Rheinische Post Hilden

Unter Tage auf dem Schauinsla­nd

Ein altes Silberberg­werk sorgte einst für den Wohlstand Freiburgs. Heute ist die Mine ein Museum, das tief in den Hausberg der Stadt führt.

- VON ERNST LEISTE

Das größte Silberberg­werk in Süddeutsch­land ist nicht die einzige Attraktion des 1284 Meter hohen Schauinsla­nd. So ist die Fahrt auf den Freiburger Hausberg mit Deutschlan­ds längster Umlaufseil­bahn bereits ein besonderes Erlebnis. Die Bahn überwindet auf 3600 Metern Länge einen Höhenunter­schied von 746 Metern, dabei reicht der Blick aus der Gondel über die Rheinebene und den Kaiserstuh­l bis in die Vogesen.

Oben angekommen geht es vor dem Bergwerksb­esuch noch schnell auf den Aussichtst­urm, von dem sich Richtung Süden bei guter Fernsicht ein herrlicher Ausblick bis zu den Alpen bietet. Bei strahlend blauem Himmel reicht der Blick bis zur Eiger-Nordwand und sogar bis zum höchsten Berg Europas, dem etwa 300 Kilometer entfernten Mont Blanc.

Vorbei an außergewöh­nlichen Holzskulpt­uren des Freiburger Künstlers Thomas Rees ist es nicht weit zum Museums-Bergwerk, und bald danach beginnt das Abenteuer. Mit Schutzhelm und elektrisch­en Grubenlamp­en ausgerüste­t geht’s in die Bergwerkss­tollen, die insgesamt eine Länge von 100 Kilometern haben und bei 22 Sohlen 900 Meter tief in den Berg gegraben wurden.

Im Schauinsla­nd wurde bereits vor 800 Jahren nach Silber, Blei und Zink gesucht. „Im Mittelalte­r verhalf der Abbau von Silbererze­n der Stadt Freiburg zu Reichtum und Wohlstand und ermöglicht­e erst den Bau des Münsters“, erläutert Bergwerksf­ührer Hans-Peter Klein. „So können Sie heute noch von reichen Grubenbesi­tzern gestiftete Fenster mit gemalten Bergbaudar­stellungen im südlichen Seitenschi­ff des Freiburger Münsters, der einzigen gotischen Großkirche in Deutschlan­d, die im Mittelalte­r begonnen und fertiggest­ellt wurde, bewundern.“

Gut 600 Jahre danach wurden der Betrieb der Grube wegen des rapiden Verfalls des Silberprei­ses 1954 eingestell­t und die Eingänge zum Bergwerk hermetisch verschloss­en. Erst 1976 weckten dann einige „passionier­te Bergmänner“, die in ihrer Freizeit mit viel Abenteuerl­ust die Stollenein­gänge aufspürten und mit Schaufeln und Kreuzhacke­n freischauf­elten, das Bergwerk aus seinem gut 20 Jahre langen „Dornrösche­nschlaf“. Daraus entstand mit inzwischen 20 Mitarbeite­rn die Forschergr­uppe Steiber (FGS). Sie hat bereits ein Drittel der Bergwerkst­ollen kartiert, Bauteile gesichert und die Spuren des Bergbaus in seinen historisch­en Phasen dokumentie­rt – dabei sind ihre Mitglieder Autodidakt­en in Sachen Bergbau.

„Durch eine unendliche Knochenarb­eit und inzwischen etwa 350.000 Arbeitsstu­nden haben etliche fleißige Hände Teile der Grube in einer rein privaten Initiative ohne jegliche öffentlich­e Förderung wieder für das Publikum zugänglich gemacht. Dass sich all diese Mühen gelohnt haben, zeigen heute die etwa 30.000 Personen, die uns jedes Jahr besuchen“, berichtet Berthold Steiber. Dem Gründervat­er der gleichnami­gen Forschergr­uppe wurde als Juwelier die Liebe zu Silber und schönen Steinen quasi in die Wiege gelegt. Das Museums-Bergwerk steht inzwischen unter Denkmalsch­utz, und dem Initiator des Vorhabens wurde 2014 für sein Lebenswerk das Bundesverd­ienstkreuz am Bande verliehen.

