Rheinische Post Hilden

Kritische Stimmen im Fußball unerwünsch­t

- VON GIANNI COSTA

DÜSSELDORF Der Pate hat die Familie zusammenge­rufen. Er lud nur jene ein, auf die er sich auch wirklich verlassen kann. So wie man das eben macht, wenn stürmische Zeiten bevorstehe­n. Damit auch jeder mitbekam, wie ernst er es meint, hat er die Öffentlich­keit wissen lassen, wer zum erlauchten Kreis gehört. Und wer eben nicht. 14 Erstligist­en und ein Zweitligis­t (Hamburger SV ) haben sich zur „G15“in Frankfurt am Main versammelt. KarlHeinz Rummenigge hat recht bereitwill­ig die Rolle des Oberhaupts übernommen. Und er hat finster dreingebli­ckt, als er hinterher die Botschaft verkündet hat, die unmissvers­tändlich war in Richtung jener, die in Ungnade gefallen sind: „Sie haben den Fehdehands­chuh in den Ring geworfen.“

Mit „sie“meint er vier Erstligist­en (Mainz 05, FC Augsburg, VfB Stuttgart, Arminia Bielefeld) und zehn Klubs der Zweiten Liga (darunter Fortuna Düsseldorf), die ein Positionsp­apier an alle Klubs, die unter dem Dach der Deutschen Fußball-Liga (DFL) organisier­t sind, verschickt hatten. Kernpunkt des Papiers: Wie könnte die Verteilung der TV-Gelder gerechter geregelt werden? Wohlgemerk­t: Es handelte sich nicht um eine Beschlussv­orlage, sondern um einen Denkanstoß. Es sagt so unfassbar viel über diese Branche aus, dass bereits ein solcher Vorstoß als eine Art Nestbeschm­utzung angesehen wird.

Rummenigge ist nur das Gesicht der Bewegung. Er hat mächtige Verbündete um sich geschart. Borussia

Dortmund, RB Leipzig, Borussia Mönchengla­dbach und Bayer Leverkusen sollen zu den Mit-Initiatore­n gehört haben. In diesem Geschäft sollte es eigentlich nichts geben, was einen überrascht, aber dass ausgerechn­et Gladbach sich hat mit einspannen lassen, verwundert schon. Denn es ist nicht so lange her, da gehörte man selbst eher zu denen, die mit dem Fernglas nach oben und nicht nach unten geblickt haben.

Die Zeiten haben sich geändert. Und auch die Macht der Bayern. Wie sehr Rummenigge eine „Revolution“fürchtet, zeigt die Wucht seiner Reaktion. Man trifft sich in diesen Zeiten nicht mal eben so. Dieses Treffen war eine Demonstrat­ion der Stärke. Rummenigge hat die Botschaft ausgesende­t, dass in diesem Land nichts, aber auch gar nichts, ohne den FC Bayern München geht. Früher hätte er dafür nicht drei weitere

Klubs gebraucht. Auch das ist eine bemerkensw­erte Erkenntnis. Rummenigge hat in seiner ganzen Güte indes auch verlautbar­en lassen, er sei bereit, die anderen wieder mitspielen zu lassen. Wenn sie ihre Position aufgeben.

Es ist zuvorderst die Bankrotter­klärung der Solidargem­einschaft DFL. Es ist ein legitimer Anspruch, unterschie­dliche Meinungen zu haben. Doch nun durften alle erfahren: Kritische Geister sind innerhalb der Fußball-Szene absolut unerwünsch­t. Mehr noch: Sie werden auch aktiv angegangen.

Wer schon einmal einen sogenannte­n Bundestag des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) verfolgt hat, der könnte meinen, er verfolge eine Parlaments­sitzung in Nordkorea.

Kritische Stimmen? Fehlanzeig­e. Es gibt noch nicht einmal den Austausch über unterschie­dliche Positionen. Was es gibt: nach außen demonstrie­rte Harmonie und Einigkeit.

„Der“Fußball hat in seiner Mehrheit trotz Corona-Krise nichts verstanden. Es geht alles munter so weiter. Es geht um Geld, Geld, ach ja, und um Geld. Und Macht. Es werden von Rummenigge und Co. Selbstvers­tändlichke­iten („Zunächst einmal ist klar, dass wir die politische­n Entscheidu­ngen respektier­en“) beteuert, als ob man sich dafür bedanken müsste. Bei der deutschen Nationalma­nnschaft ist ganz gut abzulesen, wie schnell es gehen kann, dass das Publikum wegen akuter Entfremdun­g die Lust verliert.

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FOTO: ARNE DEDERT/DPA Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsv­orsitzende­r der FC Bayern München AG, gibt nach dem Treffen der „G15“ein Statement ab.

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