Unter Tage auf dem Schauinsland
Ein altes Silberbergwerk sorgte einst für den Wohlstand Freiburgs. Heute ist die Mine ein Museum, das tief in den Hausberg der Stadt führt.
Das größte Silberbergwerk in Süddeutschland ist nicht die einzige Attraktion des 1284 Meter hohen Schauinsland. So ist die Fahrt auf den Freiburger Hausberg mit Deutschlands längster Umlaufseilbahn bereits ein besonderes Erlebnis. Die Bahn überwindet auf 3600 Metern Länge einen Höhenunterschied von 746 Metern, dabei reicht der Blick aus der Gondel über die Rheinebene und den Kaiserstuhl bis in die Vogesen.
Oben angekommen geht es vor dem Bergwerksbesuch noch schnell auf den Aussichtsturm, von dem sich Richtung Süden bei guter Fernsicht ein herrlicher Ausblick bis zu den Alpen bietet. Bei strahlend blauem Himmel reicht der Blick bis zur Eiger-Nordwand und sogar bis zum höchsten Berg Europas, dem etwa 300 Kilometer entfernten Mont Blanc.
Vorbei an außergewöhnlichen Holzskulpturen des Freiburger Künstlers Thomas Rees ist es nicht weit zum Museums-Bergwerk, und bald danach beginnt das Abenteuer. Mit Schutzhelm und elektrischen Grubenlampen ausgerüstet geht’s in die Bergwerksstollen, die insgesamt eine Länge von 100 Kilometern haben und bei 22 Sohlen 900 Meter tief in den Berg gegraben wurden.
Im Schauinsland wurde bereits vor 800 Jahren nach Silber, Blei und Zink gesucht. „Im Mittelalter verhalf der Abbau von Silbererzen der Stadt Freiburg zu Reichtum und Wohlstand und ermöglichte erst den Bau des Münsters“, erläutert Bergwerksführer Hans-Peter Klein. „So können Sie heute noch von reichen Grubenbesitzern gestiftete Fenster mit gemalten Bergbaudarstellungen im südlichen Seitenschiff des Freiburger Münsters, der einzigen gotischen Großkirche in Deutschland, die im Mittelalter begonnen und fertiggestellt wurde, bewundern.“
Gut 600 Jahre danach wurden der Betrieb der Grube wegen des rapiden Verfalls des Silberpreises 1954 eingestellt und die Eingänge zum Bergwerk hermetisch verschlossen. Erst 1976 weckten dann einige „passionierte Bergmänner“, die in ihrer Freizeit mit viel Abenteuerlust die Stolleneingänge aufspürten und mit Schaufeln und Kreuzhacken freischaufelten, das Bergwerk aus seinem gut 20 Jahre langen „Dornröschenschlaf“. Daraus entstand mit inzwischen 20 Mitarbeitern die Forschergruppe Steiber (FGS). Sie hat bereits ein Drittel der Bergwerkstollen kartiert, Bauteile gesichert und die Spuren des Bergbaus in seinen historischen Phasen dokumentiert – dabei sind ihre Mitglieder Autodidakten in Sachen Bergbau.
„Durch eine unendliche Knochenarbeit und inzwischen etwa 350.000 Arbeitsstunden haben etliche fleißige Hände Teile der Grube in einer rein privaten Initiative ohne jegliche öffentliche Förderung wieder für das Publikum zugänglich gemacht. Dass sich all diese Mühen gelohnt haben, zeigen heute die etwa 30.000 Personen, die uns jedes Jahr besuchen“, berichtet Berthold Steiber. Dem Gründervater der gleichnamigen Forschergruppe wurde als Juwelier die Liebe zu Silber und schönen Steinen quasi in die Wiege gelegt. Das Museums-Bergwerk steht inzwischen unter Denkmalschutz, und dem Initiator des Vorhabens wurde 2014 für sein Lebenswerk das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.
