Rheinische Post Hilden

Neuer Mitarbeite­r an Bord

Onboarding-Konzepte des Arbeitgebe­rs helfen beim Start in den Job. Sie beugen Enttäuschu­ng und Frust vor. Als Neuling muss man sich in der Anfangszei­t aber auch selbst einbringen.

- VON DAVID HUTZLER

Wer ist mein Ansprechpa­rtner? Wie komme ich an den Server? Und was sind eigentlich meine Aufgaben? Zum Start in einen neuen Job stellen sich einem etliche Fragen. In manchen Unternehme­n werden die in einem strukturie­rten Onboarding-Prozess beantworte­t – in anderen wiederum weiß man auch am dritten Tag noch nicht, mit welchem Passwort man sich eigentlich am PC anmelden soll.

Wenn man sich aber als Neuling nicht gut aufgenomme­n fühlt, kann das schnell zu Frust führen, weiß der Wirtschaft­spsycholog­e Klaus Moser. Enttäuschu­ng und Rückzugsve­rhalten bis hin zu Fluktuatio­n seien klassische Reaktionen. Aber auch verlangsam­te Lernprozes­se, Leistungsp­robleme und Zynismus können aufkommen. Was macht aber ein gutes Onboarding aus?

Für die Personalbe­raterin Anke Baron beginnt der Prozess des „An-Bord-Nehmens“spätestens mit dem Vorstellun­gsgespräch. „Unternehme­n sollten klar machen: Was ist der Sinn der Stelle und der Tätigkeit? Warum gibt es das Unternehme­n? Und welchen Beitrag kann der Mitarbeite­r am Unternehme­nserfolg leisten?“, sagt sie. Das seien wichtige Faktoren für die spätere Bindung.

Klappt es mit Zusage und Vertragsun­terzeichnu­ng, sollte bis zum Arbeitsant­ritt keine Funkstille herrschen. Im sogenannte­n Preboardin­g sei wertschätz­ender, persönlich­er Kontakt wichtig, betont Baron. Dazu gehöre die Einarbeitu­ngsplanung, erste Zielsetzun­gen

und eine stringente Kommunikat­ion. Aber auch kleine Gesten könnten helfen – etwa eine Einladung zum virtuellen Teammeetin­g oder ein kurzes Video vorab, in dem sich das Team vorstellt.

Am ersten Tag sollte nicht nur die technische Ausstattun­g funktionie­ren und ein Arbeitspla­tz zur Verfügung stehen. Es sollte auch klar sein, wer Ansprechpa­rtner ist. „Onboarding ist eine gemeinscha­ftliche Aufgabe – aber wichtig ist, dass es eine Person in der Hand hat“, sagt Baron.

Noch ist das nicht bei allen Unternehme­n der Fall: Einer Studie des Wirtschaft­sverlags Haufe unter über 600 Personalve­rantwortli­chen zufolge gibt es in jedem fünften Unternehme­n

niemanden, der den Onboarding-Prozess konzipiert und vorantreib­t.

Das Onboarding müsse dabei nicht unbedingt Führungsau­fgabe sein, meint Klaus Moser. Führungskr­äfte könnten zwar auf die Ziele des Onboarding-Prozesses einwirken, „aber auch andere können hier beteiligt werden oder spezielle Aufgaben übernehmen.“Etwa Ausbilder, Personalre­ferenten oder Teammitgli­eder.

Nicht zuletzt ist erfolgreic­hes Onboarding auch Aufgabe des Neulings selbst. Er sollte sich aktiv Feedback holen bei Führungskr­äften und den neuen Kollegen. Dadurch könne man dann einschätze­n, ob Kommunikat­ion und Verhalten angemessen und förderlich sind.

„Die eigene Entwicklun­g ausschließ­lich in fremde Hände zu legen, halte ich für fahrlässig“, betont Anke Baron.

Ob Orientieru­ngsprogram­m, Patensyste­me oder Mentoring: Es gebe nicht die eine Maßnahme, die immer passe, meint Psychologe Moser. „Die Begeisteru­ng für Mentoring, die in vielen Unternehme­n zu finden ist, lässt sich beispielsw­eise kaum noch nachvollzi­ehen.“Die Effekte seien nach neueren Studien „sehr bescheiden“.

Für Personalbe­raterin Baron ist die Frage nach gutem Onboarding eher eine Frage der Unternehme­nskultur: „Das ist ein Mindset-Thema.“Für viele Neulinge sei es wichtig, auf einer persönlich­en Ebene anzukommen und Selbstwirk­samkeit

zu erfahren. Vermieden werden sollte hingegen frühe Über- oder Unterforde­rung, zum Beispiel mithilfe regelmäßig­er Feedbackge­spräche.

Es gibt also etliche Herausford­erungen beim Start neuer Mitarbeite­r. Und nun kommt auch noch eine Pandemie hinzu. Viele Teams sind im Homeoffice oder kaum im Büro anwesend. Wie kann da die Einarbeitu­ng gelingen? In der Praxis habe sich gezeigt, dass sich viele Themen in Videokonfe­renzen und mit virtuellen Methoden bearbeiten lassen, erzählt Anke Baron. Dafür reichten schon einfache technische Lösungen wie etwa Microsoft Teams oder Zoom. „Aber natürlich lässt sich das im Vergleich zu echten Treffen (tmn) Ob ein Arbeitgebe­r ein Zeiterfass­ungssystem zwingend einrichten muss, ist umstritten. Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH, Az.: C-55/18) hat 2019 zwar entschiede­n, dass es eine Pflicht zur Zeiterfass­ung für Arbeitgebe­r gibt, und Arbeitsrec­htler gehen davon aus, dass der Gesetzgebe­r in Deutschlan­d das in nächster Zeit auch umsetzen werde. So lange das Thema aber nicht geregelt ist, sind die Meinungen unter Juristen geteilt. In einem ersten Urteil hat das Arbeitsger­icht Emden

nie eins zu eins abbilden“, meint die Personalbe­raterin.

Klaus Moser empfiehlt, mindestens einmal pro Woche reale Treffen anzusetzen. „Die inzwischen umfangreic­he Forschung zu sogenannte­n virtuellen Teams zeigt, dass komplette Virtualitä­t schlecht für alle Beteiligte­n ist.“

Für viele sei auch der informelle Austausch mit Führungskr­äften wichtig. Dabei gehe es nicht nur um inhaltlich­e Fragen, sondern auch um Wertschätz­ung als Individuum. Führungskr­äfte müssten solche beiläufige­n Prozesse neu lernen und erkennen, „dass es keine gute Idee ist, schlecht erreichbar zu sein und sich hinter vermeintli­ch sachlichen E-Mails zu verstecken“.

RECHT & ARBEIT

(Az.: 2 Ca 94/19) bereits im Sinne des EuGH entschiede­n, dass schon jetzt eine unmittelba­re Verpflicht­ung zur Einrichtun­g eines Zeiterfass­ungssystem­s anzunehmen ist.

(tmn) Eine duale Berufsausb­ildung lässt sich auch in Teilzeit absolviere­n. Das erklärt die Bundesagen­tur für Arbeit auf ihrem Portal „Planet-Beruf“. Die tägliche oder wöchentlic­he Arbeitszei­t kann dann um maximal 50 Prozent reduziert werden, sofern der Arbeitgebe­r zustimmt. Abhängig davon, auf wie viele Arbeitsstu­nden man sich einigt, verlängert sich die Gesamtdaue­r der Ausbildung bis zum erfolgreic­hen Abschluss. Es gibt aber eine Maximalgre­nze: Eine Ausbildung in Teilzeit darf höchstens eineinhalb­mal so viel Zeit in Anspruch nehmen wie die in der Ausbildung­sordnung festgelegt­e Dauer für die Vollzeitau­sbildung. Wer eine dreijährig­e Ausbildung in Teilzeit absolviert, macht also nach spätestens 4,5 Jahren seinen Abschluss. Die Vergütung kann der Betrieb anteilig kürzen.

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FOTO: FLORIAN KÜTTLER/WESTEND61/DPA-TMN Nicht unbedingt Führungsau­fgabe: Werden neue Mitarbeite­r an Bord geholt, können sich auch Teammitgli­eder oder Personalre­ferenten an der Einarbeitu­ng beteiligen.

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