Ein bisschen Frieden im Tengelmann-Clan
Die zerstrittenen Familienstämme der Haubs haben sich auf eine Lösung im Beirats-Streit verständigt. Damit ist die Auseinandersetzung um die Erbschaftsteuer aber noch nicht beendet.
MÜLHEIM Schon vor einem Monat sollte die Gesellschafterversammlung beim Familienkonzern Tengelmann stattfinden. Damals scheiterte die Sitzung daran, dass die Tagesordnung kurzfristig um einen Punkt ergänzt werden sollte und daher aus Sicht des geschäftsführenden Tengelmann-Gesellschafters Christian Haub eine ordnungsgemäße Vorbereitung nicht mehr gewährleistet war. Am Mittwoch gab es den zweiten Anlauf – und überraschenderweise konnten sich die Parteien dem Vernehmen nach diesmal auf einen Beirat verständigen. Ein kleiner Burgfrieden in der Geschichte um den zuletzt immer stärker eskalierenden Streit innerhalb des Haub-Clans, dessen Zerrissenheit nach dem Verschwinden des damaligen Konzernlenkers Karl-Erivan Haub in den Schweizer Alpen vor zweieinhalb Jahren das Bild der Familie prägt. Auf der einen Seite die Brüder Christian und Georg, auf der anderen Seite Katrin Haub, die Ehefrau des verschollenen Managers, und Kinder. Ein Familiendrama, bestens geeignet für eine Verfilmung, heißt es in Handelskreisen. Immerhin sieht es jetzt wenigstens nach einer Einigung im Beiratsstreit aus. „Wir haben uns auf den von uns als Beiratsvorsitzenden vorgeschlagenen Thomas Ingelfinger, Vorstand der Beiersdorf AG, geeinigt, dem die Unternehmerin Astrid Hamker als Stellvertreterin
zur Seite steht. Das dritte Beiratsmitglied wird binnen zwei Wochen durch Thomas Ingelfinger ausgewählt“, teilte ein Unternehmenssprecher am Mittwoch mit. Damit sei ein wichtiges Zwischenziel erreicht, nämlich ein neuer Beirat gewählt, „der ab 1. Januar 2021 die Geschicke der Tengelmann-Gruppe steuert, ohne dass wir dafür auf die Unterstützung des Präsidenten des DIHK zurückgreifen müssen.“
Da sich Christian und Georg Haub mit dieser Lösung einverstanden erklärt haben und Ingelfingers Kandidat(in) damit auf eine Zwei-Drittel-Mehrheit käme, hängt alles am Beiersdorf-Mann. Der muss sich zwischen der Deutsche-Börse-Aufsichtsrätin Barbara Lambert und Karl-Thomas Epping, Vorstand der Westfälische Vermögen Management AG, entscheiden oder einen eigenen Kandidaten benennen. Zuvor war Christian Haubs Plan, Franz Markus Haniel in den Beirat aufzunehmen, am Widerstand der Gegenseite gescheitert, die sich vor Gericht durchsetzte. Ohne eine Einigung der Familienstämme hätte Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrieund Handelskammertages (DIHK), für die Beiratsposten Mitglieder benennen müssen, bei denen sich beide Seiten nicht hätten verständigen können. Das steht so in der Tengelmann-Satzung.
Eine absurde Situation. Dabei ist der Streit um den Beirat nur ein Nebenkriegsschauplatz. Der Knackpunkt ist die Auseinandersetzung um das mögliche Erbe von Karl-Erivan Haub, den seine Brüder Christian und Georg für tot erklären lassen wollen. Damit würde das Gericht den Erbfall auslösen. Gegen eine solche Entscheidung wehren sich
Karl-Erivan Haubs Frau und Kinder. Die beiden Nachkommen des verschollenen Managers müssten im Erbfall mehrere Hundert Millionen Euro Erbschaftsteuer zahlen. Wer wie viel von dieser Belastung tragen soll, ob und wie sich das Unternehmen beteiligen könnte, ob Karl-Erivan Haubs Familienstamm aus dem Konzern ausscheidet und wann das der Fall sein könnte, ist unklar.
Auch in der Gesellschafterversammlung ist offenbar keine Einigung erzielt worden. Anträge der Seite von Karl-Erivan Haub, die Erbschaftsteuer zum
Teil durch eine Auflösung von Rücklagen oder eine Verpfändung von Anteilen zu finanzieren, seien abgelehnt worden, heißt es. Allerdings hat Katrin Haub auch klargestellt, dass „unsere Familie nicht aus dem Unternehmen ausscheiden will und wird und wir weiter alle Optionen zu einer Finanzierung der Erbschaftssteuer prüfen“. Sie und ihre Kinder wären offenbar nur bereit, die Anteile ihres Mannes an dessen Brüder zu verkaufen, wenn dies der einzige Ausweg aus dem Familienzwist wäre – und wenn die Gegenseite ein für sie akzeptables Angebot vorlegt.
Christian Haub hat seiner Schwägerin und deren Familie nach eigenen Angaben 1,1 Milliarden Euro für die Firmenanteile des Verschollenen angeboten. Da sich beide Seiten bisher anscheinend nicht aufeinander zubewegen, hängt vieles vom Kölner Amtsgericht ab. Das muss darüber entscheiden, ob es dem Antrag von Christian und Georg Haub stattgibt, ihren Bruder für tot erklären zu lassen.