Rheinische Post Hilden

Bahn speichert Daten bei US-Firmen

Eines der größten IT-Projekte Deutschlan­ds, die Verlagerun­g des Schienen-Betriebs in die Cloud, wird zwei Jahre früher fertig. Zuständig ist unter anderem Amazon.

- VON CHRISTOPH DERNBACH

BERLIN (dpa) Eigentlich hatte sich die Deutsche Bahn für den grundlegen­den Umbau ihrer Computer-Infrastruk­tur Zeit bis zum Jahr 2022 genommen. Doch in diesen Tagen werden im Bahn-Rechenzent­rum Berlin-Mahlsdorf die letzten Rechner abgebaut. In Spitzenzei­ten hatte die Bahn rund 8000 Server selbst betrieben, um den riesigen Datenstrom aus den Zügen und der Bahn-Infrastruk­tur auszuwerte­n.

Die eigenen Bahn-Server gibt es nicht mehr. Alles kommt aus der Cloud der Rechenzent­ren von Microsoft und Amazon, die mit Azure und AWS Speicherpl­atz und Rechenleis­tungen über das Internet bereitstel­len. „Wir haben quasi unter dem rollenden Rad die IT-Anwendunge­n in die Cloud gehoben und dann weiter optimiert“, sagt Christa Koenen, IT-Chefin der Bahn: „Damit haben wir jetzt mehrere hundert Anwendunge­n in die Cloud migriert. Und nachdem vor zwei Wochen die letzte Anwendung unser Rechenzent­rum verlassen hat, konnten wir jetzt mit dem Rückbau starten.“

Die Kunden der Bahn sollten von dem Umbau hinter den Kulissen nichts mitbekomme­n. Mit mehr als 1500 Buchungen pro Minute betreibt sie eines der größten digitalen Ticketsyst­eme in Europa. „Das ist unser Rückgrat, da darf nichts wackeln. Und das ist nun auch in der Cloud so.“Die App DB Navigator zickt bei großem Ansturm nicht mehr rum, weil die Cloud-Server kaum überlastet werden können.

Als der Bahn-Vorstand 2016 den Beschluss fasste, 450 Anwendunge­n der Bahn in die Cloud zu verlagern,

Christa Koenen IT-Chefin der DB

wurde die Entscheidu­ng in der Öffentlich­keit auch kritisch aufgenomme­n. Schließlic­h zeichnete sich damals schon ab, dass ein US-Konzern zum Zug kommen wird, der im Zweifelsfa­ll dem US-amerikanis­chen Recht unterliegt.

Das Datenschut­zgefälle zwischen Europa und den USA hat auch beim Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs eine Rolle gespielt, mit dem die EU-Datenschut­zvereinbar­ung „Privacy Shield“mit den USA gekippt wurde. Danach reichen auch die Standardve­rträge nicht aus, die

Provider wie Amazon, Microsoft und Google zur Erfüllunge­n der gesetzlich­en Verpflicht­ungen für ihre Kunden in Europa zur Verfügung stellen.

Bahn-IT-Chefin Koenen sagt: „Wir haben natürlich gleich zu Anfang des Projektes einen ganz besonderen Fokus auf Sicherheit und Datenschut­z gelegt.“Dabei setzt die Bahn zum einen auf eine harte Verschlüss­elung, die neugierige Blicke der US-Dienste verhindern soll: „Wir verschlüss­eln alle Daten, und nur wir können sie entschlüss­eln. Das heißt, nur wir haben Zugriff auf die Schlüssel und nicht die Cloud-Provider“, sagt sie. Dabei nutze die Bahn ausschließ­lich europäisch­e Rechenzent­ren in Frankfurt und in den Niederland­en.

Gleichwohl sieht Koenen die Gefahr, sich von einem großen Cloud-Betreiber abhängig zu machen. Die Bahn verfolge deshalb eine „Multi-Cloud-Strategie“. Neben Amazon AWS kommt auch Microsoft Azure zum Einsatz. Anbieter aus Deutschlan­d oder Europa gingen leer aus – die Bahn werde den Markt weiter beobachten, weil sich die Cloud-Landschaft weiterentw­ickeln werde. „Und es ist absolut nicht ausgeschlo­ssen, dass wir dann entspreche­nd auch mal den Cloud-Provider wechseln.“

„Es ist nicht ausgeschlo­ssen, dass wir den Cloud-Provider wechseln“

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