HSG Adler Haan glaubt an Regionalliga-Erhalt
Nach dem Aufstieg in die Regionalliga war die Freude der Mannschaft von André Wernicke groß. Doch in der höheren Klasse folgte für den erfolgsverwöhnten Liga-Neuling schnell die Ernüchterung. In dieser Spielzeit wollen die Handballerinnen jetzt mehr Biss
HAAN Für die Handballerinnen der HSG Adler Haan steht erneut eine schwere Saison an. „Das zweite Jahr nach dem Aufstieg ist das schwerste“, heißt es gemeinhin in Sportlerkreisen. Doch das ist in diesem Fall nur die halbe Wahrheit. Denn ohne die Corona-Krise hätte die Verweildauer in der Regionalliga wohl nur zwölf Monate betragen. 16 von 22 Begegnungen hatten die Haanerinnen absolviert, als sich das Präsidium des Handballverbandes Niederrhein zum vorzeitigen Abbruch der Saison entschloss. Mit drei Siegen, zwölf Niederlagen und einem Unentschieden nahmen die HSG-Handballerinnen den vorletzten Platz ein, der unter normalen Umständen den Gang in die Oberliga nach sich gezogen hätte. Doch weil das Coronavirus unvorhergesehen und zugleich unbarmherzig zuschlug, sah sich der Verband zu außergewöhnlichen Maßnahmen gezwungen – und setzte den Abstieg in den Klassen ab Regionalliga abwärts aus. An der Tabellenspitze ermöglichten die HVN-Verantwortlichen hingegen jenen Mannschaften, die nach der Quotientenregel (Anzahl der Punkte durch Anzahl der Partie geteilt und mit 100 multipliziert) auf einem Aufstiegsplatz standen, die Früche ihrer sportlichen
André Wernicke Trainer HSG Adler Haan
Arbeit zu ernten und den Sprung in die nächsthöhere Liga zu feiern.
Für die Haaner Handballerinnen sind damit die Zeiger wieder auf null gestellt. Nach einer verkorksten Saison kann der Aufsteiger nun im zweiten Anlauf seine Regionalliga-Reife unter Beweis stellen. Allerdings redet in der Meisterschaft erneut Corona ein gewichtiges Wort mit. Gerade einmal zwei Begegnungen hatte die Mannschaft von André Wernicke absolviert, als Bund und Länder einen „Lockdown light“beschlossen und damit auch die Amateursportler ein weiteres Mal aus der Bahn warfen. Dabei haben die Adler noch Glück im Unglück: Während in der vergangenen Saison 14 Teams um Punkte kämpften, sind diesmal nur noch elf Mannschaften im Rennen – damit reduziert sich der Spielplan für jeden Kontrahenten um sechs Partien. Der Handballverband Niederrhein setzte den Spielbetrieb inzwischen bis zum 6. Januar 2021 aus. Ob dann tatsächlich schon der Re-Start erfolgt, hängt auch von den weiteren Corona-Schutzmaßnahmen ab, denn ohne Training läuft in der Meisterschaft gar nichts. Bis zum Ende des Jahres fallen für die HSG in jedem Fall fünf Begegnungen aus – darunter auch das Nachholspiel gegen den MTV Köln.
Auch deshalb ist das Fazit von André Wernicke bislang durchwachsen.
„Die Pause jetzt kommt uns total ungelegen“, sagt der Adler-Trainer und führt aus: „Wir hatten schon in der Vorbereitung schlechte Bedingungen, weil wir nicht in die Halle konnten. In Haan hat das alles wieder etwas länger gedauert, bis die neuen Regelungen umgesetzt wurden.“Gleichwohl war der Coach mit der Leistung seiner Mannschaft in den ersten beiden Punktspielen zufrieden. „In beiden Partien waren wir auf Augenhöhe“, stellt er fest. Das Heimduell gegen den aktuellen Spitzenreiter TuS Königsdorf ging mit 23:27 verloren, zwei Wochen später folgte jedoch eine wirklich bittere 24:25-Niederlage bei der SG Überruhr. „Das Spiel hätten wir eigentlich nach Hause bringen können“, ärgert sich Wernicke noch immer über zwei verschenkte Punkte. Das nächste Heimspiel gegen den MTV Köln fiel dann wegen eines Corona-Falls in den eigenen Reihen aus. „Dabei hatten wir uns schon auf das
Spiel gegen den Aufsteiger gefreut“, berichtet Wernicke.
