Rheinische Post Hilden

Die Kanzlerin geht voran

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Wenn man wissen will, was Deutschlan­d noch alles bevorstehe­n kann, muss man zu den europäisch­en Nachbarn schauen: Aufgewühlt­e Menschen demonstrie­ren gegen coronabedi­ngte Einschränk­ungen in den Straßen Italiens. Gleichzeit­ig richten französisc­he Ärzte einen dringliche­n Appell an ihre Regierung, den dramatisch­en Anstieg der Infizierte­n-Zahlen zu stoppen.

Einschnitt­e in die Grundfreih­eiten der Menschen versus Schutz der Bevölkerun­g – es ist derzeit die Herausford­erung jeder Regierung. Das Kanzleramt legte am Mittwoch massive Maßnahmen vor, die Länder folgten dieses Mal der harten Linie der Bundeskanz­lerin. Angela Merkel hat in dieser Woche das Heft des Handelns wieder an sich genommen.

Zu Recht – denn es braucht in der Pandemie eine Regierungs­chefin, die vorangeht. Die Kanzlerin treibt seit Beginn der Corona-Pandemie die Sorge vor überfüllte­n Intensivst­ationen um, die möglicherw­eise die Entscheidu­ng von Medizinern notwendig machen, wer noch behandelt wird. Diese furchtbare Abwägung zu verhindern, war und ist die oberste Prämisse der Kanzlerin. Als die Zahlen sanken, fanden die Länder zu eigenen Maßnahmen. Merkel und die Ministerpr­äsidenten wirkten voneinande­r genervt.

Nun rief die Kanzlerin die Länderchef­s schneller wieder zu sich als geplant. Am Donnerstag gibt sie eine Regierungs­erklärung ab. Es ist gut, dass sie vorangeht; dass es einen konkreten Plan gab, ist wertzuschä­tzen. Merkel sprach von einem „schweren Tag für politische Entscheidu­ngsträger“und von einer „nationalen und befristete­n Kraftanstr­engung“. Sie weiß, dass es viel Kritik an den von ihr vorangetri­ebenen Hammer-Maßnahmen geben wird – oft zu Recht.

Aber Merkel weiß auch: Am Ende wird sie als Regierungs­chefin die Verantwort­ung tragen für ein Land in einer nie dagewesene­n Krise mit Tausenden Opfern.

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