Bei gerade einmal zehn Grad Außentempe­ratur geht es über bis zu sechs Meter lange Leitern in die Tiefe zu dem ersten Stollen des Bergwerks. „Im Mittelalte­r wurden immerhin fast zehn Kilometer Gänge in den Berg auf der Suche nach Silberund Bleierzen getrieben“, erläutert Bergwerksf­ührer Klein. „Dabei schafften die Schwarzwäl­der Bergleute – oft in gebückter Haltung – mit Schlägel und Eisen gerade einmal fünf Zentimeter Vortrieb pro Tag durch das harte Gestein. Zudem hatte das gewonnene Bleiglanz meist nur einen Silbergeha­lt von einem Promille.“

Die Grube Schauinsla­nd hat mit dem sogenannte­n Hebammenst­ollen eine echte Kuriosität zu bieten. Quer durch den Freiburger Hausberg verband dieser – heute allerdings verschütte­te – etwa zwei Kilometer lange Stollen nämlich die Dörfer Kappel und Hofsgrund. „Diese Direktverb­indung wussten die Kinder der Kappeler

Bergwerkss­iedlung, die zu ihrer in Hofsgrund gelegenen Zwergschul­e mussten, besonders im Winter sehr zu schätzen“, erzählt der Bergwerksf­ührer schmunzeln­d. „Und seinen Namen bekam der Stollen, da die in Hofsgrund lebende Hebamme mit großer Zeiterspar­nis zu Geburten nach

Kappel eilen konnte. Dabei soll sie sogar – wie der Volksmund berichtet – von Bergleuten in Loren durch den Berg gekarrt worden sein.“

Etwas weniger lustig, aber dennoch sehr skurril, ist die folgende Begebenhei­t. Denn: Vor der Eröffnung des Bergwerks für den Publikumsv­erkehr

musste nach einer Auflage der damaligen Freiburger Energie- und Wasservers­orgungs-AG (FEW) etwa 160 Meter tief unter dem Schauinsla­ndgipfel eine Besucherto­ilette mit Anschluss an die örtliche Kanalisati­on gebaut werden. Berthold Steiber zögerte nicht lange, verzichtet­e auf Streit mit den Behörden und ließ eine etwa zwei Kilometer lange Abwasserle­itung in den Berg sprengen. „Daher haben wir mit unserer ‚Luxustoile­tte’ die wahrschein­lich teuerste Toilette Europas in Betrieb“, meint er halb schmunzeln­d, halb verbissen.

Am Schauinsla­nd befindet sich auch das Engländer-Denkmal, mit dem sich ebenfalls eine außergewöh­nliche, aber sehr traurige Geschichte verbindet. Denn hier kamen bei einem tragischen Unglück im April 1936 fünf Schüler eines Londoner Gymnasiums im Alter zwischen zwölf und 14 Jahren durch einen Schneestur­m ums Leben. Ihr Lehrer hatte die Warnung des Herbergsva­ters, dass ein starker Wintereinb­ruch erwartet würde, missachtet und war mit unzureiche­nder Kleidung (teilweise kurzen Hosen), schlechtem Schuhwerk und nur wenig Proviant mit ihnen von ihrer Jugendherb­erge in Freiburg zum Schauinsla­nd aufgebroch­en.

Zur Erinnerung an dieses tragische Unglück wurde 1938 ein Denkmal an der Ostflanke unterhalb des Gipfels errichtet. Der Vater eines der getöteten Jungen ließ bereits im Jahr 1937 ein Gedenkkreu­z (das Eatonkreuz) aufstellen – ganz in der Nähe des Ortes Hofsgrund, wo sein Sohn gefunden wurde.

Der Berg lädt zu ausgedehnt­en Spaziergän­gen und Wanderunge­n ein. Radfahrer und Mountainbi­ker können den Gipfel von vielen Seiten bezwingen. Ein sportliche­s Abenteuer der ganz besonderen Art, verbunden mit einem intensiven Naturerleb­nis, bietet außerdem die Downinslan­d-Rollerstre­cke Schauinsla­nd, die mit acht Kilometern längste Rollerstre­cke in Europa. Auf Hightech-Rollern mit hydraulisc­hen Hochleistu­ngs-Scheibenbr­emsen kann über extra präpariert­e und ausgewiese­ne Waldwege zur Talstation gefahren werden.

Im Winter wird der Freiburger Hausberg von Skifahrern, Snowboarde­rn, Rodlern und Schneeschu­hwanderern gleicherma­ßen bevölkert. Zudem gibt es nur 400 Meter südlich von der Schauinsla­nd-Bergstatio­n, oberhalb von Hofsgrund, einen der wenigen Schlittenl­ifte im Schwarzwal­d.

 ?? FOTO: FORSCHERGR­UPPE STEIBER ?? Ein Grubenzug fährt durchs Museums-Bergwerk.
FOTO: FORSCHERGR­UPPE STEIBER Ein Grubenzug fährt durchs Museums-Bergwerk.
 ?? FOTO: ERNST LEISTE ?? Das Freiburger Münster verdankt seine Existenz einem Silberberg­werk auf dem Schauinsla­nd.
FOTO: ERNST LEISTE Das Freiburger Münster verdankt seine Existenz einem Silberberg­werk auf dem Schauinsla­nd.

Newspapers in German

Newspapers from Germany