Rheinische Post Hilden

Der Hautarzt in der Hosentasch­e

Viele Menschen gehen trotz Beschwerde­n nicht zum Hautarzt. Die Firma Dermanosti­c bringt ihn daher auf digitalem Wege nach Hause.

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Das Muttermal sieht komisch aus. Muss ich das untersuche­n lassen? Muss ich mir wegen des Sonnenbran­ds Sorgen machen? Was ist das denn plötzlich für ein Ausschlag? Puh, warum juckt das denn so?

Immer wieder stellen sich Menschen diese und ähnliche Fragen – oder aber sie stellen sie Alice Martin oder Estefanía Lang. Immer wieder wandten sich Freunde bei Problemen mit der Haut an die beiden Dermatolog­innen, schickten ein Foto per Whatsapp oder suchten per Chat nach Rat. Und irgendwann dachten sich die beiden Ärztinnen: Könnte man nicht eine Lösung machen, mit der man mehr Menschen bei solchen Problemen hilft?

Im Oktober 2019 gründeten sie, gemeinsam mit ihren beiden Ehemännern Ole Martin und Patrick Lang Dermanosti­c. Per App vermittelt das Düsseldorf­er Start-up Patienten mit einem Hautproble­m an Dermatolog­en, die dann wiederum innerhalb von maximal 24 Stunden auf Basis von Beschreibu­ngen und Bildern der Patienten eine Diagnose erstellen. Rezepte werden, sofern benötigt, zugeschick­t oder direkt bei einer Apotheke hinterlegt.

Mehr als 3000 Patienten hat Dermanosti­c inzwischen behandelt – doch die Gründer sind überzeugt, dass es noch viel mehr Potenzial gibt. „Es gibt zum Beispiel kaum Hautärzte, die Altenheime besuchen. Da wird viel zu wenig Energie investiert – und am Ende landen die schlimmen Fälle in der Klinik“, sagt Ole Martin. Anders formuliert: Die App von Dermanosti­c kann auch bei der Prävention helfen. „Durch Corona hat Telemedizi­n einen Schub bekommen. Trotzdem ist sie auf dem Markt noch nicht etabliert. Viele Menschen glauben gar nicht, dass auf der anderen Seite der App ein echter Arzt sitzt“, sagt Alice Martin. Sie und ihre Mitgründer wollen den Gesundheit­smarkt daher verändern, ohne die niedergela­ssenen Hautärzte zu ersetzen.

Der Gesundheit­smarkt ist einer der größten Märkte weltweit. Und gleichzeit­ig einer der komplizier­testen und sensibelst­en. Gesundheit­sdaten der Patienten müssen besonders gut vor dem Zugriff Dritter geschützt werden, ein Fehler kann hier dauerhaft das Vertrauen beschädige­n. Das ist auch ein Grund, warum Dermanosti­c beim Einsatz künstliche­r Intelligen­z aktuell eher zurückhalt­end agiert. Technisch wäre es möglich, die Aufnahmen von der Haut nicht von Ärzten, sondern einer Software analysiere­n zu lassen. Ein Arzt würde dann das Ergebnis nur noch überprüfen. Doch Dermanosti­c müsste dafür aktuell auf externe Anbieter zurückgrei­fen – weshalb man zunächst verzichtet, bis ein eigener Datenbesta­nd aufgebaut ist. „Man braucht circa 80.000 Bilder, um eine künstliche Intelligen­z zu trainieren“, sagt Ole Martin: „Google hat schon Hautveränd­erungen analysiert, aber nur die zehn häufigsten. Ich bin mir sicher, dass auch in fünf Jahren noch ein Arzt den Fall beurteilen wird.“

Bei Dermanosti­c soll der Kontakt zum Arzt daher auch in Zukunft zentral bleiben – speziell bei heiklen Fällen. Denn Akne, Gürtelrose oder Herpes sind einerseits zwar die häufigsten Fälle, die Dermanosti­c erreicht. Anderersei­ts gab es aber auch schon Fälle, in denen die Diagnose Hautkrebs lautete. In solchen Fällen, sagt Alice Martin, werde der Patient persönlich angerufen. „Obwohl wir eine App betreiben, bleiben wir Ärzte. Und wir sprechen auch von Patienten und nicht von Kunden“, betont sie. Daher gehören zum Team, das inzwischen aus 13 Leuten besteht, auch Krankensch­western, die alle Patienten nach zwei bis drei Wochen anrufen, um zu klären, wie es den Patienten geht und ob die Behandlung angeschlag­en hat. Mit dieser Mischung aus Mensch und Technik will Dermanosti­c nun weiter wachsen. Private Krankenkas­sen übernehmen die Kosten von 25 Euro pro Behandlung bereits, gesetzlich­e noch nicht.

Dafür bemühen sich laut Alice Martin zahlreiche Apotheken verstärkt um eine Kooperatio­n – auch aus Eigeninter­esse, weil die Konkurrenz durch Online-Apotheken zunimmt. Viele stationäre Apotheken suchen daher laut Martin nach neuen Ideen: „Umgekehrt kommen immer wieder Patienten in die Apotheke, die einen Ausschlag haben und eine Salbe wollen.“Diese könnten dann stattdesse­n eine Behandlung bei Dermanosti­c kaufen und sogar direkt vor Ort durchführe­n – entweder mit dem eigenen Smartphone oder per Tablets, die das Start-up zur Verfügung stelle. Auch einige Unternehme­n würden das Angebot bereits im Rahmen des betrieblic­hen Gesundheit­smanagemen­ts einsetzen. Die vier Ärzte wollen den Wandel der Medizin mit ihrem Start-up weiter vorantreib­en, denn schon jetzt wäre aus ihrer Sicht viel mehr möglich: „Wir könnten mit unseren System theoretisc­h bis zu 5000 Patienten pro Tag behandeln“, so ihr Credo.

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FOTO: DERMANOSTI­C Ole Martin, Estefanía Lang, Alice Martin und Patrick Lang (v.l.) haben im Oktober 2019 das Start-up Dermanosti­c in Düsseldorf gegründet.

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