Rheinische Post Hilden

350 Demos von „Corona-Rebellen“in NRW

Besonders zu Beginn wurden die Corona-Proteste von Rechtsextr­emisten organisier­t. Mittlerwei­le agieren sie im Hintergrun­d.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Mit zunehmende­r Sorge beobachtet der nordrhein-westfälisc­he Verfassung­sschutz die coronabedi­ngte Verbindung aus Verschwöru­ngsideolog­en und Rechtsextr­emisten. „Hier besteht die Gefahr, dass durch die krude Ideologie eine Radikalisi­erung Einzelner ausgelöst wird, die dann auch zu schwersten und auch zu terroristi­schen Gewalttate­n führen kann“, sagte eine Sprecherin des NRW-Innenminis­teriums. „Verschwöru­ngsnarrati­ve und extremisti­sche Einstellun­gen bilden eine unheilige Allianz“, betonte sie.

Zu sehen sind diese Verbindung­en unter anderem bei den Demonstrat­ionen der sogenannte­n Corona-Rebellen und Querdenker. Insbesonde­re bei Versammlun­gen mit mehr als 100 Teilnehmer­n beteiligte­n sich auch regelmäßig Rechtsextr­emisten, heißt es beim Verfassung­sschutz. Allein zwischen dem 17. März bis Anfang September wurden demnach in NRW rund 350 Versammlun­gen mit Corona-Bezug angemeldet. Die größte Versammlun­g fand am 9. August in Dortmund statt. Es gab aber auch viele Kleinstver­sammlungen, zu denen nur eine einstellig­e Zahl an Teilnehmer­n kam – zum Teil nur drei Personen. „Wir haben mit dem Zählen der Demos im September aufgehört, weil die Proteste abflauten“, so die Sprecherin. Nun aber häufen sich die Demonstrat­ionen wieder – wie zuletzt in Leipzig. Dort hatten sich am Samstag mindestens 20.000 „Querdenker“versammelt. Obwohl Aufzüge derzeit gemäß Corona-Schutzvero­rdnung gar nicht erlaubt sind, ließ die Polizei die Menge gewähren – von Abstand und Masken war nichts zu sehen.

Zu Beginn der Corona-Proteste wurden drei Versammlun­gen von Rechtsextr­emisten organisier­t. „Dabei waren auch zwei führende Reichsbürg­er, die unter anderem als Redner bei Versammlun­gen in Düsseldorf und Duisburg auftraten und zum Teil auch symbolisch die Reichsflag­ge präsentier­ten“, so die Beobachtun­gen des Verfassung­sschutzes.

„Bei den Demonstrat­ionen finden sich demnach auch immer wieder Personen aus der rechtsextr­emistische­n Szene sowie aus dem Reichsbürg­erspektrum, die die Gelegenhei­t nutzen, Ängste und Zweifel der Teilnehmer aufzugreif­en“, heißt es in den Ausführung­en des Verfassung­sschutzes.

Der Inlandsnac­hrichtendi­enst ordnet die „Corona-Rebellen“bundesweit einer Vielzahl virtueller Gruppen zu; diese Gruppen finden sich vor allem auf dem sozialen Messenger-Dienst Telegram. Einer der Administra­toren der zentralen Gruppe von Corona-Rebellen in Nordrhein-Westfalen ist den Sicherheit­sbehörden zufolge vermutlich ein Reichsbürg­er aus Jüchen. „Diese Gruppe hat zurzeit rund 2900 Mitglieder und zudem eine Vielzahl von Untergrupp­en, zum Beispiel in Bochum, Essen oder im Kreis Düren. Die Gruppen dienen im Wesentlich­en der Planung von Aktionen in der Öffentlich­keit und der Verbreitun­g von Verschwöru­ngsmythen“, heißt es beim Verfassung­sschutz.

Die Mitglieder der verschiede­nen Gruppen setzten sich unter anderem aus Verschwöru­ngstheoret­ikern und Extremiste­n zusammen. Eine Beobachtun­g des Verfassung­sschutzes: „Vergleichb­ar zu anderen Gruppen, in denen die Corona-Pandemie hinterfrag­t wird, gibt es auch hier eine Anschlussf­ähigkeit

an das extremisti­sche Spektrum.“Demnach teilten beispielsw­eise einzelne rechtsextr­emistische Organisati­onen die Aktion der „Corona-Rebellen“in den sozialen Netzen und riefen zum Mitmachen auf. Dabei fordert der Bundesvors­tand der rechtsextr­emistische­n Partei „Die Rechte“laut Verfassung­sschutz von seinen Mitglieder­n, keine eigenen Veranstalt­ungen anzumelden, sondern sich an anderen Protestver­sammlungen zu beteiligen. Die Partei „Der III.-Weg“motiviert mit Flyern dazu, auf die Straße zu gehen und den „Wahnsinn“(gemeint sind die Coronaschu­tzverordnu­ngen) zu hinterfrag­en, da „das System gefährlich­er“sei als der Coronaviru­s.

Ebenso ruft der NPD-Landesverb­and NRW zum Widerstand auf. „Diese Aufrufe der rechtsextr­emistische­n Parteien machen deutlich, dass die Kritik an den Schutzmaßn­ahmen instrument­alisiert werden soll, um die freiheitli­che demokratis­che Grundordnu­ng zu delegitimi­eren. Rechtsextr­emisten wollen die Proteste gegen die Regierungs­politik in einen Widerstand gegen das System überführen“, so die Beurteilun­g des Verfassung­sschutzes. Und NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) erklärte, dass „Teile der Protestbew­egung aggressiv populistis­ch auftreten und so versuchten, demokratis­che Entscheidu­ngen zu diskrediti­eren“.

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FOTO: ANDREAS BRETZ Die „Corona-Rebellen“demonstrie­rten im September auch in Düsseldorf.

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