350 Demos von „Corona-Rebellen“in NRW
Besonders zu Beginn wurden die Corona-Proteste von Rechtsextremisten organisiert. Mittlerweile agieren sie im Hintergrund.
DÜSSELDORF Mit zunehmender Sorge beobachtet der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz die coronabedingte Verbindung aus Verschwörungsideologen und Rechtsextremisten. „Hier besteht die Gefahr, dass durch die krude Ideologie eine Radikalisierung Einzelner ausgelöst wird, die dann auch zu schwersten und auch zu terroristischen Gewalttaten führen kann“, sagte eine Sprecherin des NRW-Innenministeriums. „Verschwörungsnarrative und extremistische Einstellungen bilden eine unheilige Allianz“, betonte sie.
Zu sehen sind diese Verbindungen unter anderem bei den Demonstrationen der sogenannten Corona-Rebellen und Querdenker. Insbesondere bei Versammlungen mit mehr als 100 Teilnehmern beteiligten sich auch regelmäßig Rechtsextremisten, heißt es beim Verfassungsschutz. Allein zwischen dem 17. März bis Anfang September wurden demnach in NRW rund 350 Versammlungen mit Corona-Bezug angemeldet. Die größte Versammlung fand am 9. August in Dortmund statt. Es gab aber auch viele Kleinstversammlungen, zu denen nur eine einstellige Zahl an Teilnehmern kam – zum Teil nur drei Personen. „Wir haben mit dem Zählen der Demos im September aufgehört, weil die Proteste abflauten“, so die Sprecherin. Nun aber häufen sich die Demonstrationen wieder – wie zuletzt in Leipzig. Dort hatten sich am Samstag mindestens 20.000 „Querdenker“versammelt. Obwohl Aufzüge derzeit gemäß Corona-Schutzverordnung gar nicht erlaubt sind, ließ die Polizei die Menge gewähren – von Abstand und Masken war nichts zu sehen.
Zu Beginn der Corona-Proteste wurden drei Versammlungen von Rechtsextremisten organisiert. „Dabei waren auch zwei führende Reichsbürger, die unter anderem als Redner bei Versammlungen in Düsseldorf und Duisburg auftraten und zum Teil auch symbolisch die Reichsflagge präsentierten“, so die Beobachtungen des Verfassungsschutzes.
„Bei den Demonstrationen finden sich demnach auch immer wieder Personen aus der rechtsextremistischen Szene sowie aus dem Reichsbürgerspektrum, die die Gelegenheit nutzen, Ängste und Zweifel der Teilnehmer aufzugreifen“, heißt es in den Ausführungen des Verfassungsschutzes.
Der Inlandsnachrichtendienst ordnet die „Corona-Rebellen“bundesweit einer Vielzahl virtueller Gruppen zu; diese Gruppen finden sich vor allem auf dem sozialen Messenger-Dienst Telegram. Einer der Administratoren der zentralen Gruppe von Corona-Rebellen in Nordrhein-Westfalen ist den Sicherheitsbehörden zufolge vermutlich ein Reichsbürger aus Jüchen. „Diese Gruppe hat zurzeit rund 2900 Mitglieder und zudem eine Vielzahl von Untergruppen, zum Beispiel in Bochum, Essen oder im Kreis Düren. Die Gruppen dienen im Wesentlichen der Planung von Aktionen in der Öffentlichkeit und der Verbreitung von Verschwörungsmythen“, heißt es beim Verfassungsschutz.
Die Mitglieder der verschiedenen Gruppen setzten sich unter anderem aus Verschwörungstheoretikern und Extremisten zusammen. Eine Beobachtung des Verfassungsschutzes: „Vergleichbar zu anderen Gruppen, in denen die Corona-Pandemie hinterfragt wird, gibt es auch hier eine Anschlussfähigkeit
an das extremistische Spektrum.“Demnach teilten beispielsweise einzelne rechtsextremistische Organisationen die Aktion der „Corona-Rebellen“in den sozialen Netzen und riefen zum Mitmachen auf. Dabei fordert der Bundesvorstand der rechtsextremistischen Partei „Die Rechte“laut Verfassungsschutz von seinen Mitgliedern, keine eigenen Veranstaltungen anzumelden, sondern sich an anderen Protestversammlungen zu beteiligen. Die Partei „Der III.-Weg“motiviert mit Flyern dazu, auf die Straße zu gehen und den „Wahnsinn“(gemeint sind die Coronaschutzverordnungen) zu hinterfragen, da „das System gefährlicher“sei als der Coronavirus.
Ebenso ruft der NPD-Landesverband NRW zum Widerstand auf. „Diese Aufrufe der rechtsextremistischen Parteien machen deutlich, dass die Kritik an den Schutzmaßnahmen instrumentalisiert werden soll, um die freiheitliche demokratische Grundordnung zu delegitimieren. Rechtsextremisten wollen die Proteste gegen die Regierungspolitik in einen Widerstand gegen das System überführen“, so die Beurteilung des Verfassungsschutzes. Und NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) erklärte, dass „Teile der Protestbewegung aggressiv populistisch auftreten und so versuchten, demokratische Entscheidungen zu diskreditieren“.