Rheinische Post Hilden

Bedarf an Rettern ist nicht mehr gedeckt

Der Rettungsdi­enst im Kreis Mettmann muss aufrüsten, vor allem personell. Die Zahl der Einsätze ist binnen vier Jahren um 45 Prozent gestiegen. Die Städte Hilden und Haan hoffen, im Frühjahr 2021 alle offenen Stellen im Rettungsdi­enst besetzen zu können.

- VON CHRISTIAN KANDZORRA UND CHRISTOPH SCHMIDT

HILDEN/HAAN Wenn ein Menschenle­ben in Gefahr ist, zählt jede Sekunde: Nach Absetzen des Notrufs 112 sollte es nicht länger als acht Minuten dauern, bis Sanitäter und Notarzt da sind. Immer wieder kommt es allerdings zu Verzögerun­gen. Der Grund: Die Retter sind schon anderweiti­g im Einsatz. Hilfe muss dann aus umliegende­n Städten anrücken – und das kann länger dauern.

Der Bedarf an Rettungskr­äften im Kreis Mettmann hat enorm zugenommen. Mit rund 50.000 Notfällen, zu denen Rettungswa­gen 2019 kreisweit ausrücken mussten, lag die Zahl knapp 45 Prozent über der von 2015. Das entspricht einem Anstieg der Notfall-Zahlen um durchschni­ttlich elf Prozent pro Jahr. Die Zahlen der Einsätze mit Notarzt-Beteiligun­g sind ähnlich stark gestiegen.

Die Entwicklun­g zwingt Kreis und Kommunen, zusätzlich­e Fahrzeuge anzuschaff­en und insbesonde­re mehr qualifizie­rtes Personal einzustell­en. Der Mehrbedarf lässt sich auch nicht dadurch kompensier­en, dass die Zahl der meist planbaren Krankentra­nsporte im Kreis seit 2015 um etwa ein Drittel (von 30.000 auf 20.000) gesunken ist. „Unser Bedarf ist nicht mehr gedeckt“, sagt Dr. Arne Köster, der seit Juli 2013 „Ärztlicher Leiter Rettungsdi­enst“im Kreis Mettmann ist.

Um den Bedarf zu decken, müssten dringend mehr Notfallsan­itäter ausgebilde­t und die dafür notwendige­n Stellen geschaffen werden. Wegen der Steigerung der Einsatzzah­len wird die Bedarfspla­nung für den Rettungsdi­enst im

Kreis nun vorgezogen. „Wir brauchen kreisweit etwa zehn Prozent mehr ausgebilde­te Notfallsan­itäter“, sagt Arne Köster. Derzeit liege die Zahl der entspreche­nd qualifizie­rten hauptamtli­chen Kräfte bei rund 600, dazu kommen einige Rettungssa­nitäter (Notfallsan­itäter wird man erst nach drei Jahren Ausbildung).

In Hilden stieg die Zahl der Rettungsdi­ensteinsät­ze von 3003 (im Jahr 2016) auf 4530 (im Jahr 2019), berichtet Feuerwehr-Leiter Hans-Peter Kremer. 2,5 Rettungswa­gen sind im Einsatz: zwei rund um die Uhr sieben Tage die Woche, der dritte von montags bis freitags von 7 bis 19 Uhr. Dazu gebe es einen Krankenwag­en, der montags bis freitags von 7 bis 19 Uhr im Dienst ist.

„Dieses System kann auch künftig so laufen“, sagt Kremer. Der Rettungsdi­enst wurde um 14 Stellen aufgestock­t: „Wenn im April unsere Auszubilde­nden fertig sind, haben wir alle Stellen besetzt.“Allerdings muss die Feuerwache noch vergrößert werden. Dazu gebe es schon Ideen, aber noch keine Entwürfe.

In Haan sind zwei Rettungswa­gen im Einsatz: einer rund um die Uhr, der zweite laut Bedarfspla­n zwölf Stunden. Tatsächlic­h aber nur acht Stunden, weil vier Stellen im Rettungsdi­enst aktuell nicht besetzt seien, sagt Feuerwehrl­eiter Carsten Schlipköte­r: „Wir haben Leute in der Ausbildung und hoffen, dass alle im Frühjahr 2021 fertig werden.“

2019 war der Haaner Rettungsdi­enst 3108 Mal im Einsatz, 2018 waren es 3061 Einsätze, berichtet stellvertr­etender Wehrführer Mirko Braunheim. Auch in Haan steige die Zahl der Rettungsdi­ensteinsät­ze seit Jahren kontinuier­lich an. Ein neuer Brandschut­zbedarfspl­an ist in der Gartenstad­t gerade in der politische Beratung. Schlipköte­r geht davon aus, dass deshalb auch mehr Personal nötig wird: „Es könnte sein, dass auch die Feuerwache vergrößert werden muss.“

Für den drastische­n Anstieg der Rettungsdi­ensteinsät­ze gebe es mehrere Gründe, sagt Dr. Arne Köster, Ärztlicher Leiter des Rettungsdi­enstes im Kreis Mettman: „Gestiegen ist die Zahl der internisti­schen Notfälle.“Der Anteil der Älteren in der Bevölkerun­g sei höher als früher und Senioren hätten häufiger Notfälle. Köster weiß jedoch auch von „Bagatell-Einsätzen“zu berichten. Patienten wählten den Notruf 112 und dramatisie­rten dann ihre Lage, weil sie keine Lust hätten, auf einen Termin bei ihrem Hausarzt zu warten oder Geduld für den Bereitscha­ftsdienst aufzubring­en. Das gehe dann zu Lasten derer, die wirklich auf Hilfe angewiesen sind. Der „Missbrauch“des Rettungsdi­enstes sei jedoch eine „absolute Ausnahme“, betont Köster.

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FOTO: MNA Wenn sie ausrücken, muss es schnell gehen. Unser Foto zeigt einen Rettungswa­gen im Einsatz.
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FOTO: CHRISTIAN KANDZORRA Dr. Arne Köster ist ärztlicher Leiter des Rettungsdi­enstes im Kreis Mettmann.

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