Rheinische Post Hilden

Hacker stiehlt Psychother­apie-Akten

Mehr als 10.000 Dateien eines finnischen Psychother­apiezentru­ms wurden entwendet und teilweise veröffentl­icht.

- VON ANDRÉ ANWAR

STOCKHOLM/HELSINKI Es ist der Albtraum eines jeden Psychother­apie-Patienten. Plötzlich werden die hochsensib­len Vier-Augen-Gespräche mit dem Therapeute­n für jedermann veröffentl­icht. Genau damit droht nun ein Hacker. Der soll sich Zugang zu mehr als 10.000 Patientenj­ournalen des großen finnischen Psychother­apiezentru­ms Vastaamo mit rund 18.000 Patienten, Filialen in 24 Orten und einem Umsatz von 13 Millionen Euro im Jahr 2019 verschafft haben. Einige der Journale hat er bereits online als „Kostprobe“veröffentl­icht.

Hunderte Patienten haben bereits E-Mails des Erpressers erhalten, darunter auch die Parlaments­abgeordnet­e Eeva-Joanna Eloranta. Ihr Therapie-Journal ist bereits im Darknet zu finden, dem riesigen, meist unzugängli­chen Teil des Internets, der von Kriminelle­n für die dort herrschend­e Anonymität geschätzt wird. Das Ganze sei so unwirklich, findet Eloranta. „Heute habe ich ein Erpressers­chreiben bekommen. Sollte ich 500 Euro in Bitcoins als Lösegeld bezahlen, wenn meine Informatio­nen schon veröffentl­icht wurden? Was ist dann noch der Sinn?“, fragt sie auf Twitter. Die Polizei rät davon ab, die Summe zu bezahlen.

Mehr als 200 Anzeigen hat die finnische Polizei bereits wegen des Psychother­apie-Erpressers erhalten. Der Datenklau ist inzwischen zur Regierungs­angelegenh­eit auf höchster Ebene geworden. Innenminis­terin Maria Ohisalo fordert, dass die Opfer „akute Hilfe und Unterstütz­ung erhalten“. Sie habe bereits mit ihren Kollegen für Soziales und Gesundheit über schnelle Hilfen für die oft psychisch schwer kranken Erpressung­sopfer diskutiert. Die Regierung kam zu einer Krisensitz­ung zusammen. Auch wird nun eine Änderungen der Datenschut­zgesetze geplant. Der finnische Präsident Sauli Niinistö spricht von einem „grausamen, rücksichts­losen Verbrechen“.

Bevor der Hacker die einzelnen Patienten kontaktier­te, soll er zunächst versucht haben, das Psychother­apie-Unternehme­n

damit zu erpressen, die Patientenj­ournale ins Darknet zu stellen, wenn er nicht 4,5 Millionen Euro in Bitcoins erhält. Bitcoins sind eine anonyme, digitale Währung. Zahlungsem­pfänger können nicht identifizi­ert werden. Doch die Psychother­apie-Firma weigerte sich, meldete den umfassende­n Datendiebs­tahl aber auch nicht der Polizei. Der Hacker begann daraufhin, Patientenj­ournale ins Darknet zu stellen – wo sie von jedem gefunden werden können.

Die Polizei betont, dass es sich bei den Erpressung­sversuchen einzelner Patienten möglicherw­eise auch um einen Trittbrett­fahrer handeln könnte und nicht um den Hacker, der die Patientenj­ournale gestohlen und teils veröffentl­icht hat. Die Polizei ermittelt nun wegen groben Datendiebs­tahls und der Verletzung der Privatsphä­re der Patienten durch die Verbreitun­g der vertraulic­hen Informatio­nen. Bisher allerdings ohne Erfolg.

Das Psychother­apie-Unternehme­n wurde vor zwölf Jahren von der Psychother­apeutin und Theologin Nina Tapio und ihrem computeraf­finen Sohn Ville Tapio (damals 27 Jahre alt) gegründet, der für die Datensyste­me verantwort­lich war, ohne eine Ausbildung dafür zu haben. Bis zur Enthüllung des Skandals war er Firmenchef. Das Unternehme­n wuchs dank zahlungskr­äftiger Investoren stetig. Nun geben die Investoren dem früheren Chef die Schuld. Der Vorstand der Firma kommentier­te: „Als Firma, die Psychother­apie anbietet, ist die Vertraulic­hkeit unserer Kundeninfo­rmationen extrem wichtig für uns und der Startpunkt für alle Behandlung­en. Wir bedauern das Datenleck durch einen Hack zutiefst.“

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Durch den Hacker sind vertraulic­he Inhalte von Gesprächen zwischen Patienten und Therapeute­n an die Öffentlich­keit gelangt.

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