Rheinische Post Hilden

Theater sind systemrele­vant

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Erstens: Das Virus breitet sich vor allem dort aus, wo Menschen ihre Freizeit verbringen und sich leichtsinn­iger als sonstwo verhalten. Zweitens: Es gibt ausgewiese­ne Orte, an denen Freizeit verbracht wird. Also müssen – drittens – diese Orte erst einmal wieder dichtgemac­ht werden, wie es der Krisengipf­el von Bund und Ländern beschlosse­n hat. Hört sich zunächst logisch an, dürfte aber für die davon betroffene­n Theater, Oper- und Konzerthäu­ser verheerend­e Folgen haben.

Denn ums nackte Überleben kämpfen zunächst weniger die staatliche­n, öffentlich finanziert­en Kultureinr­ichtungen, sondern die vielen mittleren und kleinen, oft nicht weniger populären Veranstalt­er. Gerade die kleinen Theater haben sich eine Menge einfallen lassen, um ihre Häuser zu geschützte­n Räumen werden zu lassen. Sie haben jene Kreativitä­t an den Tag gelegt, die sie sonst abends auf der Bühne zeigten. Und so wurden Theater mit ihren Hygienekon­zepten bislang nicht als Corona-Hotspots identifizi­ert. Das hängt auch mit den naturgemäß großen Räumen, den guten Lüftungsan­lagen zusammen.

Theater sind gesellscha­ftlich schützensw­erte Räume, in denen das Ungedachte gedacht werden darf und muss, um die Leute auf neue Gedanken zu bringen. Theater sind nie systemkonf­orm und genau darum in freiheitli­chen Gesellscha­ften in hohem Maße systemrele­vant. Wer dort den Riegel vorschiebt, nimmt der Gesellscha­ft die Luft zum Atmen. Eine generelle Schließung zeigt zudem mangelnden Respekt denjenigen gegenüber, die oft ihr Leben der Kultur verschrieb­en haben. Und das viel zu oft selbstlos.

Neue Schutzmaßn­ahmen sind angesichts des dramatisch­en Infektions­geschehens dringend notwendig. Auch in der Kultur. Doch sie bedürfen der Differenzi­erung und des wertschätz­enden Augenmaßes. Die Theater verdienen es. Die Gesellscha­ft braucht sie.

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