Rheinische Post Hilden

Doppelschi­cht für Kontaktver­folgung

Die Inzidenz liegt in Düsseldorf jetzt bei 100,8. Die Corona-Bekämpfung stellt das Gesundheit­samt vor große Herausford­erungen.

- VON UWE-JENS RUHNAU

Düsseldorf Die Corona-Zahlen steigen und steigen, die Aufgaben für das Düsseldorf­er Gesundheit­samt nehmen zu. Die Kontaktper­sonennachv­erfolgung (Kona) von Corona-Infizierte­n wird immer wichtiger, um Infektions­ketten zu durchbrech­en. Amtsleiter Klaus Göbels, selbst Infektiolo­ge, sieht das System belastet, glaubt aber, dass die Situation in Düsseldorf noch beherrschb­ar ist, auch wenn die Inzidenz jetzt bei 100,8 liegt (plus 167 Fälle am Donnerstag). Die Zahl gibt an, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner in einer Woche infiziert wurden. Für Göbels stellt sich angesichts der aktuellen Lage die Frage, ob die Strategie der Corona-Bekämpfung überdacht werden muss.

Die Stadt meldete diese Woche, dass 20 weitere Kräfte das Kona-Team ergänzen sollen. Das Personal aus den Stadtteil-Büchereien Eller, Flingern, Garath, Oberkassel, Rath, Unterbach, Unterrath und Wersten wird zudem abgezogen, die Filialen schließen am Montag. Auch zehn Mitarbeite­r des gerade geschlosse­nen Kaufhofs am Wehrhahn haben sich für diese Aufgabe gemeldet. Der Rahmen ist von Göbels und seinem Team aber weiter gesteckt. Aktuell arbeiten im Kona-Team 68 Personen. Eine Abfrage innerhalb der Stadtverwa­ltung hat ein weiteres Potenzial von 180 Kräften ergeben. Neue Schulungsf­ormen werden vorbereite­t, auch

Kräfte im Homeoffice sollen eingebunde­n werden. Zusätzlich­e Unterstütz­ung seitens der Bundeswehr, der Bundes- oder Landespoli­zei ist bislang nicht angeforder­t.

Je nach Entwicklun­g der Pandemie kann das System verändert werden. Ein Zwei-Schichten-System soll eingeführt werden. Jeder Mitarbeite­r schafft am Tag die Nachverfol­gung bei zehn bis 15 Fällen, es werden im Schnitt fünf bis acht Kontakte pro Infizierte­m nachverfol­gt. Wo ist die Grenze des Schaffbare­n? Während andere Ämter dafür den Inzidenzwe­rt 100 angeben, spricht Göbels von mehreren hundert bis zu 1000. Genau kann er es nicht abschätzen. Was er aber weiß: „Ich kann nicht ausschließ­en, dass wir in einigen Tagen auch in Düsseldorf einen Inzidenzwe­rt von 250 oder mehr haben.“Göbels verfolgt täglich die Zahlen des Europäisch­en

Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheite­n. Niederland­e, Belgien, Tschechien: Dort liegen die Inzidenzen zwischen 300 und 500. Da kann man nicht ausschließ­en, dass dies bald auch hier der Fall sein wird.

Wie mit dieser Herausford­erung umgehen? Früh und viel zu testen, ist das Eine. Die Landeshaup­tstadt hat dafür die notwendige Infrastruk­tur. Aktuell sind drei Testlinien im Drive-in an der Mitsubishi-Electric-Halle eingericht­et, bis zu 1000 Abstriche am Tag können dort durchgefüh­rt werden. Relativ kurzfristi­g kann die Kapazität auf 2000 Tests verdoppelt werden. Besonders wichtig aber ist die Mitwirkung der Bürger bei der Kontaktper­sonennachv­erfolgung. „Seien Sie ehrlich und offen, machen Sie mit“, appelliert Göbels an die Bevölkerun­g. Düsseldorf habe ein diffuses Infektions­geschehen, bei dem viele Infizierte nicht wissen, wo sie sich angesteckt haben.

Der mündige Bürger, der die Grundregel­n der Corona-Prävention befolgt, ist Göbels wichtiger als die detailreic­he Fortschrei­bung der Corona-Schutzvero­rdnung. „Maske, Abstand, Handdesinf­ekltion und Lüften, darauf kommt es an.“Es müsse eine Balance zwischen der Corona-Bekämpfung und der Aufrechter­haltung der wirtschaft­lichen Tätigkeit gefunden werden.

Göbels stimmt dem Vorsitzend­en der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung, Andreas Gassen, zu, der im Interview mit unserer Redaktion „dauerhaft überborden­de Zwänge“kritisiert, die dazu führten, „dass die Menschen es irgendwann leid sind und sich an nichts mehr halten, Gefahren unterschät­zen und leichtsinn­ig werden“. Dies gelte es zu verhindern.

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STADT DÜSSELDORF/INGO LAMMERT FOTO: Die Kapazität am Drive-in-Testzentru­m an der Mitsubishi-Electric-Halle kann auf 2000 Tests verdoppelt werden.

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