Überfall auf Senior (85): Gericht prüft Parallele zu älterem Fall
Der siebte Verhandlungstag um das brutale Verbrechen an einem Haaner Rentner bestand zu einem Großteil aus Puzzle-Arbeit.
HAAN/WUPPERTAL Verhandelt wird wegen des Überfalls auf den Pensionär im Mai 2017 am HermannLöns-Weg. Auf der Anklagebank: Ein 37-Jähriger Haaner, dem die Ermittler durch einen anonymen Brief auf die Spur gekommen waren. Später hatten ihn auch zwei der vier bereits verurteilten Mittäter identifiziert, seit dem Frühjahr sitzt der Mann in Haft.
Mehrfach will man sich zur Tatplanung im Umfeld einer Haaner Spielhalle getroffen und dabei auch verabredet haben, wie der Überfall ablaufen soll. Benzinflaschen im Rucksack? Dazu noch Kabelbinder? Ob der Angeklagte davon wusste, ist nicht klar. Er selbst bestreitet das und behauptet, von den Überfallplänen nichts gewusst zu haben und nur beim Wohnungseinbruchsdiebstahl dabei gewesen zu sein. Als der Pensionär nach Hause gekommen sei, will er auf die Terrasse gelaufen sein und sich dort mehr als drei Stunden versteckt haben. Dass einer der Mittäter etwas anderes geschildert und den Angeklagten damit schwer belastet hatte? Es könnte der Versuch sein, von der eigenen Schuld abzulenken. Oder aber es ist die Wahrheit. Erzählt von einem Kriminellen? In der Haut eines Richters, der so etwas juristisch zu bewerten hat, möchte keiner stecken.
Spannend war dieser siebte Verhandlungstag jedoch in gänzlich anderer Hinsicht: Der Angeklagte hatte einige seiner Mittäter beim Überfall am Hermann-Löns-Weg bezichtigt, zuvor noch andere Raubüberfälle begangen zu haben. Sie sollen die Spielhalle überfallen haben, in der sie regelmäßig verkehrten. Letzter Gast an diesem Abend: Der ehemalige Mitarbeiter des Haaner Tiefbauamtes, der als Drahtzieher des Raubüberfalls auf den Pensionär gilt. Seine Energie hatte der Feierabend-Kriminelle dazu noch jahrelang in Geldtransporter-Überfälle gesteckt. Dafür hatte er sich beim Amt auch schon mal einen Urlaubstag genommen und das Sturmgewehr aus der Garage in der Turnstraße geholt. Damit war 2012 Schluss, der gewohnte „Nebenerwerb“blieb fortan aus. Oder doch nicht?
Auf dem Zettel der Ermittler stand nach dem Überfall im HermannLöns-Weg jedenfalls noch eine andere Sache: Im Oktober 2013 war der Notruf einer 61-jährigen Dame eingegangen, die zum Opfer eines Raubüberfalls geworden war. Als sie in den frühen Abendstunden nach Hause kam, seien die beiden Täter schon im Haus gewesen.
Dreieinhalb Stunden soll sich die Frau in der Gewalt der brutalen Räuber befunden haben. Die sollen ihr Opfer bedroht und mit einem Schal geknebelt haben. Wie auch der Pensionär im Hermann-Löns-Weg, soll die Frau geschlagen und getreten worden sein. Auch sie sei gefesselt zurückgelassen worden – zuvor soll man auch sie mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen und ihr damit gedroht haben, sie anzuzünden. Ermittler hatten später zu Brandnestern aufgetürmte Kleidung gefunden – in Brand gesteckt hatten die Täter das Haus nicht. Aufgefallen war der 61-Jährigen deren osteuropäischer Akzent – davon hatte auch der 85-jährige Pensionär den Ermittlern berichtet. Die gegenüberliegenden Stadtwerke hatten damals ihre Sicherheitsvorkehrungen massiv verstärkt und das Betriebsgelände in der Leichlinger Straße mit Kameras überwachen lassen. Dort hatte es bereits vor den Überfällen auf die 61-Jährige Seniorin diverse Einbrüche in die Verwaltung und auch Materialdiebstähle gegeben.
Zwei Tatorte, zwei Opfer und dieselbe kriminelle Handschrift? Vom Pressesprecher der Wuppertaler Staatsanwaltschaft, Wolf-Tilman Baumert ist dazu zu hören: „Es gibt tatsächlich eine Vielzahl von Hinweisen darauf, dass es sich um die gleichen Täter handeln könnte.“Erwiesen werden konnte das bislang allerdings noch nicht.
Hellhörig werden könnte man dennoch, auch deshalb: Im Leben der 61-Jährigen Seniorin scheinen sich die beiden Täter gut ausgekannt zu haben. Sie sollen der Frau gesagt haben, dass sie sich beim Wirt eines Haaner Lokals „bedanken“könne, dem sie das Haus kurz zuvor für eine sechsstellige Summe verkauft haben soll. Unweit dieses Hauses hatte vier Jahre später der Mitarbeiter des Haaner Tiefbauamtes beim Überfall auf den Pensionär „Schmiere“gestanden. Seine Frau war damals mit dabei und wurde gerade aus dem Gefängnis entlassen. Nun musste sie beim derzeit laufenden Prozess als Zeugin aussagen und hat dem Gericht ihre Adresse genannt: Es ist das Haus, das der Gastronom von der überfallenen Seniorin gekauft haben soll.