Degenhart hinterlässt Hoffnung
Continental schaffte zuletzt die Trendwende. Der Nachfolger des scheidenden Vorstandschefs „erbt“viele Baustellen.
HANNOVER (dpa/frin/mah) Nach dem Corona-Einbruch im Frühjahr des Jahres läuft das Geschäft bei Continental wieder etwas besser. „Der Aufschwung hat eingesetzt“, sagt Finanzvorstand Wolfgang Schäfer. Der teure Konzernumbau und die trüben Aussichten für die weltweite Automobilproduktion halten den Zulieferer jedoch weiter unter Druck. Das schlägt sich auch in der Quartalsbilanz nieder: Wie der Dax-Konzern am Mittwoch berichtete, lag der Verlust im dritten Quartal des Jahres unterm Strich bei knapp 720 Millionen Euro.
Das ist zwar nur eine leichte Verbesserung gegenüber dem zweiten Jahresviertel, als ein Minus von 741 Millionen Euro zu Buche stand. Im laufenden Betrieb meldete Conti allerdings gewisse Entwarnung: Der Fehlbetrag vor Zinsen, Steuern und Sondereffekten von 634 Millionen Euro wurde zuletzt in einen bereinigten Gewinn von 832 Millionen Euro gedreht.
Kein Wunder also, dass der scheidende Vorstandschef Elmar Degenhart
lobende Worte für die Perfomance des Unternehmens findet, dem er nur noch bis Ende November vorsteht. „In einem weiter schwierigen Marktumfeld zeigen wir eine mehr als zufriedenstellende Leistung“, sagte Degenhart. Den globalen Trend für das Gesamtjahr wird aber auch er nicht aufhalten können: Für 2020 rechnet Conti auf dem weltweiten Pkw-Markt mit einem Produktionsminus von bis zu 19 Prozent. Der Jahresumsatz könnte gegenüber dem Vorjahr um acht Milliarden auf 37,5 Milliarden Euro sinken – falls sich „keine neuen, unerwarteten Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie“zeigen, wie es Schäfer formulierte.
Hoffnungsschimmer kommen aus dem Ausland: In China und Nordamerika stabilisiere sich der Automarkt. Der Umsatz der Hannoveraner sank im abgeschlossenen Quartal dennoch um mehr als sieben Prozent auf 10,3 Milliarden Euro. Im Jahresverlauf betrachtet, brachen die Erlöse sogar um fast ein Fünftel ein.
Laut Degenhart liegt eine „jahrelange Aufholstrecke“vor der Industrie. Continental wird diese ohne ihn meistern müssen. Der Vorstandschef hat angekündigt, sein Amt zum Monatsende niederzulegen.
Grund für die anhaltenden Belastungen bei Continental sind aber auch viele hausgemachte Baustellen – etwa in Form von hohen Abschreibungen und gewaltigen Umbaukosten, die durch die großen Branchentrends
wie der Elektrifizierung und dem automatisiertes Fahren verursacht werden.
Hinzu kommt die umstrittene Strategie „Transformation 2019– 2029“, mit der sich die Conti-Gruppe weiter in Richtung Software, Sensorik und Elektronik entwickeln will. Bis zum Jahresende würden hier „weitere Aufwendungen in noch nicht feststehender Höhe“erwartet.
Doch der unausweichliche Wandel,
dem sich aktuell so gut wie alle Mitspieler im Automobilsektor ausgesetzt sehen, hat seine Schattenseiten, denen sich Conti als zweitgrößter Automobilzulieferer der Welt nicht entziehen kann. Gewerkschafter und Betriebsräte liefen zuletzt Sturm gegen den ausgeweiteten Stellenabbau.
So soll unter anderem das Reifenwerk in Aachen geschlossen werden. Begründet wurde dies mit Überkapazitäten. In der Quartalsbilanz schlägt sich die sogenannte Rubber-Sparte deutlich besser als andere Bereiche. Einen Widerspruch sieht Wolfgang Schäfer darin nicht: „Das liegt auch an Nachholeffekten. Viele Leute konnten im März und April keine neuen Winterreifen kaufen und machen das jetzt.“An den Überkapazitäten im Markt ändere dies nichts.
Weltweit sind rund 30.000 Stellen vom Sparprogramm betroffen. „Wir wenden unseren Blick jetzt verstärkt nach vorne“, sagte Degenhart. Sein noch nicht namentlich bekannter Nachfolger wird wohl ebenfalls viel Weitsicht brauchen.