Aus Bochum auf den Bildschirm
Im vergangenen Jahr kamen Tausende Besucher zum Ruhrsummit. In diesem Jahr wäre das undenkbar gewesen. Das Ergebnis ist ein virtueller Gipfel in altbekannter Kulisse.
BOCHUM Die Wände, das Dach, selbst der Wasserturm der Bochumer Jahrhunderthalle lösen sich auf, bis von dem 1902 erbauten Gebäude nicht viel mehr als ein Skelett übrig bleibt – um dann als digitaler Zwilling wieder aufzuerstehen.
Die Macher der Ruhrsummits standen vor einer großen Aufgabe, denn ihre Gründerkonferenz lebt ja eigentlich von dem Industriecharme der Halle, von dem Kontrast aus alter Ruhrgebiet-Geschichte und digitaler Zukunft. Doch die Corona-Pandemie ließ schon im Frühjahr erkennen, dass an eine Veranstaltung mit Publikum in diesem Jahr kaum zu denken ist, immerhin hatten sich im vergangenen Jahr mehr als 5000 Menschen für die zweitägige Konferenz angemeldet.
Doch gänzlich absagen wollte das Team vom Ruhrhub, das in diesem Jahr erstmals die komplette Organisation übernommen hat, die Veranstaltung auch nicht. Stattdessen wurde ein digitaler Zwilling der Jahrhunderthalle entwickelt – in dem in den vergangenen zwei Tagen Auftritte, Diskussionen und Interviews virtuell vom heimischen Bildschirm aus zu erleben waren. Die Rheinische Post ist Medienpartner der Veranstaltung.
„Uns geht es beim Ruhrsummit darum, Start-ups und Unternehmen zusammenzubringen, und ich bin sehr gespannt, ob wir dieses durch die Plattform und viele kleine Elemente auch wirklich hinbekommen“, hatte Oliver Weimann, Geschäftsführer des Ruhrhubs, im Vorfeld gesagt. Denn in Corona-Zeiten ist die Durchführung von Veranstaltungen für viele Organisatoren zunächst mal ein großes Experiment.
Einige Veranstalter, wie das Hamburger Unternehmen OMR, entschieden sich gegen eine virtuelle Alternative ihrer ansonsten physischen Konferenz. Andere setzten auf klassische Videokonferenzen oder bauten gar wie das Kölner Start-up Rimasys eine komplett virtuelle Inselwelt auf, in der sich Besucher der Medizin-Konferenz als Avatar bewegen können.
Das Team vom Ruhrsummit entschied sich für einen eigenen Ansatz. Manche Auftritte wurden live aus der Jahrhunderthalle übertragen – so wie das Gespräch mit dem Gründer des Bochumer Startups 9 Elements. Sebastian Deutsch erzählte davon, wie sein Unternehmen
in der Corona-Krise eine digitale Lösung zur Kontaktnachverfolgung in der Gastronomie entwickelt hat. Restaurant-Besucher müssen dabei einen QR-Code mit ihrem Smartphone scannen, die Daten werden anschließend sicher gespeichert und können nur vom Gastronomen abgerufen werden. Dieser muss dafür nicht mehr mühselig Zettel mit Adressen ausfüllen lassen und aufbewahren. Nach Gesprächen mit NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) sei diese digitale Möglichkeit der Erfassung sogar in die Landesverordnung aufgenommen worden, so Deutsch.
Andere Auftritte fanden per Videokonferenz statt und wurden lediglich in eine virtuelle Jahrhunderthallen-Bühne eingebettet. So schaltete sich Anne Lemcke, Gründerin des Gewürz-Start-ups Ankerkraut, aus ihren Büroräumen zu. Und wo es früher Probleme mit dem Mikrofon gegeben hätte, kommt es nun zu Problemen bei der Videokonferenz. Live ist live. „Der Bildschirm gehört dir“, sagte der Moderator. Ein Satz, an den man sich auch erst mal gewöhnen muss, während andere Änderungen, wie die Möglichkeit, per Chat Fragen zu stellen, bei vielen Vorträgen zu deutlich mehr Kommunikation geführt haben.
Das Team des Ruhrsummit will daher in Zukunft das Beste aus beiden Welten – digital und analog – machen. „Auch wenn wir 2021 die Pandemie im Griff haben sollten und das Event wieder physisch veranstalten dürfen, werden wir die digitale Komponente beibehalten“, sagt Svenja Tietje, die gemeinsam mit Oliver Weimann den Ruhrhub leitet.