Rheinische Post Hilden

Tschö Frau Stengel

31 Jahre saß Irene Stengel für die CDU in der Bezirksver­tretung 2. Die 76-Jährige suchte nie das Rampenlich­t, gewann durch ihre Art und den berühmten Eierlikörk­uchen die Herzen der Menschen. Jetzt macht sie Platz für die Jungen.

- VON NICOLE KAMPE

DÜSSELTAL 150 Milliliter Eierlikör gibt Irene Stengel in den Teig, damit der auch ein bisschen danach schmeckt. „Ich siebe das Mehl und den Puderzucke­r“, verrät die 76-Jährige und fügt hinzu: „Der Kuchen war schon überall.“Wenn ihre Kinder kommen, muss sie backen, wenn ihre Enkel kommen auch. Für Freunde und Kollegen, für Feste und zu Hause, „ist aber gar nicht schwer“, sagt Stengel bescheiden – und herzlich zugleich. Wenn sie sagt, sie macht das gern, dann stimmt das auch.

Irene Stengel hat das Herz am rechten Fleck, vielleicht ist es auch das, was sie so fit und munter hält. Sie arbeitet ehrenamtli­ch beim Sozialverb­und auch selbst gebackene, die sie verteilte in der Bezirksver­tretung 2.

Dass Irene Stengel mal Politik machen würde, das hätte man kommen sehen können. „Ich stamme von der Scheel-Familie ab“, sagt die Rentnerin, ihr Vater war der Cousin von Walter Scheel (FDP), der von 1974 bis 1979 der vierte Bundespräs­ident der Bundesrepu­blik Deutschlan­d war. Viel mehr wusste Stengel aber lange Zeit nicht über ihren Vater,

ihre Eltern trennten sich, als Irene Stengel noch klein war. „Er war ein Fremder“, sagt Stengel, die noch einen leiblichen Bruder hat und vier jüngere Halbgeschw­ister. Der Stiefvater wurde ihr Papa, „so war das früher.“Erst irgendwann später, als Stengel erwachsen war, nahm sie Kontakt zu ihrem Vater auf.

Klug und aufgeweckt ist Irene Stengel gewesen als Kind, „ich hatte die Eignung für die höhere Schule“, erzählt sie. Medizin hätte sie gern studiert, „ich wollte meine Eltern aber finanziell nicht so belasten“. Stengel machte eine Ausbildung zur Großhandel­skauffrau, ging danach zur Commerzban­k – „sie nahmen mich, obwohl ich kein Abitur hatte“. Lange ist Stengel aber nicht geblieben, „meine erste Tochter kam, als ich kaum 18 war“, erzählt Irene Stengel. Geplant war das nicht, rückblicke­nd würde sie aber nichts anders machen.

Ihr Freund Helmut war 21, die beiden heirateten und bekamen noch zwei Söhne. 52 Jahre war das Paar zusammen, vor sieben Jahren starb Helmut. Eine schwere Zeit, aber die Familie war da, sie ist immer da. Und Irene Stengel ist so wahnsinnig stolz auf ihre Familie, ihre Kinder und Enkel und den ersten Urenkel, der bald vier Jahre alt wird. „Ich konnte mich nie beklagen, und manchmal frage ich mich, womit ich das verdient habe.“

1989 zog Irene Stengel in die Bezirksver­tretung ein, die sich um Düsseltal, Flingern-Nord und -Süd kümmert. „Echte Frauenpowe­r“, sagt die 76-Jährige stolz und zeigt einen alten Zeitungsar­tikel, der schon ein bisschen vergilbt ist. Zu sehen sind Almut Kollar, die spätere Bezirksbür­germeister­in, Hildegard Zimmermann, Annelies Böcker, die ebenfalls Bezirksbür­germeister­in wurde und immer noch aktiv Politik betreibt und Roswitha Jörß. Alle im Look der späten 80er mit Dauerwelle und Schulterpo­lstern.

Dass Irene Stengel in die CDU eintrat und nicht in die FDP, obwohl sie eine Scheel ist, das liegt an ihrer Großmutter. „Sobald die Oma nur Adenauer hörte, leuchteten ihre Augen“, erinnert sich Stengel. Gehadert hat sie eigentlich nie mit der Partei, außer das eine Mal, als die CDU das Schlechtwe­ttergeld abschaffen wollte. Zu der Zeit arbeitete Stengel bei der IG Bau, wusste um die Existenznö­te der Unternehme­n. Auf ihrem Balkon hisste Stengel eine Flagge aus Solidaritä­t zu den Bauarbeite­rn, die kein Ausfallhon­orar mehr bekommen sollten, wenn sie wegen schlechten Wetters nicht arbeiten konnten. Stengel ging sogar auf die Straße, „am Ende ist das Schlechtwe­ttergeld fast so geblieben, wie es war, aber es wurde umbenannt“, sagt die 76-Jährige, die sich immer gekümmert hat um das, was vor ihrer Haustür passiert.

Sie stellte den ersten Antrag, als das alte Jungedstil­haus an der Ecke Dorotheens­traße und Birkenstra­ße langsam verfiel. Sie sorgte dafür, dass die Wiese bei ihrem Friseur gegenüber nicht mehr als Hundeklo genutzt wird. Vielleicht war das nicht ganz uneigennüt­zig, Irene Stengel geht gern zum Friseur, seit 20 Jahren in den Laden auf der anderen Straßensei­te, alle zwei Wochen, „dann werden die Haare schön eingedreht“, sagt Stengel. Manchmal macht sie das auch selbst.

Jetzt hofft Stengel, dass der bisherige Bezirksbür­germeister Uwe Wagner das Amt weiterhin ausführt. Dass Wagner von der SPD ist, spielt für sie keine Rolle, ihr geht es um die Menschen, nicht um das Parteibuch. „Und Herr Wagner hat das immer hervorrage­nd gemacht“. Ab und an wird sie vorbeischa­uen, wenn die Bezirksver­tretung tagt, vielleicht auch öfter. „Mir ist eigentlich nichts zu viel“, sagt Irene Stengel.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Ordnerweis­e Unterlagen wälzt Irene Stengel auch heute noch. Sie engagiert sich beim VdK.
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REPRO: NIKA Almut Kollar, Hildegard Zimmermann, Annelies Böcker, Roswitha Jörß und Irene Stengel (v.l.) im Wahlkampf 1989

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