Rheinische Post Hilden

„Diese Wahl war wie eine Achterbahn­fahrt in Slow Motion“

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KALKUM Seit mehr als 20 Jahren lebt Paula Hemdal schon in Europa, zunächst in Brüssel, seit einem Jahr in Kalkum. Geboren und aufgewachs­en ist die US-Amerikaner­in in Michigan. Dort hat sie auch gewählt.

Die US-Wahl ist weltweit ein Thema. Wie haben Sie sie erlebt?

PAULA HEMDAL Diese Wahl war wie eine Achterbahn­fahrt mit Höhen und Tiefen, Drehungen und Wendungen – aber in Slow Motion. Es braucht Zeit, um die Stimmen auszuzähle­n, und jeder Bundesstaa­t hat eigene Regeln. Ich habe den Fernseher kaum ausgeschal­tet, dort läuft CNN, auf meinem iPad zusätzlich Fox News und die New York Times. Die Unterschie­de in der Berichters­tattung sind groß. Zwischendu­rch bin ich spazieren gegangen – und habe verpasst, wie Joe Biden in meiner Heimat Michigan zum Sieger erklärt wurde. Meine Tochter hat mir eine SMS geschickt, danach habe ich das Haus kaum noch verlassen. Ich bin stolz, dass meine Briefwahls­timme dazu beigetrage­n hat.

Wie ordnen Sie das Ergebnis ein HEMDAL Joe Bidens Sieg macht mir Hoffnung – aber es fühlt sich ein bisschen an wie beim American Football: „It ain’t over till it’s over.“Die Aussagen von Trump, bei der Wahl sei er betrogen worden, ohne dass es dafür Anhaltspun­kte gibt, sind eine Gefahr für die Demokratie. Außerdem bin ich enttäuscht, dass es so knapp ist. Das zeigt, wie viele Trump trotz seiner spalterisc­hen Rhetorik unterstütz­en – oder vielleicht auch gerade deshalb. Er wird das Ergebnis nicht akzeptiere­n – und schreiend und tretend aus dem Weißen Haus getragen werden müssen. Schon jetzt ist er in seinem üblichen modus operandi und reicht Klagen ein. Ich finde es traurig, dass so viele Republikan­er dazu nichts sagen, obwohl er Grundprinz­ipien unserer Demokratie infrage stellt.

Was erhoffen Sie sich vom zukünftige­n Präsidente­n?

HEMDAL Ich hoffe, dass Joe Biden Respekt, Empathie und Führungskr­aft zurück ins Weiße Haus bringt und die USA vereinen kann. Ich mache mir aber Sorgen, dass die Spaltung schon zu groß ist. Es wird Jahre brauchen, bis das Vertrauen in die Politik wiederherg­estellt ist. Ich hoffe, dass Biden sich darauf konzentrie­rt, die Gräben im Land zu schließen, um Herausford­erungen wie strukturel­len Rassismus und Klimawande­l anzugehen. Nur so können die USA wieder zu der Stimme der Demokratie werden, die sie lange waren.

Und von seiner Vize-Präsidenti­n? HEMDAL Kamala Harris schreibt als erste Frau in diesem Amt Geschichte. Sie ist eine positive und starke Repräsenta­ntin des echten Amerika, das schon immer ein Schmelztie­gel verschiede­ner Kulturen war – und bleiben muss. Sie wird der Welt zeigen, dass uns Diversität stark macht.

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F: ABR Paula Hemdal lebt mit ihrem Mann seit einem Jahr in Düsseldorf.

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