Äpfelpflücken im Dialog mit Flüchtlingen
62 Frauen und Männer des Ehrenamtsnetzwerks kümmern sich in Gruiten um Menschen mit Fluchterfahrung. Auch, wenn Angebote wie Feste, Musik und Ausflüge in diesem Jahr wegfielen, ist ihre Unterstützung auch in Corona-Zeiten besonders wertvoll.
HAAN Die Apfelbäume im Garten von Frauke Heiden-Ziegert spielen in diesem Jahr eine ganz besondere Rolle. Nicht nur, weil sie den wunderschönen Garten der Gruitenerin zieren und reichlich Früchte trugen, sondern vor allem, weil ihren Äpfeln in Corona-Zeiten große Bedeutung zukam: „Regelmäßige Treffen in geschlossenen Räumen waren ja nicht möglich“, erzählt die Koordinatorin des Ehrenamtsnetzwerks. „Also haben wir mit den geflüchteten Frauen unter anderem
Maria Becker Ehrenamtsnetzwerkerin
jede Menge Äpfel gesammelt und gepflückt.“Denn das Kochen, auch das Einkochen, nimmt für die Frauen, die beispielsweise aus Syrien, dem Iran, dem Irak, Aserbaidschan, Tschetschenien und Eritrea kommen, einen großen Platz im Tagesablauf ein, berichtet Ehrenamtlerin Maria Becker. „Selbst aus Fallobst wussten die Frauen die tollsten Gerichte zu zaubern.“
Gemeinsames Apfelpflücken, Fahrradwerkstatt, Kinderbetreuung im Freien, Hilfe bei der Wohnungssuche sowie Einzelbetreuung für die Familien, all dies bot das Ehrenamtsnetzwerk des Bürger- und Verkehrsvereins Gruiten den geflüchteten Familien unter Corona-Bedingungen an. „Gerade, weil andere helfende Systeme zur Zeit des Lockdowns im Frühjahr zwar nach Kräften, aber nur eingeschränkt ihre Arbeit machen konnten, war unsere Arbeit umso wichtiger“, berichtet Ehrenamtlerin Rosi Sticker.
Noch länger ist die Liste der Projekte, wenn nach der Arbeit in Vor-Corona-Zeiten gefragt wird: Kinderbetreuung, Schwimmen für Kinder, Sprachangebote, Internetcafé, Ausflüge, Schnitzeljagd, Frauentreff, Musik-Workshops, Hilfe bei Behördengängen, Sprachkurse, Tauschnachmittag, Dreck-Weg-Tag, Sommerfest, Kürbisfest, Martinszug samt Martins-Gribschen sowie gemeinsame Filmabende mit anschließendem Gespräch bot das Ehrenamtsnetzwerk an und profitierte umgekehrt auch selbst von den Erfahrungen und Begegnungen mit Gruitens neuen Bewohnern. „Der Dialog war und ist eigentlich das Allerwichtigste“, sagt Frauke Heiden-Ziegert.
Betonen wollen sie und die anderen Ehrenamtler: „Wir möchten den Menschen mit Fluchterfahrung natürlich nicht unsere christliche Kultur überstülpen, sondern ihnen zeigen, welche Bräuche und Traditionen es bei uns gibt“, betont Maria Becker, ehemalige Tagesmutter und Erzieherin, die sich wie auch
Rosi Sticker besonders um Kinder und Familien kümmert.
Das Ehrenamtsnetzwerk gibt es seit 2015, „in dem Jahr haben wir uns auf die Arbeit eingestellt und mit Seminaren und Organisation begonnen“, erinnert sich Frauke Heiden-Ziegert. 2016 hat Gruiten dann die ersten Menschen mit Fluchterfahrung aufgenommen, auch die Arbeit des Netzwerks nahm Fahrt auf. Zunächst mit knapp 140 Ehrenamtlern, auch heute ist es noch eine stolze Zahl von 62 Helfern.
„Anfangs wussten wir nicht, ob wir trotz der Sprachbarriere gut zurechtkommen würden“, erzählt die Koordinatorin. „Aber durch Augenkontakt und das Wahrnehmen der Körpersprache des anderen kann man sich auch gut verständigen.“
„Wir möchten den Menschen mit Fluchterfahrung natürlich nicht unsere christliche Kultur überstülpen, sondern ihnen zeigen, welche Bräuche und Traditionen es bei uns gibt“