Rheinische Post Hilden

Gericht baut dem Angeklagte­n Brücke zur Wahrheit

Im Prozess gegen den wegen erpresseri­schen Menschenra­ubs angeklagte­n 37-jährigen Haaner hatte der Richter viele Fragen – und einen eindringli­chen Rat.

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HAAN (magu) Hockt man beinahe vier Stunden lang auf einer Terrasse, um sich zu verstecken? Maskiert – und umgeben von Nachbarn, denen diese Kostümieru­ng vermutlich mysteriös vorgekomme­n wäre?

Es waren die richtigen Fragen, die der Vorsitzend­e Richter dem Angeklagte­n stellte. Denn letztlich geht es in diesem Prozess nur noch um eines: War der 37-Jährige mit im Haus des Pensionärs, als der dort über

Stunden hinweg traktiert wurde? Oder war es so, wie er selbst beteuert: Als der 85-Jährige heimkehrte, will er auf die Terrasse getürmt sein. Und dort sollen ihm dann inmitten der stundenlan­gen Herumhocke­rei die Füße eingeschla­fen sein.

Nicht nur dem Gericht fällt es schwer, so etwas zu glauben. Auch als Prozessbeo­bachter fragt man sich, ob jemand wirklich derart unbedarft in eine solche Sache hineinstol­pern kann, wie es der Angeklagte von sich behauptet. Erst will er an einen normale Arbeit geglaubt haben, als ihm „der Job“im kriminelle­n Umfeld seiner Bekannten angeboten worden sei. Dann will er zwar zum Wohnungsei­nbruchsdie­bstahl bereit gewesen sein – aber nicht dazu, das für ihn unerwartet heimkehren­de Opfer zu malträtier­en.

Als seine Frau später Fragen an ihn hatte, soll er ihr nur bruchstück­haft erzählt haben. Und das nur, damit sie Ruhe gibt. „Warum haben Sie ihrer Frau nicht gesagt, was abgelaufen ist?“, wollte der Richter wissen. Es wäre doch normal gewesen, ihr „reinen Wein einzuschen­ken“.

Es kann so gewesen sein, wie es der Angeklagte behauptet. Es kann aber auch sein, dass der 37-Jährige tut, wovon ihm der Richter nun nochmals eindringli­ch abgeraten hat: Er sagt nur, was er nicht abstreiten kann. Den möglichen Grund lieferte das Gericht gleich mit: Der Angeklagte fürchte Theater mit Frau und Familie. Wohnungsei­nbruchsdie­bstahl oder erpresseri­scher Menschenra­ub: Am Ende geht es um Jahre mehr oder weniger hinter Gittern.

Dass ein Richter inmitten der Verhandlun­g den Angeklagte­n ausdrückli­ch darauf hinweist, dass man Zweifel an seiner Version der Geschichte haben kann? Das könnte dafür sprechen, dass man ihm die Sache mit der Terrasse nicht abnimmt und es am Ende doch auf eine Verurteilu­ng wegen erpresseri­schen Menschenra­ubs hinausläuf­t.

Es könnte auch einfach nur der Versuch sein, ihm eine Brücke zu bauen hin zur Wahrheit. In jedem Fall aber ist es ein Ringen der Kammer darum, inmitten juristisch­er Grauzonen die Nebel möglichst zu lichten. Der Prozess wird fortgesetz­t.

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