„Spaß macht das alles im Moment nicht“
Das Protokoll Der Kürzer-Chef Hans-Peter Schwemin ist in der Corona-Pandemie bereit zu kämpfen. Er fragt nach dem Sinn der Sperrstunde und warum steigende Infektionszahlen besonders den Gastronomen angelastet werden.
ALTSTADT Ich bin Inhaber der Brauerei Kürzer in der Altstadt und daher mit den Maßnahmen und der aktuellen Corona-Situation täglich befasst. Seit den 1980er Jahren bin ich schon in der Gastronomie tätig, das Schaukelstühlchen gehört mir auch und seit zehn Jahren das Kürzer. Aber so einen Einschnitt in meinem Berufsleben hatte ich noch nie, da geht es mir ähnlich wie allen übrigen Gastronomen in der Altstadt. Niemand konnte sich vorstellen, was für eine Krise wegen Corona erwachsen würde.
Wenn ich mich erinnere, dann kommt mir alles noch irgendwie unwirklich vor: Am 12. März rief mich ein Freund an, der auch in der Düsseldorfer Politik tätig ist, und fragte mich: „Kannst du dir vorstellen, dass man alles schließt?“Ich war schon immer ein großer Freund der Eigenverantwortung und daher konnte und wollte ich mir nicht ausmalen, dass auf einmal alles zumachen muss. Schon am 13. März ging es richtig rund, auch privat. Meine Tochter studierte in Polen, und sie kam noch rasch über die Grenze zurück. Am 14. März sah ich dann die schockierenden Bilder aus Bergamo. Am 15. März kam der Oberbürgermeister in die Altstadt und erläuterte die Situation. Das alles war gespenstisch. Wir stellten uns auf zwei Wochen ein, daraus wurden dann vier und mehr. Heute kann ich mir fast alles vorstellen. Ich schließe nichts mehr aus im Leben und in der Gastronomie.
Kein Mensch bestreitet, dass es Infektionen geben kann. Wir Gastronomen verstehen aber nicht, dass uns das Infektionsgeschehen so angelastet wird. Unsere Gäste verhalten sich korrekt, gewissenhaft, sie registrieren sich brav, wir haben seit Donnerstag zusätzlich Plastik-Trennwände, um noch mehr Sicherheit zu gewährleisten. Und denen soll ich jetzt sagen, die sollen um 23 Uhr gehen?
Ich bin nicht frustriert, höchstens angestrengt, aber ich bin bereit zu kämpfen. Und ich schaue mir die Fakten an: Die Gastronomie ist die in Sachen Corona am besten dokumentierte Branche überhaupt. Jeder Besucher muss sich registrieren, eventuelle Kontakte können bestens nachverfolgt werden. Der Leiter des Gesundheitsamtes, Klaus Göbels, sagte, dass man im September genau sieben Fälle in der Gastronomie nachverfolgte. Selbst wenn man von einer hohen Dunkelziffer ausgeht, ist das lächerlich wenig und kann einfach nicht die Ursache der jetzigen Zahlen sein. Von einer Ansteckung in der Gastronomie habe ich tatsächlich noch nichts gelesen. Wir haben hohe Hygieneauflagen, die von uns strikt eingehalten und auch pausenlos kontrolliert werden. Unsere Gäste lassen das alles bereitwillig über sich ergehen, weil sie dieses Stück Lebensqualität und die Lebensfreude des geselligen Zusammenseins nicht missen möchten. Sie stellen sich mit Maske in eine Warteschlange, desinfizieren sich die Hände, nehmen Einschränkungen bei der Platzwahl und der Anzahl der anwesenden Freunde in Kauf, um sich regelkonform zu verhalten. Diese Leute schickt man jetzt früher nach Hause, das ist ungerecht, und ich verstehe den Sinn nicht. In Berlin können wir sehen, wie die Menschen sich danach zwanglos auf der Straße treffen oder sich in private Räume zurückziehen. Was erreicht man damit?
Ich kann mich noch gut an die Sperrstunde erinnern, und sie wurde aus gutem Grund abgeschafft. Zeitgleich mussten alle die Kneipen verlassen, es kam zu Aggressionen, Menschen rangelten um ein Taxi, und das lief nicht immer friedlich ab. Ob das jetzt besser sein wird?
Und natürlich macht es auch geschäftlich einen Unterschied, ob wir um 1 Uhr nachts oder um 23 Uhr schließen – wir hatten am Wochenende sonst immer bis 3 oder 4 Uhr morgens auf. Die Musterklage für alle ist auf dem Weg – und das ist gut so.
Ganz allgemein bin ich optimistisch. Sicher wird es irgendwann wieder „normal“weitergehen, aber Spaß macht das alles im Moment nicht. Dabei ist die Altstadt ein vielschichtiger Ort. Die Menschen kommen in der Regel friedlich zusammen, es ist ein lebendiges Viertel, das sich immer wieder neu erfindet. Und es geht ja auch nicht nur um die Gastronomie bei den neuen Regelungen, es geht auch um die Freiheit des Publikums. Es tut mir weh zu sehen, wie man uns Gastronomen und unsere Gäste gängelt. Das ist nicht fundiert, sondern eher ein Akt der Hilflosigkeit, den wir da auszubaden haben.
RP-Redakteurin Brigitte Pavetic fasste die Gedanken von Wirt Hans-Peter Schwemin zusammen.