Himmlische Kräfte
Zu Recht und zu unseren Gunsten hält gerade wieder Vieles von dem verschärft Einzug in unser alltägliches Verhalten, was wir im Frühjahr dieses Jahres eingeübt hatten: Abstand halten – Mund-Nasen-Schutz tragen –- kein Händegeben zur Begrüßung – Umarmung schon gar nicht etc.
Aber wir sind ausgehungert. Wir sind ausgehungert nach Berührung. Manche so sehr, dass sie zusammenzucken, wenn man sie leicht rückwärtig an der Schulter oder am Rücken berührt beim Abschied einer Begegnung, die auf Abstand stattgefunden hat.
Menschen können ohne Berührung nicht leben. Also müssen wir Ausschau halten nach anderen Möglichkeiten, uns berühren zu lassen. Müssen uns besinnen auf Kräfte, die zu uns durchdringen bis in unser Inneres, ohne dass wir dabei Menschen zu nahekommen.
Sie wissen doch, wie tief Sie ein bestimmtes Wort in einer bestimmten Situation innerlich anrühren kann und manchmal unverzüglich zu Tränen rührt. Und Sie wissen auch, wie eine bestimmte Melodie Sie widerstandslos mitten ins Herz treffen kann, ohne dass Sie etwas dagegen unternehmen können.
Sprache und Musik können so etwas – sie sind starke und unabhängige Kräfte, die uns – alle Hindernisse ignorierend – auf ihre jeweils eigene Weise erreichen.
Und wer hat’s erfunden?
Ich bin davon überzeugt, dass Sprache und Musik Himmelkräfte sind. Denn mit seiner Sprache hat Gott die Welt erschaffen: „Es werde Licht! Und es ward Licht“.
Und zum Beten, diesem innigen Kontakt mit Gott, wird uns schon in den Jahrtausende alten Psalmen das Singen der Seele empfohlen: „Du meine Seele, singe, wohlauf und singe schön“(Gesangbuchlied nach Psalm 146).
Wie gut, dass Gott keinerlei Abstand halten muss zu uns! Wie gut, dass er uns berühren darf so oft und so innig wie er nur will! Und wie gut, dass er uns dazu seine beiden himmlischen Kräfte der Sprache und der Musik zum täglichen Gebrauch überlassen hat.