Bei gerade einmal zehn Grad Außentemperatur geht es über bis zu sechs Meter lange Leitern in die Tiefe zu dem ersten Stollen des Bergwerks. „Im Mittelalter wurden immerhin fast zehn Kilometer Gänge in den Berg auf der Suche nach Silberund Bleierzen getrieben“, erläutert Bergwerksführer Klein. „Dabei schafften die Schwarzwälder Bergleute – oft in gebückter Haltung – mit Schlägel und Eisen gerade einmal fünf Zentimeter Vortrieb pro Tag durch das harte Gestein. Zudem hatte das gewonnene Bleiglanz meist nur einen Silbergehalt von einem Promille.“
Die Grube Schauinsland hat mit dem sogenannten Hebammenstollen eine echte Kuriosität zu bieten. Quer durch den Freiburger Hausberg verband dieser – heute allerdings verschüttete – etwa zwei Kilometer lange Stollen nämlich die Dörfer Kappel und Hofsgrund. „Diese Direktverbindung wussten die Kinder der Kappeler
Bergwerkssiedlung, die zu ihrer in Hofsgrund gelegenen Zwergschule mussten, besonders im Winter sehr zu schätzen“, erzählt der Bergwerksführer schmunzelnd. „Und seinen Namen bekam der Stollen, da die in Hofsgrund lebende Hebamme mit großer Zeitersparnis zu Geburten nach
Kappel eilen konnte. Dabei soll sie sogar – wie der Volksmund berichtet – von Bergleuten in Loren durch den Berg gekarrt worden sein.“
Etwas weniger lustig, aber dennoch sehr skurril, ist die folgende Begebenheit. Denn: Vor der Eröffnung des Bergwerks für den Publikumsverkehr
musste nach einer Auflage der damaligen Freiburger Energie- und Wasserversorgungs-AG (FEW) etwa 160 Meter tief unter dem Schauinslandgipfel eine Besuchertoilette mit Anschluss an die örtliche Kanalisation gebaut werden. Berthold Steiber zögerte nicht lange, verzichtete auf Streit mit den Behörden und ließ eine etwa zwei Kilometer lange Abwasserleitung in den Berg sprengen. „Daher haben wir mit unserer ‚Luxustoilette’ die wahrscheinlich teuerste Toilette Europas in Betrieb“, meint er halb schmunzelnd, halb verbissen.
Am Schauinsland befindet sich auch das Engländer-Denkmal, mit dem sich ebenfalls eine außergewöhnliche, aber sehr traurige Geschichte verbindet. Denn hier kamen bei einem tragischen Unglück im April 1936 fünf Schüler eines Londoner Gymnasiums im Alter zwischen zwölf und 14 Jahren durch einen Schneesturm ums Leben. Ihr Lehrer hatte die Warnung des Herbergsvaters, dass ein starker Wintereinbruch erwartet würde, missachtet und war mit unzureichender Kleidung (teilweise kurzen Hosen), schlechtem Schuhwerk und nur wenig Proviant mit ihnen von ihrer Jugendherberge in Freiburg zum Schauinsland aufgebrochen.
Zur Erinnerung an dieses tragische Unglück wurde 1938 ein Denkmal an der Ostflanke unterhalb des Gipfels errichtet. Der Vater eines der getöteten Jungen ließ bereits im Jahr 1937 ein Gedenkkreuz (das Eatonkreuz) aufstellen – ganz in der Nähe des Ortes Hofsgrund, wo sein Sohn gefunden wurde.
Der Berg lädt zu ausgedehnten Spaziergängen und Wanderungen ein. Radfahrer und Mountainbiker können den Gipfel von vielen Seiten bezwingen. Ein sportliches Abenteuer der ganz besonderen Art, verbunden mit einem intensiven Naturerlebnis, bietet außerdem die Downinsland-Rollerstrecke Schauinsland, die mit acht Kilometern längste Rollerstrecke in Europa. Auf Hightech-Rollern mit hydraulischen Hochleistungs-Scheibenbremsen kann über extra präparierte und ausgewiesene Waldwege zur Talstation gefahren werden.
Im Winter wird der Freiburger Hausberg von Skifahrern, Snowboardern, Rodlern und Schneeschuhwanderern gleichermaßen bevölkert. Zudem gibt es nur 400 Meter südlich von der Schauinsland-Bergstation, oberhalb von Hofsgrund, einen der wenigen Schlittenlifte im Schwarzwald.