Seit dem 2. November steht nun wieder Individualtraining auf der Agenda der Spielerinnen. Manchmal trainieren die HSG-Handballerinnen auch gemeinsam in einer Internetkonferenz. Für Wernicke ist die aktuelle Situation aber ein Rückschritt. „Sportlich wirft uns das ganz weit nach hinten. Die Vorbereitung ist verpufft, wir stehen wieder bei null da. Wenn wir im Dezember nicht trainieren dürfen, glaube ich auch nicht, dass wir im Januar starten“, sagt der Trainer und erklärt: „Im Handball kann man nicht von null auf hundert gehen, das Verletzungsrisiko ist viel zu groß. Handball spielt man außerdem miteinander, aber das Timing füreinander ist verschwunden. Das ist eine Frage der Koordination. Es ist wie beim Fahrradfahren – das verlernt man auch nicht, aber man muss es üben, um sich sicher zu fühlen. In den ganzen Abläufen, in der Koordination fehlt einfach die Routine.“
Bei allen Widrigkeiten blickt André Wernicke aber zuversichtlich nach vorne. Der HSG-Trainer ist sich sicher, dass sein Team diesmal aus eigener Kraft den Klassenerhalt schafft. Mut macht allen Beteiligten dabei die Besetzung der Mannschaft, die sich in großen Teilen aus dem Kader der Vorsaison rekrutiert, aber auch einige vielversprechende Zugänge vermeldet, die sich menschlich schnell ins bestehende Gefüge integrierten.
Auch beim neuformierten Torhüterduo
André Wernicke Trainer HSG Adler Haan
stimmt die Chemie. Weil Chiara Siegmund zum Oberligisten TV Witzhelden wechselte, übernimmt neben Silja Kasper nun Annika Krauße den Part zwischen den Pfosten. „Die beiden haben sich von Anfang an gut verstanden. Sie sind Konkurrentinnen, unterstützen sich aber auch gegenseitig – so wie man sich das als Trainer vorstellt“, freut sich Wernicke über den Glücksgriff. Krauße spielte zuvor für einen Oberligisten in Karlsuhe, zog aus privaten Gründen ins Rheinland und kam aufgrund einer Empfehlung zur HSG.
Svenja Hoge spielte bereits als A-Jugendliche mit Zweitspielrecht unter der Regie von André Wernicke und gewann mit dem Team des Haaner TV die Niederrheinmeisterschaft. Nun wechselte die junge Sportlerin von ihrem Stammverein HSV Wuppertal zu den Adlern. „Sie ist dem HSV sehr verbunden, hat deshalb das erste Seniorenjahr
noch in Wuppertal gespielt. Jetzt aber möchte sie den nächsten Schritt machen“, berichtet Wernicke und gesteht: „Sie spielt eigentlich im Rückraum, ist aber vielseitig einsetzbar. Aus einer Eingebung heraus habe ich sie jetzt am Kreis spielen lassen und auch da macht sie eine gute Figur. Sie kämpft um jeden Ball.“
Ebenfalls vom HSV Wuppertal kommt Julia Schock. „Sie ist mir bereits in der Jugend aufgefallen und ich war erfreut, dass sie bei uns angeklopft hat“, erzählt Wernicke. Schock, Jahrgang 1999, schließt auf linksaußen die Lücke, die Christina Borutta hinterließ – die Rechthänderin konzentriert sich jetzt auf ihren Beruf.
„Wir hatten schon in der Vorbereitung schlechte Bedingungen, weil wir nicht in die Halle konnten“
„Wenn wir im Dezember nicht trainieren dürfen, glaube ich auch nicht, dass wir im Januar starten“
„Soziale Kontakte sind für Handballer extrem wichtig – anders als bei Leichtathleten, die eher Einzelkämpfer sind“
André Wernicke Trainer der HSG Adler Haan
Für Katrin Müller ist der Wechsel nach Haan eine ganz neue Erfahrung in ihrer Handball-Karriere, denn erstmals trägt die Rückraum-Allrounderin in der Meisterschaft nicht das Trikot des TV Beyeröhde. „Katrin ist ein ruhiger Typ. Für sie ist es eine ganz neue Situation, sich in einem anderen Verein zu orientieren, aber sie ist gut in der Mannschaft angekommen“, sagt Wernicke und fügt hinzu: „Wir haben echt Glück, dass es mit den vier Spielerinnen passt, die zu uns gekommen sind.“Müller, die mit ihren 28 Jahren zu den erfahrenen Spielerinnen im HSG-Team zählt und zulezt für den TVB in der Oberliga auflief, soll in der Abwehr im Innenblock an der Seite von Jessica Strelau für Stabilität sorgen. Im Deckungszentrum spielte zuvor Clara Engel, die jetzt für den Drittligisten Fortuna Düsseldorf aufläuft.
Aus Sicht von André Wernicke stehen die Vorzeichen also gut für eine erfolgreiche Saison. Wenn da nicht der Faktor Corona wäre. „Das Schlimmste ist: Man weiß gar nicht, wann es weitergeht. Ich hoffe nur, dass man auf den Re-Start hin trainieren kann. Gerade für Teamsportler ist es wichtig, dass sie miteinander Sport machen. Videokonferenzen ersetzen nicht wirklich die sozialen Kontakte. Die sind für Handballer extrem wichtig – anders als bei Leichtathleten, die eher Einzelkämpfer sind“, erklärt der Trainer