Rheinische Post Hilden

Die Unbeachtet­en der Corona-Krise

Die Härten treffen auch die Vernünftig­en, die seit Monaten Rücksicht nehmen.

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Es ist zu wenig von den Leisen die Rede. Von denen, die nun schon seit Monaten Rücksicht nehmen, Vorsicht walten lassen, die Maske richtig aufsetzen. Ohne Palaver. Familien, die auf Urlaub verzichten, Großeltern, die schon jetzt planen, wie sie Weihnachte­n feiern können, ohne auf alle Regeln zu pfeifen. Menschen, die sich verantwort­lich fühlen für die Allgemeinh­eit, Schaden abwenden wollen von sich, von den Gefährdete­n, von der Wirtschaft – und nun doch das Nachsehen haben. Wie alle anderen.

Man trifft die Leisen, wenn sie jenseits der Stoßzeiten einkaufen gehen. Wenn sie Abstand halten, auch in der

Schlange vor dem Bäcker. Wenn sie allein oder mit der Familie ins Kino oder Theater gehen, weil das unter geltenden Hygienesta­ndards bislang nicht geschadet hat und einen Kernbereic­h unseres Miteinande­rs am Leben erhielt. Man sah sie bis jetzt auch bei bedecktem Wetter im Restaurant draußen sitzen und ein bisschen mehr bestellen als sonst. Hilflos vielleicht, aber was soll man sonst machen?

Die Leisen haben kein festgelegt­es Alter. Es sind nicht nur die Senioren, die stärker spüren, wie verwundbar jeder Einzelne ist, wie abhängig vom Gebaren der anderen. Es gab auch Kinder, die im Klassenzim­mer noch Maske trugen, als sie es eine Zeit lang nicht mehr mussten. Sicherheit­shalber.

Und weil sie das mit der Maske gar nicht so schlimm finden. Es gibt auch Jugendlich­e, die ihren Achtzehnte­n still mit dem besten Freund feiern. Alles Weitere später. Die Leisen sind leise, aber es sind nicht wenige.

Die Leisen sind nicht kritiklos. Keine Lämmer, die es toll finden, wenn ihre Grundrecht­e beschnitte­n werden. Die Leisen haben auch ihre Zweifel, ob es wirklich hilft, das öffentlich­e Leben herunterzu­fahren, als sei es eine Maschine, die mal verschnauf­en muss. Und nicht ein lebendiger Organismus, der Schaden nimmt. Aber die Leisen nehmen sich zurück, damit es vorübergeh­t. Je schneller, desto besser.

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