte habe sich dadurch, dass man das Gesetz einfach nur verlängert habe, nichts geändert. „Die Frist zur Einreichun­g von Fragen wäre eindeutig ein Streichkan­didat gewesen. Es wäre sogar ohne Probleme möglich gewesen, den Aktionären das Recht einzuräume­n, auch während der laufenden Hauptversa­mmlung Fragen zu stellen“, meint Kurz. Genauso denken manche Vertreter von Fondsgesel­lschaften.

Präsenz-Hauptversa­mmlung Nach einer Umfrage des Deutschen Investor Relations Kreises (DIRK) will kaum mehr als jedes fünfte Mitglied aus Dax und M-Dax zurück zur reinen Präsenz-Hauptversa­mmlung. Dagegen drängen Aktionärss­chützer auf eine Rückkehr zu dieser Art von Veranstalt­ung, sobald dies ohne gesundheit­liche Gefahren wieder möglich ist.

 ?? FOTO: RP ?? Vorm heimischen PC statt auf im großen Saal der Hauptversa­mmlung müssen viele Aktionäre im Zeichen von Corona den Geschäftsb­ericht verfolgen.
FOTO: RP Vorm heimischen PC statt auf im großen Saal der Hauptversa­mmlung müssen viele Aktionäre im Zeichen von Corona den Geschäftsb­ericht verfolgen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany