Mehr Soldaten für Corona-Einsatz
Die Gesundheitsämter stehen vor einer schwierigen Aufgabe, wenn sie Infektionswege weiter zurückverfolgen sollen. Die Bundeswehr soll helfen – doch die Zeit drängt.
DÜSSELDORF Immer mehr Kommunen überschreiten die Warnschwelle von 50 Corona-Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche. In drei nordrhein-westfälischen Kommunen lagen die Infektionsquoten laut Robert-Koch-Institut am Wochenende sogar um das Doppelte über dem Grenzwert, der die schärfsten Einschränkungen nach sich zieht: Herne (111,2), Solingen (109,9) und Wuppertal (103,1).
Mit der Zahl der Infizierten wächst auch die Zahl der Menschen, die von den Gesundheitsämtern informiert und befragt werden müssen. Bisher versuchen die Behörden so, die Infektionswege nachzuverfolgen und Infektionsketten frühzeitig zu unterbrechen. Um das auch weiter leisten zu können, müssen die Ämter in dieser Woche ihr Personal massiv aufstocken. Dabei sollen sie Unterstützung bekommen, etwa durch Soldaten der Bundeswehr. Das hatte Bundeskanzleramtschef Helge Braun angekündigt und den Bedarf
an Helfern auf eine fünfstellige Zahl beziffert.
Dass diese Helfer nun auch zügig zur Verfügung stehen müssen, fordert der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy. „Je schneller die Kontaktnachverfolgung durch zusätzliches Personal verbessert wird, desto wirksamer trägt das zur Eindämmung der Pandemie bei“, sagt er. Dedy teilt die Einschätzung des Kanzleramtschefs,
wonach zusätzlicher Personalbedarf in fünfstelliger Höhe zu erwarten sei. Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte am Wochenende gefordert, dass die Bundeswehr stärker eingebunden und Mitarbeiter aus den Landesministerien abgeordnet werden müssten.
Viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben bis zum Wochenende noch versucht, mit eigenen Kräften auszukommen. In Düsseldorf etwa sind 60 Menschen bei der Rückverfolgung im Einsatz, in dieser Woche soll auf 150 aufgestockt werden – durch Mitarbeiter aus anderen städtischen Bereichen und Studierende. Auch in Essen geht man bisher diesen Weg, hat allerdings schon Kontakt mit der Bundeswehr aufgenommen. In Köln dagegen sind bereits 30 Soldaten im Einsatz. Jeder Infizierte komme im Schnitt mit rund 13 weiteren Menschen in Kontakt, rechnet der Leiter des dortigen Gesundheitsamts vor. „Das heißt bei 200 Fällen an einem Tag müssen wir über 2500 Menschen kontaktieren“, sagt Johannes
Nießen: „Das ist eine Mammutaufgabe.“In dieser Woche sollen weitere 24 Bundeswehrsoldaten dabei unterstützen. Auch in kleineren Städten wie Remscheid helfen bereits Soldaten aus.
1050 Amtshilfeanträge sind bisher bei der Bundeswehr eingegangen, 123 Soldaten sind derzeit in NRW im Einsatz. Einer von ihnen ist Peter Unkelbach (36). Der Oberstleutnant sagt, dass viele seiner Gesprächspartner überraschend kooperativ seien, die Nachforschungen aber teils sehr komplex. Auch ganze Schulklassen standen schon auf seiner Telefonliste.
Unterdessen hat Slowenien am Wochenende vor der „Mammutaufgabe“kapituliert und die Nachverfolgung aufgegeben. Die Bundesregierung will dagegen an diesem Instrument festhalten. „Die vollständige Kontaktnachverfolgung ist der zentrale Baustein, um die Infektionskontrolle zu behalten“, sagt Kanzleramtschef Braun. Verliere der Staat diese Kontrolle, blieben ihm nur „Beschränkungen zunehmender Intensität“.