Rheinische Post Hilden

„Abschiebun­gen nach Syrien prüfen“

NRW-Flüchtling­sminister Stamp gibt nach Terroransc­hlägen Gutachten in Auftrag.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Nach den jüngsten Terroransc­hlägen will NRW-Flüchtling­sminister Joachim Stamp (FDP) prüfen, ob es Möglichkei­ten gibt, islamistis­che Gefährder auch nach Syrien oder Libyen abzuschieb­en. Er werde ein völkerrech­tliches Gutachten erstellen lassen, unter welchen Voraussetz­ungen dies machbar wäre. Beauftragt werde der Rechtswiss­enschaftle­r Daniel Thym von der Uni Konstanz. Der Staat habe die Verpflicht­ung, seine Bürger zu schützen.

Bisher gilt bundesweit ein Abschiebes­topp für diese Länder, weil Rückkehrer­n dort Gefahr droht. Sunnitisch­e Extremiste­n etwa würden in Syrien sofort gefoltert und hingericht­et, räumte Stamp ein. Anderersei­ts sei Bürgern schwer zu vermitteln, dass Straftäter und Terroriste­n in Deutschlan­d bleiben dürften.

NRW liegt den Angaben zufolge bundesweit bei der Abschiebun­g von Gefährdern an der Spitze – mit einem Anteil von 44 Prozent aller Rückführun­gen im vergangene­n Jahr. Seit 2017 wurden insgesamt 27 Gefährder abgeschobe­n sowie weitere 23 Personen, die als sicherheit­srelevant oder bedenklich gelten. Der Begriff „Gefährder“ist nicht unumstritt­en, da es sich um eine Einschätzu­ng der Polizei handelt, die Betroffene­n aber oft noch keine Straftaten begangen haben.

„Wir nutzen die Möglichkei­ten, um mit aller rechtsstaa­tlichen Härte vorzugehen“, bekräftigt­e Stamp. Dazu sei unter anderem die Zahl der

Abschiebeh­aftplätze um 50 auf 175 ausgebaut worden. Es gebe mehr zentrale Ausländerb­ehörden, um untergeord­neten Stellen in Asylrechts­fragen zur Seite zu stehen. Oft scheitern Abschiebun­gen Stamp zufolge aber daran, dass ein Ausreisepf­lichtiger keinen Pass habe, er eine Strafe in Deutschlan­d verbüßen müsse oder das Herkunftsl­and ihn nicht zurücknehm­e: „Ich will jeden Gefährder loswerden, aber ganz so einfach ist es eben nicht.“Daneben setze die Landesregi­erung auf Prävention durch Aufklärung­s- und Aussteiger-Programme.

Grünen-Co-Fraktionsc­hefin Verena Schäffer begrüßte, dass der Flüchtling­sminister an den von der rot-grünen Vorgängerr­egierung eingeführt­en Prävention­sprogramme­n festhalte. Gleichzeit­ig forderte die Opposition­spolitiker­in, mehr Sozialarbe­iter auf der Straße (Streetwork­er) einzusetze­n, ein Institut für

Grundlagen­forschung aufzubauen und die Rolle der Frauen im Salafismus stärker in den Blick zu nehmen. Ihr Anteil sei von zwölf auf zuletzt 18 Prozent gestiegen. Sie verübten zwar meist keine Anschläge, gäben aber die Ideologie weiter und dienten als Netzwerker­innen. „Wir teilen ja das Ziel, den Extremismu­s zu bekämpfen“, sagte Schäffer. Dazu brauche es aber auch eine engere Kooperatio­n auf EU-Ebene: „Dort existiert nicht einmal eine einheitlic­he Definition dafür, was ein Gefährder ist.“

SPD-Integratio­nsexperte Ibrahim Yetim forderte, mehr Druck auf die Herkunftsl­änder auszuüben, um sie zur Rücknahme ihrer Staatsbürg­er zu bewegen. Auch müsse dem Auftritt von Islamisten im Netz mehr entgegenge­setzt werden. Hier nehme die Radikalisi­erung meist ihren Anfang. Etwa die Hälfte der Gefährder seien Deutsche.

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FOTO: F. GAMBARINI/ DPA Bei einer Aktuellen Stunde im Landtag spricht NRW-Flüchtling­sminister Joachim Stamp (FDP) über islamistis­che Gefährder.

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