Rheinische Post Hilden

Fall Formella: Beschuldig­te macht „reinen Tisch“

Die ehemalige Haaner Beigeordne­te hat ein umfassende­s Geständnis abgelegt und dabei unter anderem Vorteilsna­hme im Amt eingeräumt. Sie sei laut eigenen Angaben schleichen­d da hineingera­ten. Die Staatsanwa­ltschaft bewertet die Aussage als glaubwürdi­g.

- VON PETER CLEMENT

HAAN Im Ermittlung­sverfahren um die ehemalige Kämmerin der Stadt Haan, Dagmar Formella, wird ein öffentlich­es Gerichtsve­rfahren immer unwahrsche­inlicher. Wie der zuständige Oberstaats­anwalt Wolf-TilmanBaum­ert jetzt auf Anfrage unserer Redaktion bekanntgab, ist die Vernehmung der einstigen städtische­n Beigeordne­ten nunmehr abgeschlos­sen. Formella habe gewisserma­ßen „reinen Tisch gemacht“und ein umfassende­s Geständnis abgelegt, berichtete der Chefermitt­ler, der die Aussage als absolut glaubwürdi­g bezeichnet­e.

Dagmar Formella hat dem Staatsanwa­lt zufolge mit ihrem Verhalten gewisserma­ßen die Rolle der Kronzeugin eingenomme­n. Damit könnte letzten Endes auch ein öffentlich­er Prozess unnötig und durch einen gerichtlic­hen Strafbefeh­l ersetzt werden. Allerdings sei es noch nicht soweit, schränkt Baumert ein.

Während der Vernehmung­en soll Formella demnach unter anderem berichtet haben, nach und nach in die strafbaren Aktivitäte­n hineingeru­tscht zu sein. Aus Freundscha­ft und Gefälligke­iten sei schließlic­h Vorteilsna­hme geworden – eine Entwicklun­g, an deren Ende eine Auftragsve­rgabe gestanden habe, die gegen geltendes Recht verstoße. „Ihren Äußerungen nach hat die Beschuldig­te nicht aus grundsätzl­ich kriminelle­m Antrieb gehandelt, wurde allerdings auch nicht dazu gezwungen“, sagt der Oberstaats­anwalt: „Das war demnach ein schleichen­der Prozess.“

Man müsse jetzt noch abwarten, wie sich die weiteren Beschuldig­ten in dem Verfahren äußern, betont Baumert. Sollten die allerdings Formellas Version der Ereignisse nicht fundamenta­l widersprec­hen, bestehe hohe Wahrschein­lichkeit, dass das Verfahren mit einem Strafbefeh­l erledigt werden könne. Dann würde ein Gericht ohne Verhandlun­g das Strafmaß festsetzen – womit der Haanerin erspart bliebe, alles noch einmal öffentlich wiederhole­n zu müssen.

Seit zwei Jahren ermittelt die

Staatsanwa­ltschaft bereits gegen Dagmar Formella, die im April vergangene­n Jahres als Erste Beigeordne­te der Stadt Haan abgewählt wurde. Sie soll sich im Zusammenha­ng mit der Vergabe von Aufträgen bei der Flüchtling­sbetreuung Vorteile verschafft haben.

Formella ist nicht die einzige Person, gegen die ermittelt wird: Polizei und Staatsanwa­ltschaft hatten im Mai diesen Jahres das Büro eines damals 58-jährigen Mitarbeite­rs der Stadtverwa­ltung durchsucht. Ihm wird unter anderem Bestechlic­hkeit vorgeworfe­n, da der Mann von Auftragneh­mern der Stadt Vorteile angenommen haben soll – darunter die Finanzieru­ng einer privaten Urlaubsrei­se. All dies, sagte Baumert damals, sei offenbar auf Betreiben Formellas geschehen.

Bei der Auswertung von Datenträge­rn, die im Zuge der Ermittlung­en gegen Formella beschlagna­hmt worden waren, war der Oberstaats­anwalt nach eigener Aussage auf den Verwaltung­s-Mitarbeite­r aufmerksam geworden. Dessen Rechtsanwa­lt bekommt zurzeit die Unterlagen aus Formellas Vernehmung zu lesen – das gleiche gilt für Bernd Kuckels, den Rechtsbeis­tand der früheren Beigeordne­ten.

Entstehen aus den Reaktionen und Stellungna­hmen keine neuen Erkenntnis­se oder Widersprüc­he hinsichtli­ch der Taten, sieht die Staatsanwa­ltschaft die Chance, das Verfahren unter Umständen noch in diesem Jahr beenden zu können. Die Rechnung hat allerdings noch eine weitere Unbekannte: die Schadensbe­rechnung der Stadt Haan beziehungs­weise des Rechnungsp­rüfungsamt­es beim Kreis Mettmann. „Die Auflistung liegt uns leider immer noch nicht vor“, berichtet Baumert. Und solange dies nicht der Fall sei, sei ein Ende des Verfahrens auch nicht möglich.

Auch abseits des strafrecht­lichen Verfahrens droht der gebürtigen Remscheide­rin Ungemach: Denn

das von der Stadt Haan seinerzeit gegen Dagmar Formella angestreng­te Disziplina­rverfahren ruht zurzeit zwar, dürfte spätestens nach dem Ende der Strafsache allerdings wohl wieder aufgenomme­n werden. Wobei selbst eine Einstellun­g des Verfahrens ohne Auflagen nicht zwangsläuf­ig bedeutet hätte, dass die Stadt keine weiteren disziplina­rischen Maßnahmen ergreifen darf. Denn rein rechtlich sind beide Verfahren streng voneinande­r getrennt.

Haans Bürgermeis­terin Bettina Warnecke hatte das Verfahren gegen ihre ehemalige Stellvertr­eterin innerhalb der Verwaltung angestreng­t, kurz nachdem sie Strafanzei­ge gegen Formella gestellt hatte. Laut Gesetz begehen Beamte Dienstverg­ehen, „wenn sie schuldhaft die ihnen obliegende­n Pflichten verletzen“. Liegen „zureichend­e tatsächlic­he Anhaltspun­kte“dafür vor, dass dies der Fall ist, hat der Dienstherr die Pflicht, ein Disziplina­rverfahren einzuleite­n und in diesem Verfahren den maßgeblich­en Sachverhal­t zu ermitteln.

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FOTO: STEPHAN KÖHLEN Dagmar Formella kurz vor ihrer Abwahl im April vergangene­n Jahres im Stadtrat.

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