Tanz als wütendes Ringen mit dem Körper
Demis Volpi und Juanjo Arqués schafften eine gelungene Doppelpremiere des Balletts am Rhein.
DÜSSELDORF Die neue Corona-Schutzverordnung, höchstens 250 Zuschauer zuzulassen, hat die Deutsche Oper am Rhein drei Tage vor einem neuen Ballettabend erreicht. Sie hatte die 1288 Plätze im Saal bereits auf 450 reduziert; jetzt musste die Belegungsgrenze ein weiteres Mal gekappt werden. Den Abend also absagen? Zuschauer ausladen? „Wir könnten die Premiere am Donnerstag zweimal bringen“, schlug der neue Ballettdirektor Demis Volpi vor. „Ich frage die Compagnie.“Die Tänzer wollten, die Düsseldorfer Symphoniker, die Beleuchter, alle wollten diesen Premierenabend möglich machen. Nach vielen Telefonaten gelang den Mitarbeitern der Oper innerhalb weniger Stunden das Kunststück, das Publikum auf zwei Termine am selben Abend aufzuteilen. Die Bereitschaft aller Beteiligten darf als starkes Signal verstanden werden, als Ausdruck eines Herzenswunsches.
Tanz fordert eine immense Kraftanstrengung, um den Ansprüchen der Virtuosität zu genügen. Die Zusage der Compagnie, zweimal nacheinander aufzutreten, ist für sich genommen schon eine Glanzleistung. Zumal zwischen der ersten und der zweiten Vorstellung gerade einmal 45 Minuten lagen und es somit kaum Zeit zur Regeneration gab. Dennoch war den Tänzern nicht die Spur einer Erschöpfung anzumerken. Sie meisterten die beiden Uraufführungen mit Energie, Feingefühl und auf hohem Niveau.
Der Abend stand im Zeichen der neuen Anforderungen an die Tanzkunst, die plötzlich ohne Nähe, ohne Berührung auskommen muss. Das klingt nach Schwermut und Verzweiflung
– davon jedoch ließen sich die Protagonisten nicht leiten. Sie haben ein helles Kunsterlebnis kreiert, ohne indes ihre Sorgen zu leugnen.
„Spectrum“, das erste Stück des Abends, stammt vom spanischen Choreografen Juanjo Arqués. In seine Arbeit sind die Erfahrungen der
Tänzer während des Lockdowns eingeflossen. In herrlichen bunten Kostümen ringen die jungen Künstler wütend mit ihrem Körper und ihrem Können, verzehren sich nach ihren Partnern und einem kreativen Dialog. Arqués hat zu der Minimal-Musik des Komponisten Marc Mellitis wundervolle Pas de deux emporgehoben, nach einer langen Zeit der Einsamkeit.
„A simple piece“ist eine Choreografie Volpis. Auch er hat sich mit Caroline Shaw für eine zeitgenössische Komponistin entschieden. Ihr A-cappella-Stück „Partita For 8 Voices“ist ein Genuss zwischen Murmeln und Sprechen, rührenden Melodien aus ferner Zeit und merkwürdigen Dissonanzen. Volpi entwirft ein kraftvolles, fast archaisches Stück, das den Tänzern synchrone Perfektion abverlangt, was diese mit Bravour umsetzen.