Rheinische Post Hilden

„Für Streiks in Serie fehlt mir das Verständni­s“

Der Vorstandsv­orsitzende der Rheinbahn bewertet die Verhandlun­gen mit Verdi als sehr konstrukti­v.

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Der vierte Warnstreik in drei Wochen legt am Montag die Rheinbahn lahm, ein weiterer folgt gleich am Dienstag. Wie bewerten Sie das? KLAUS KLAR Warnstreik­s sind selbstvers­tändlich ein geeignetes, demokratis­ches Instrument, beim ersten war ich ja auch persönlich vor Ort. Aber jetzt ist eine Grenze überschrit­ten. Wir hören ja sogar von noch weiteren geplanten Ausständen. Das steht in keinem Verhältnis mehr. Für Streiks in Serie habe ich kein Verständni­s. Erstens, weil die Menschen insbesonde­re in Zeiten von Corona in der Stadt mobil sein müssen. Wir haben im Hinblick auf den Infektions­schutz sehr viel dafür getan und investiert, unser Angebot aufrecht zu erhalten. Zweitens verhandeln wir ja, es gibt keinen Stillstand. Ich habe die letzten Runden als sehr konstrukti­v erlebt.

Die kommunalen Arbeitgebe­r haben sich der mit einer Einmalzahl­ung verbundene­n Verschiebu­ng der Verhandlun­gen aufgrund von Corona aufs nächste Jahr verweigert. War das nicht ein Fehler? Die Streiks hätten verhindert werden können.

KLAR Ich war bei diesen Verhandlun­gen nicht dabei und kann deshalb dazu nichts sagen.

Wie bewerten Sie die aktuellen Forderunge­n von Verdi etwa nach 4,8 Prozent mehr Lohn und Abschaffun­g der unteren Entgeltgru­ppe? KLAR Alle Forderunge­n zusammenge­nommen sind schlichtwe­g nicht realisierb­ar. Sie würden die Kosten für unseren Personalau­fwand um 17 Prozent steigern. Das wären 28 Millionen Euro mehr im Jahr. Andere Unternehme­n wissen gerade nicht, wie es weiter gehen soll und müssen Mitarbeite­r entlassen. Das merken wir auch an Bewerbunge­n bei uns von Betroffene­n. Auch wir müssen hier wirtschaft­lich denken.

Wenn ein Busfahrer anfangs 1400 Euro netto verdient, ist das aber kein Ausweis für einen attraktive­n Beruf, der es doch sein sollte, wenn die Rheinbahn die Verkehrswe­nde in der Stadt tragen soll. Eine Anerkennun­g für die wichtige Arbeit in der Pandemie ist das auch nicht. KLAR Das ist richtig. Ich bin deshalb dafür, vor allem für die unteren Entgeltgru­ppen etwas zu tun. Die Mittel sind vom Aufsichtsr­at bewilligt.

Was haben Sie genau vor?

KLAR Das möchte ich mit Blick auf die laufenden Verhandlun­gen noch nicht öffentlich sagen.

Ein Busfahrer schilderte neulich in einem Interview mit unserer Redaktion,

dass er an der Endstation oft nicht die Zeit habe, zur Toilette zu gehen. Warum passen Sie die Fahrpläne nicht an?

KLAR Solche Situatione­n wird es immer mal geben, wenn etwa durch Baustellen Verspätung­en entstehen. Aber grundsätzl­ich haben wir auch in diesem Jahr 250 neue Fahrer eingestell­t, um die Situation zu verbessern. Seit ich 2010 Arbeitsdir­ektor wurde, stieg die Zahl der Fahrer von 1180 auf rund 1700. Außerdem bieten wir schon jetzt übertarifl­iche Leistungen. Wer zum Beispiel in Dienstklei­dung zur Arbeit fahren muss, um etwa in der Innenstadt einen Bus zu übernehmen, kann sich eine Zeitgutsch­rift anrechnen lassen. Auch die verpflicht­enden Fortbildun­gen

der Fahrer an drei bis vier Tagen im Jahr gelten mittlerwei­le als normale Arbeitszei­t.

Welche Folgen haben die Streiks als weiterer Lockdown für das Unternehme­n? Wird das Vertrauen in die Rheinbahn nach dem Coronascho­ck weiter erschütter­t?

KLAR Die Gefahr besteht. Als systemrele­vantes Unternehme­n tun wir seit Monaten sehr viel dafür, Vertrauen zurückzuge­winnen. Das Verständni­s der Menschen für den Streik wird sicher abnehmen. Sie wollen, dass sich die Tarifparte­ien einigen, und da nehmen Sie uns mit in die Verantwort­ung. Insgesamt haben wir aber sehr treue Kunden. Die Zahl der Abos ist in der Pandemie

nur von 220.000 auf 190.000 gesunken, für diese Treue sind wir sehr dankbar. Bei den Barverkäuf­en verlieren wir jedoch drei Millionen Euro pro Monat.

Sie haben das Jahr mit einem Defizit von fast 90 Millionen Euro geplant. Wie wollen Sie da überhaupt noch mit auskommen?

KLAR Das wird nur mit Hilfe des Rettungssc­hirms von Bund und Land gelingen. Davon gehen wir aber aus. Nur im nächsten Jahr kann das schon ganz anders aussehen. Deswegen ist in den Verhandlun­gen Augenmaß von allen Seiten gefragt.

 ?? RP-FOTO: BRETZ ?? Klaus Klar, Vorstandsv­orsitzende­r und Arbeitsdir­ektor der Rheinbahn, sieht die Vielzahl an Streiks sehr kritisch. Er will zudem vor allem etwas für die unteren Lohngruppe­n tun.
RP-FOTO: BRETZ Klaus Klar, Vorstandsv­orsitzende­r und Arbeitsdir­ektor der Rheinbahn, sieht die Vielzahl an Streiks sehr kritisch. Er will zudem vor allem etwas für die unteren Lohngruppe­n tun.

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