Rheinische Post Hilden

Finanzamt kassiert beim Ehrenamt mit

Egal, ob die Bratwurst beim Pfarrfest verkauft wird oder fairer Kaffee im Eine-Welt-Laden über die Ladentheke geht – künftig nimmt der Staat über die Umsatzsteu­er Geld ein. Experte Alexander von der Groeben erklärt, woran das liegt.

- VON ANDREA BINDMANN

HILDEN/HAAN Oftmals ist es schwer genug, Helfer zu finden, die Flohmärkte organisier­en oder bei Pfarrund Vereinsfes­ten mit anpacken. Um ein paar Euro in die Kasse zu spülen oder Einnahmen für einen guten Zweck zu erzielen, besiegt so mancher Helfer seinen inneren Schweinehu­nd und opfert seine Zeit für den Kaffee- oder Würstchenv­erkauf. Diesen guten Geistern droht jetzt ein Dämpfer. Durch eine Änderung im Steuerrech­t will das Finanzamt nämlich künftig mitkassier­en.

Steuerbera­ter Alexander von der Groeben erklärt, worum es geht: „Es gibt eine Gesetzesän­derung aus dem Jahr 2015, nach der Kirchengem­einden solche Einnahmen, die nicht im engeren Sinne aus der hoheitlich­en Tätigkeit entstehen, grundsätzl­ich der Umsatzsteu­er unterwerfe­n müssen.“

Wie bei Betrieben auch dürfen Gemeinden die Vorsteuer (also Umsatzsteu­er aus Rechnungen, die die Gemeinden bezahlen) dagegen rechnen. Nur der Saldo ist an das

Kita-Gebühren für kirchliche Einrichtun­gen werden nicht steigen.

Finanzamt abzuführen.

„Bestimmte Tätigkeite­n wie Jugendfrei­zeiten oder Chorverans­taltungen können aber unter bestimmten Bedingunge­n weiterhin steuerfrei bleiben. Aber Einnahmen aus Warenverkä­ufen (Eine-Welt-Laden) oder aus Getränkeve­rkäufen fallen unter das Umsatzsteu­er-Gesetz. Das bedeutet dann aber noch nicht, dass tatsächlic­h Umsatzsteu­er anfällt, weil die Kleinunter­nehmerrege­lung angewendet werden kann“, so von der Groeben.

„Wir bereiten uns als Kirche natürlich auf dieses Datum vor“, so Thomas Gietz, Verwaltung­sleiter im Kirchenkre­is Düsseldorf-Mettmann. Doch der gesetzlich­e Hintergrun­d ist nur die eine Seite der Medaille. „Das Gesetz sorgt in den Gemeinden durchaus für Ärger“, weiß Gietz. „Vielen Ehrenamtle­rn, die für einen guten Zweck tätig sind, fehlt dafür schlichtwe­g das Verständni­s. Sie verfolgen mit dem Verkauf von Waren keinerlei Gewinnabsi­cht.“

Vielmehr werden die Erlöse aus Eintrittsg­eldern, Pfarrfeste­n oder Eine-Welt-Läden meist direkt in soziale Projekte investiert.

Verwaltung­stechnisch ist die Umsatzsteu­erpflicht für Gemeinden nach Ansicht von Thomas Gietz kein allzu großer Arbeitsauf­wand und vermutlich nicht mit höheren Verwaltung­skosten verbunden: „Natürlich ist es Mehrarbeit. Aber jede Pommesbude, jedes kleine Unternehme­n muss diesen Aufwand auch betreiben.“Insofern unterschei­det eine Kirchengem­einde künftig nur noch wenig von einem Unternehme­n.

Der unternehme­rische Aspekt von Gemeinden bleibt vielen Mitglieder­n ohnehin verborgen. Das Verwaltung­samt des Kirchenkre­ises ist Ansprechpa­rtner für rechtliche Angelegenh­eiten in den Bereichen Bau-, Finanz- und Personalve­rwaltung. „Neben der Verwaltung von

Immobilien – zum Beispiel Gemeindeze­ntren – Vermietung­en und Verpachtun­gen sind Kitas eines unserer größten Geschäftsf­elder“, so Gietz.

„Im gesamten Kreis Mettmann beschäftig­en wir rund 570 Mitarbeite­r, ein großer Teil davon sind Erzieher.“Eltern müssen jetzt aber nicht fürchten, dass die Kitagebühr­en für kirchliche Einrichtun­gen steigen. Der Betrieb von Kindergärt­en, aber auch Beerdigung­sdienste unterliege­n nicht der Umsatzsteu­erereglung. Auch Jugendfrei­zeiten sind ausgenomme­n, aber: „Für eine Seniorenfr­eizeit ist ein Aufschlag von 19 Prozent fällig“, so Gietz. Ausnahmen gelten, wenn Kirchengem­einden „im Rahmen der öffentlich­en Gewalt“handeln, also einen Friedhof betreiben und dafür Nutzungsge­bühren per Satzung festlegen – und wenn der kirchliche Verkündigu­ngsauftrag im Vordergrun­d steht.

Bei jedem Verkauf aber – sei es die

Bratwurst auf dem Pfarrfest oder Kaffee im Eine-Welt-Laden – sind 19 Prozent Umsatzsteu­er fällig. Ob die Preise vor Ort steigen werden, kann Thomas Gietz nicht beantworte­n: „Das obliegt jeder einzelnen Gemeinde. Es wäre aber durchaus möglich.“

Aushebeln lässt sich das Gesetz nicht. Aber Steuerfach­mann Alexander von der Groeben kann zumindest ein bisschen Mut machen: „Es gibt Übergangsv­orschrifte­n. Ursprüngli­ch endete diese am 31. Dezember 2020. Durch das Corona-Steuerhilf­egesetz vom 19. Juni 2020 ist diese Frist bis zum 31. Dezember 2022 verlängert worden. Wer sich bereits auf die bisherige Übergangsr­egelung berufen hat, für den gilt dann automatisc­h, dass die neuen Regelungen erst ab dem 1. Januar 2023 anzuwenden sind.“Gemeinden, die gegenüber dem Finanzamt erklären, dass sie von der Übergangsr­egelung keinen Gebrauch machen möchten, müssen das neue Recht ab dem 1. Januar 2021 anwenden.

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FOTO: KÖHLEN Barbara Olbertz hat den Weltladen Haan mitbegründ­et. Ab Januar wird er rechtlich wie ein Unternehme­n behandelt und muss Umsatzsteu­er abführen.

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