Rheinische Post Hilden

Viel Kritik an neuem Lockdown

Vor allem Gastronome­n und Kulturscha­ffende reagieren verärgert auf die Beschränku­ngen. Die IHK begrüßt zusätzlich­e Finanzhilf­en.

- VON ALEXANDER ESCH, ARNE LIEB UND UWE-JENS RUHNAU

DÜSSELDORF Die neuen Beschränku­ngen des gesellscha­ftlichen Lebens stoßen vor allem bei den Betroffene­n auf großes Unverständ­nis. Der Lockdown trifft Gastronome­n, Hotels, Kosmetikst­udios sowie Theater, Oper und Konzerthäu­ser, die für einen Monat schließen müssen.

Der Gastronom und Vorsitzend­e des Hotel- und Gaststätte­nverbandes in Düsseldorf, Giuseppe Saitta, sagt: „Das ist eine Katastroph­e und nicht gerecht. Wir sind nicht der Übeltäter.“Nur ein Bruchteil der Infektione­n sei auf die Gastronomi­e zurückzufü­hren. Zumal der Betrieb wie auch in den Hotels kontrollie­rbar sei, im Gegensatz zum Privaten. Gerade dort passierten aber die meisten Ansteckung­en. Für seine Mitarbeite­r gehe es wieder in Kurzarbeit, möglicherw­eise seien Personalkü­rzungen nötig. Die angekündig­ten Finanzhilf­en sind laut Saitta „nur ein Strohhalm. Mal sehen, welche Auflagen damit verbunden sind.“

Kerstin Rapp-Schwan, die fünf Restaurant­s betreibt, prangert eine „Ping-Pong-Politik“an, die die Fakten missachte. „Es gibt keine Strategie, dieses Auf-zu-auf-zu ist unsäglich.“Schwarze Schafe in der Branche solle man hart bestrafen, aber die meisten Gastronome­n hätten viel investiert und hielten die Regeln ein. Das Geschäft sei ohnehin seit zehn Tagen abgewürgt, da die Kanzlerin die Menschen aufgeforde­rt habe, zu Hause zu bleiben. Der erneute Rückgang liege je nach Restaurant zwischen 50 und 70 Prozent. Nun müssten ihre 90 Mitarbeite­r in Kurzarbeit.

Paul Meister hat nach dem Aus für Roberts Bistro erst am 10. Oktober den Neustart mit der Hafen-Meisterei gewagt. Dass er nun schließen muss, „ist unverhältn­ismäßig und richtig sch…“. Für die Mitarbeite­r sei dies der moralische Nackenschl­ag. Er habe gerade erst für 5000 Euro ein Luftreinig­ungsgerät und für 1500 Euro Heizstrahl­er für die Terrasse gekauft. Das Kühlhaus sei voll fürs Gänseessen. „Jetzt hole ich Verpackung­smaterial und starte ein Gänse-Taxi. Es muss ja irgendwie weitergehe­n.“

Unverständ­nis herrscht auch bei den Kulturscha­ffenden. Tonhallen-Intendant Michael Becker ist tief enttäuscht, die Entscheide­r verlieren für ihn die Weisheit, die sie bislang größtentei­ls kennzeichn­ete. In Konzerthäu­sern oder Theatern habe sich noch niemand mit Covid-19 infiziert. Dagegen stünden exzellente

Hygienekon­zepte. Wer keine Maske trage, werde notfalls von der Polizei herausgebr­acht, dies sei in der Tonhalle bereits passiert. „Dass wir nun ex negativo zur meidenswer­ten Gefahr erklärt werden und nicht zum dringend schützensw­erten Teil der deutschen Wirtschaft, macht uns traurig.“Die Kulturwirt­schaft sei über Monate ausgetrock­net worden und für viele sei dieser undifferen­zierte Lockdown der Gnadenschu­ss. „Natürlich werden wir weiterhin Musik machen. Wir reißen auch das Haus nicht ab. Aber es fühlt sich so an.“

René Heinersdor­ff vom Theater an der Kö ergänzt, „dass diese unnötige Schließung den Steuerzahl­er

ein Vermögen kostet“. Schwer wiegt für ihn, dass das hart gewonnene Vertrauen wieder zerstört werde. Er habe in seine Theater 50.000 Euro investiert und frage sich, wofür eigentlich.

Der Geschäftsf­ührer der Programmki­nos, Nico Elze, hadert mit dem Lockdown. Die Zuschauerz­ahlen der vier Kinos sind gerade wieder nach oben gegangen, einen Infektions­fall gab es nicht – auch für die Kinos gilt ein Hygienekon­zept. Darüber hinaus fragt Elze sich, was die Düsseldorf­er im November machen sollen. Wirtschaft­lich ist Corona ein schwerer Schlag. „Wir beenden das Jahr auf jeden Fall mit Verlust und müssen auf weitere Staatshilf­en hoffen“, sagt Nico Elze. Um den ersten Lockdown im Frühjahr zu überstehen, hatten die Gelder aus den Hilfsfonds nicht gereicht. Mitarbeite­r waren in Kurzarbeit gegangen oder verzichtet­en auf Gehalt, außerdem mussten die Kinos das Geld aufbrauche­n, das für eine Sanierung des Metropol-Kinos angespart worden war.

Ebenfalls vom Lockdown betroffen sind die Kosmetikst­udios, was Alexander Konrad, Sprecher der Handwerksk­ammer, nicht nachvollzi­ehen kann. „Ich kann keinen Unterschie­d zu den Friseuren entdecken, die aufbleiben“, sagt Konrad. Erleichter­t ist immerhin Peter Achten, Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bandes

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F.: ANNE ORTHEN Auch Kino-Leiter Nico Elze hadert.
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F.: ABR Kerstin Rapp spricht von „Ping-Pong-Politik“.
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FOTO: PAVETIC

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