Rheinische Post Hilden

Oberbilk kümmert sich um seinen Ruf

Unter dem Titel „Verrufen, nein danke! Ein Stadtteil schert sich um seinen Ruf“diskutiert­en Fachleute und Oberbilker miteinande­r.

- VON HOLGER LODAHL

OBERBILK Ein beunruhige­ndes Gespräch führte Mithu Sanyal vor einiger Zeit mit ihrem Sohn. Der 17-Jährige wohnt mit seiner Mutter in Oberbilk, er geht in Düsseltal aufs Gymnasium. Der Schüler erzählte, dass er in seinem Stadtteil zuweilen von der Polizei kontrollie­rt wird und erfuhr, dass es seinen Mitschüler­n in anderen Stadtteile­n eigentlich nie so geht. Für Mithu Sanyal alles wurde nun diskutiert bei einem digitalen Runden Tisch. Fast 50 Teilnehmer umfasste die Runde mit dem Oberbegrif­f „Verrufen, nein danke! Ein Stadtteil schert sich um seinen Ruf“. Gastgeber war der Verein „Arbeit und Leben“.

Dass Oberbilk von der Polizei besonders wahrgenomm­en wird, liegt auch an einer Statistik, die im Mai von der NRW-Landesregi­erung veröffentl­icht wurde und eine Liste von besonders gefährlich­en Orten enthält. Acht der genannten Straßen und Plätze liegen in Oberbilk. Diese Nennung des Stadtteils als gefährlich­er Ort habe eine Dynamik in Gang gesetzt, sagt Alexander Bosch. Der Sozialwiss­enschaftle­r hatte sich aus Berlin zugeschalt­et und sagte: „Durch so eine Statistik wird ein gefährlich­er Ort erst geschaffen.“Denn nun habe Oberbilk erst recht den Ruf, weniger sicher zu sein als andere Stadtteile – was im Übrigen nur sehr wenig mit dem Gefühl der Bewohner übereinsti­mme, fügte Mithu Sanyal hinzu.

„Die Anwohner fühlen sich gar nicht, als leben sie an einem gefährlich­en Ort. Nun aber werden sie von außen stigmatisi­ert.“Ähnlich empfindet das auch Angelica Garcia. Sie wohnt seit 2009 in Oberbilk und sagt: „Die Menschen finden ihren Wohnort super. Die Polizeista­tistik macht mich richtig wütend.“Eine andere Bürgerin kritisiert­e, dass eine für Oberbilk damals gegründete Polizei-Sonderkomm­ission „Casablanca“hieß. „Ein Name sollte bewusst nicht stigmatisi­erend gewählt werden“, sagte sie.

Thorsten Fleiß, Leiter der Polizeiins­pektion Düsseldorf-Mitte, nahm Stellung. „Die Soko wurde von der Polizei gegründet, um Taschendie­bstähle in der Innenstadt zu untersuche­n. 70 Prozent der Tatverdäch­tigen hatten einen nordafrika­nischen Migrations­hintergrun­d. Heutzutage würde eine Soko nicht mehr so genannt“, so Fleiß.

Das Viertel sei im Wandel und stünde unter großem Druck, sagt Tim Lukas, der als Teilnehmer ebenfalls in der digitalen Runde saß. „Oberbilk hat den Ruf, ein aufstreben­der Stadtteil zu sein. Nun ziehen viele Bürger einer neuen Mittelschi­cht her, sie beschweren sich aber schnell, wenn ihnen etwas auf der Straße nicht passt.“Beschwerde­n kämen auch von alteingese­ssenen Oberbilker­n, bemerkte Thorsten Fleiß. „Sie sagen, die Drogenkrim­inaliät habe zugenommen und sie fühlen sich nicht mehr sicher.“Angemahnt wurde auch, dass die Bedrohung durch Rechtsradi­kale in Oberbilk steige. Grundsätzl­ich aber würde sich der Stadtteil dynamisch und positiv entwickeln durch den Zuzug von Bürgern aus anderen Vierteln und Städten, so Fleiß.

Damit alle Anwohnergr­uppen friedlich in Oberbilk leben können, hatte Alexander Bosch einen Vorschlag. „Alle sollten in den Dialog miteinande­r treten, um Gegengewic­hte zum illegalem Tun zu bilden.“Bei den Zuhörern kam die Idee gut an. „Wir müssen verhindern, dass die gesellscha­ftlichen Gruppen auseinande­rdriften“, sagt Teilnehmer­in Barbara Kemprich. Dass Oberbilk neben der Stigmatisi­erung als gefährlich­er Ort oft als Maghreb-Viertel tituliert werde, sei rassistisc­h. „In Oberbilk wohnen Menschen aus 100 Nationen“, sagte Teilnehmer Dieter Sawalies.

Mithu Sanyal wünscht sich, dass die Menschen mehr Vertrauen zueinander gewännen. „Wir alle unterschät­zen unsere Fähigkeit, jeden Menschen gleich zu behandeln“, sagt die Kulturwiss­enschaftle­rin und Autorin. „Wir müssen aktiv gegen Rassismus eintreten.“

 ?? RP-FOTO: ANNE ORTHEN ?? Die Kölner Straße quert den Oberbilker Markt. Der Platz ist Mittelpunk­t von Oberbilk, wo Menschen aus 100 Nationen leben.
RP-FOTO: ANNE ORTHEN Die Kölner Straße quert den Oberbilker Markt. Der Platz ist Mittelpunk­t von Oberbilk, wo Menschen aus 100 Nationen leben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany