Rheinische Post Hilden

Auf einen Plausch in der Heißmangel

Der kleine Laden von Edith Murawski ist für die Nachbarsch­aft rund um die Schwerinst­raße ein beliebter Treffpunkt.

- VON MARC INGEL

GOLZHEIM Es ist Mittag und bei Edith Murawski schauen die Schulkinde­r vorbei. So wie nahezu jeden Tag steigen sie die Stufen zu ihrem Laden an der Schwerinst­raße hinab, denn sie wissen: Hier gibt es immer ein paar Süßigkeite­n. Die holt sie dann aus einem hinteren Raum. Vorne, im Eingangsbe­reich ihres kleinen Reiches, liegen in einer Schale Hustenbonb­ons. „Die sind für die Erwachsene­n“, sagt Edith. Die meisten an der Schwerinst­raße nennen sie beim Vornamen – und das geht meist nicht von ihr aus. „Viele, die regelmäßig reinkommen, bieten mir schnell das Du an, ich wirke wohl so vertrauens­würdig.“

Und es sind viele, die bei ihr vorbeischa­uen. Dabei praktizier­t Edith eine Dienstleis­tung, die es so kaum noch zu geben scheint. Die 51-Jährige hat eine Heißmangel, keine Reinigung, die das Bügeln an der großen Walzmaschi­ne so nebenbei anbietet. „Ganz normales Bügeln mache ich aber natürlich auch“, sagt Edith. Jedoch ist es vor allem das Arbeiten an der „Löhe & Dr. Ross“aus dem Jahr 1927, das sie auf Trab hält. „Die mangelt so schön und geht nie kaputt. Hin und wieder gibt es mal einen Kabelbruch, dann kommt der Elektriker, und alles ist wieder gut.“Und so klauben die Menschen an der und rund um die Schwerinst­raße ihre Tischdecke­n, Laken, Bettbezüge und Geschirrtü­cher zusammen und bringen sie zu Edith. Manchmal sicher auch nur für einen Plausch, um Neues zu erfahren, denn kaum jemand im Viertel dürfte besser informiert und vernetzt sein als Edith. „Die Menschen erzählen mir immer alles, ich weiß auch nicht warum. Ob ich es hören will oder nicht. Ich kenne sämtliche Dramen der Nachbarsch­aft“, sagt die 51-Jährige und relativier­t sofort: „95 Prozent meiner Kunden sind nett, denen höre ich wirklich gerne zu.“

Aufgewachs­en ist Edith in einem 500-Seelen-Dorf am Niederrhei­n, Stessen, „das kennt kein Schwein“. Für ihre Ausbildung kam sie dann nach Düsseldorf. Zunächst arbeitete Edith als Briefträge­rin, doch dann wurde sie schwanger. Sie kannte die Heißmangel an der Schwerinst­raße, brachte immer die Wäsche der

Nachbarin dort hin. Als sie erfuhr, dass die Betreiberi­n, die 27 Jahre den Laden geführt hatte, aufhören wollte, sprang Edith ein. Übergangsw­eise dachte sie, „doch dann bin ich irgendwie an der Mangel kleben geblieben.“Das ist nun auch schon 22 Jahre her. Gerade ist es natürlich ein bisschen schwierig, wegen Corona,

aber Edith weiß sich stets zu helfen. Im ersten Lockdown musste sie zwar nicht schließen, „aber es kam keiner mehr“. Also fing sie bei Edeka an, saß an der Kasse, einen Monat lang, „aber das war nichts für mich. Immer dieses Gezanke, wenn die Kunden sich wegen Klopapier oder Nudeln in die Haare kriegten.“Da fühlt sie sich in ihrer Heißmangel doch wohler, auch wenn mal etwas weniger los ist. Nur, dass Karneval jetzt ausfällt, das bedauert Edith schon, „ich feiere doch so gerne“. Nicht in einem Verein, lieber spontan, so wie es ihrem Naturell entspricht.

In ihrem Mini-Laden wirkt alles ein wenig unaufgeräu­mt. „Das sieht aber nur so aus, das ist konstrukti­ves Chaos, ich weiß, wo jedes Teil hingehört“, sagt sie. Statt einer Registrier­kasse hat sie eine kleine Kassette, in die sie das Geld hineinlegt. Aufschreib­en muss sie sich nichts, „das merke ich mir alles“. Sie hat kleine Zettel, die sie auf die Wäsche klebt, für den Preis. Bei Bedarf gibt es auch eine Quittung. „Je weniger Aufwand desto besser, dann wird es am Ende billiger für die Kunden“, sagt Edith.

Sie nimmt auch gerne die Pakete für die Nachbarsch­aft an, „ich bin ja von Dienstag bis Freitag immer da, und Platz ist in der kleinsten Hütte“. Als eine Frau dann mal ihr Paket abholen wollte, ist ihr etwas passiert, das wird Edith ihr Leben lang nicht vergessen, „aber das kann ich nicht offen erzählen, ich bin doch keine Klatschtan­te“. Schade eigentlich. Stattdesse­n erzählt sie gerne von dem jungen Marokkaner, der eines Tages bei ihr in der Tür stand und fragte, ob sie ihn denn gar nicht mehr erkennen würde. Wie sich herausstel­lte, kam er schon als Kind immer vorbei und holte sich bei Edith Bonbons ab. „Jetzt hat er inzwischen selbst Familie. Dass ich hier im Laden Menschen vom Kind zum Mann heranwachs­en sehen würde, hätte ich vor 22 Jahren auch nicht für möglich gehalten“, sagt Edith. Jedes Jahr feiern die Nachbarn mit Edith zudem Weihnachte­n in der Heißmangel, „da sind wir schon oft versackt“.

15 Jahre will sie noch weitermach­en, „was soll ich mich jetzt noch groß verändern? Außerdem: Meine Arbeit macht mir doch Spaß.“So lange muss auch die „Löhe & Dr. Ross“- Heißmangel noch durchhalen, „aber das schafft sie, da bin ich mir ganz sicher“, sagt Edith. Und mangelt fröhlich weiter.

Info Edith Murawski, Schwerinst­raße 69, Telefon 4920336

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RP-FOTOS: MARC INGEL Edith Murawski und ihre „Löhe & Dr. Ross“-Heißmangel aus dem Jahr 1927 bilden ein eingeschwo­renes Team in dem kleine Laden an der Schwerinst­raße 69.
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Klein, aber mein: Was Laien als unaufgeräu­mt bezeichnen könnten, nennt Edith Murawski ihr „konstrukti­ves Chaos“.
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Um in den Laden zu gelangen, muss man einige Stufen hinabsteig­en.

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