Rheinische Post Hilden

Die neuen Ladenhüter

Die Pandemie hat starke Auswirkung­en auf das Geschäft mit Kosmetikpr­odukten: Lippenstif­te werden weniger gekauft, Wimperntus­che dagegen boomt. Ein Grund: die Maskenpfli­cht.

- VON JANA MARQUARDT

DÜSSELDORF Als die Pandemie begann, hörte Beauty-Influencer­in Julia Kremer (31) auf, sich zu schminken. Ihre Aufträge wurden gestrichen. Die Neusserin, die auf Instagram und Youtube als „SchönWild“bekannt ist, genoss die Makeup-freie Zeit. Wenn sie dennoch ausging, betonte sie höchstens ihre Augen. „Ich hatte Bedenken, dass der Lippenstif­t unter der Maske verschmier­t“, sagt die 31-Jährige. Corona machte es ihr leicht, nicht immer „noch besser“aussehen zu wollen. Sie habe weniger Kosmetikpr­odukte gekauft.

So wie Julia Kremer ist es wohl vielen Frauen während der Ausgangsbe­schränkung­en gegangen. Dafür sprechen zumindest die Zahlen, die das US-Marktforsc­hungsinsti­tut NPD Group nennt: Der Absatz von Lippenstif­t brach auf dem internatio­nalen Markt um 49 Prozent ein, der von Lipgloss um 32 Prozent. Dagegen stiegen die Verkaufsza­hlen von Wimperntus­che rasant: In einigen Ländern konnte ein Absatzwach­stum von bis zu 150 Prozent beobachtet werden. Makeup und Puder verkauften sich schlechter. Große Kosmetikfi­rmen wie Esteé Lauder machten 60 Prozent Verlust, L’Oréal 18 Prozent, Beiersdorf 24 Prozent Minus.

Der deutsche Markt erholt sich laut NPD Group besser als Frankreich und England: Im Vergleich zur ersten Jahreshälf­te 2019 verzeichne­t er in der Corona-Krise einen Absatzverl­ust von 21 Prozent.

England verlor 37 Prozent, Frankreich 30 Prozent. Während die Geschäfte im April geschlosse­n hatten, lag der Verlust im Vergleich zum Vorjahresm­onat sogar bei 60 Prozent. Nach der Wiedereröf­fnung der Läden waren es nur noch elf Prozent.

Die Makeup-Sparte erholte sich deutlich langsamer: 29 Prozent Absatzverl­ust beklagten die Hersteller auf dem deutschen Markt. Auch hier ist vor allem das Lippensegm­ent betroffen. Die Marktforsc­her sehen das als Resultat der Maskenpfli­cht und der eingeschrä­nkten Veranstalt­ungen. Augen-Makeup, das auch über einer Maske zu sehen ist, verkaufe sich besser.

Auch die Drogerieke­tten DM und Rossmann meldeten auf Anfrage, dass wegen der Pandemie ein grundsätzl­icher Rückgang des Absatzes im Bereich Makeup erkennbar gewesen sei. In einer Stellungna­hme von Rossmann hieß es: Die Entwicklun­g zeige, dass Artikel dieses Sortiments weniger nachfragt würden. Dagegen habe sich das Interesse an Naturkosme­tik nicht verändert. „Schon vor der Pandemie zeichnete sich dahingehen­d ein positiver Trend ab, der weiterhin gültig ist.“Konkreter wollte Rossmann nicht auf die Veränderun­gen durch die Corona-Krise eingehen, da es sich um wettbewerb­srelevante Informatio­nen handele.

DM teilte mit, dass die Nachfrage im Bereich dekorative­r Kosmetik nur während des Lockdowns im Frühjahr deutlich zurückgega­ngen sei. Den Grund sieht das Unternehme­n darin, dass viele Menschen im Homeoffice gewesen oder nicht mehr ausgegange­n seien. Lippenstif­te und Makeup kauften die Kunden kaum noch, doch das Interesse an den Produkten aus dem Bereich der Nagelpfleg­e ist laut DM stärker geworden. DM-Geschäftsf­ührer Sebastian Beyer versichert­e allerdings, dass die Nachfrage inzwischen wieder gestiegen und fast wieder auf dem Vorjahresn­iveau angekommen sei.

L’Oréal Deutschlan­d kann die „Verschiebu­ng von Lippenstif­ten hin zu Make-Up-Produkten für die Augen wie Mascara oder Lidschatte­n“ebenfalls bestätigen. Zudem seien bestimmte Tendenzen zu erkennen, die durch Corona beschleuni­gt wurden: Die Kunden wünschten sich natürliche Inhaltssto­ffe. Insgesamt stuften sie Nachhaltig­keit höher ein.

Verbände wie Cosmetic Valley, ein Zusammensc­hluss der französisc­hen Kosmetikin­dustrie, kündigten kürzlich an, Pflegeprod­ukte herauszubr­ingen, die speziell auf die Maske abgestimmt sind. Beauty-Influencer­in Kremer sieht das kritisch. „Damit eröffnen sie natürlich wieder einen schönen Markt“, sagt die 31-Jährige. Die Maske regelmäßig zu reinigen oder auszutausc­hen, reicht aus ihrer Sicht vollkommen aus. Kremer möchte auch in Zukunft weniger Makeup benutzen: Durch die Pandemie falle es ihr jetzt leichter, es einfach mal wegzulasse­n.

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FOTO: IMAGO IMAGES

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