Schwierige Fehlersuche
HILDEN Eine unangenehme Überraschung werden viele Eltern von Kita- und OGS-Kindern in den kommenden Wochen erleben. Denn die Stadt hat seit Monaten keine Beiträge für Betreuung und Verpflegung der Kinder eingezogen. „Es werden aktuell Änderungsbescheide für die Monate April bis Juli erstellt, aus denen sich die Änderungsbeträge aus dem Beitragsverzicht von Stadt und Land ergeben. Erst mit diesen Bescheiden tritt die Fälligkeit der veränderten Betreuungskosten ein und die geänderten Betrage können abgebucht oder eingefordert werden“, erklärt Stadtkämmerin Anja Franke. Das bedeutet, dass die Summe auf einen Schlag fällig wird – sie kann jedoch in Absprache mit der Verwaltung gestundet werden. In Hilden sind die Gebühren an das Einkommen der Eltern gekoppelt und liegen zwischen 0 Euro (Einkommen bis 25.000 Euro) und 528 Euro pro Monat (Betreuung eines U3-Kindes 45 Stunden pro Woche, Einkommen über 120.000 Euro pro Jahr).
Die Stadt verzichtet nach einem Beschluss der Politik zwar auf die Elternbeiträge sowie die Beiträge für die Mittagsverpflegung für April und Mai vollständig und berechnet für Juni und Juli nur 50 Prozent. Im Einzelfall kann aber trotzdem eine stattliche Summe zusammenkommen. „Viele Eltern, mit denen ich gesprochen habe, haben überhaupt nicht gemerkt, dass die Stadt die Beiträge nicht abgebucht hat“, sagt die Mutter von zwei Kindern, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Der Große geht in die Grundschule und nutzt die OGS, der Kleine besucht noch den Kindergarten. „Wer das Geld ausgegeben und nicht zurückgelegt hat, wird Probleme bei der Rückzahlung bekommen“, glaubt sie. Viele seien verärgert.
„Natürlich kann ich den Ärger verstehen“, sagt Kämmerin Anja Franke. Allerdings habe die Stadt mehrfach auf den Abbuchungsstopp hingewiesen, beispielsweise auf dem Homepage der Stadt – auch die RP hatte darüber berichtet. „Die Corona-Pandemie
hat viele ungeplante Ereignisse hervorgebracht und nicht jeder kennt die Hintergründe für die konkrete Situation im Einzelfall. Daher ist es klasse, wenn sich die Eltern melden, anstatt sich zu ärgern. Von dieser Möglichkeit haben auch sehr viele Eltern schon Gebrauch gemacht und dann zum Beispiel die laufenden Beträge per Überweisung bezahlt.“
Aber warum hat die Stadt die Abbuchungen überhaupt gestoppt? „Grundsätzlich müssen die Eltern im Moment Geld für die Betreuung bezahlen und das tun auch sehr viele Familien, zum Beispiel über Überweisungen und Daueraufträge“, erklärt Anja Franke. Es habe auch sehr viele telefonische Abstimmungen mit den Familien im Einzelfall gegeben. „Nur die Abbuchung wurde gestoppt, da die Forderungsbeträge aus Vormonaten April bis Juli nicht richtig abgebildet sind und somit eine hohe Fehlerquelle für Falschabbuchungen besteht. Die Einzugsermächtigungen der Eltern berechtigen die Stadt, fällige Beträge abzubuchen. Und genau diese sind aktuell im Buchhaltungssystem nicht abgebildet. Wir führen die Abbuchungsermächtigung also erst aus, wenn der fällige Betrag im Einzelfall richtig gestellt ist.“
Die Verwaltungsmitarbeiter arbeiteten momentan mit Hochdruck an der Erstellung der Bescheide – rund 3000 insgesamt. „Nach jetzigem Stand werden wir bis zum
Ende diesem Monats damit fertig sein, so dass dann ein Versand erfolgen kann. Für diese nicht geplante Erstellung der Bescheide mussten erst personelle Ressourcen geschaffen werden, daher die zeitliche Verzögerung in diesem Bereich, der alle Betreuungsformen betrifft.“Und: „Wir planen, die Eltern über eine Mitteilung in der Presse zu informieren, bevor die Abbuchungen wieder anlaufen“, erklärt Anja Franke. Und sie räumt ein: „Es ist mit einer hohen Anzahl an Stundungsanträgen zu rechnen.“Dadurch erhöht sich der Verwaltungsaufwand erneut.
Außerdem sorgt der Verzicht der Beitragserhebung für die Monate April und Mai sowie die Halbierung der Summen im Juni und Juli für weniger Einnahmen, was den ohnehin gebeutelten Haushalt zusätzlich belastet.
„Ein Teil davon wird vom Land erstattet. Der Differenzbetrag geht der Stadt verloren und führt zu einem höheren Fehlbetrag im Jahresabschluss und der Geldbetrag fehlt auch in der Kasse. Die temporär nicht abgebuchten Betreuungsentgelte fallen für die Liquiditätsplanung aber kaum ins Gewicht. Der Betrag der gestundeten und ausgefallenen Gewerbesteuern übersteigt den hier in Rede stehenden Betrag um ein Vielfaches. Trotzdem verfügt die Stadt aktuell noch über ausreichende Liquidität für alle geplanten und anfallenden Ausgaben“, erklärt Stadtkämmerin Anja Franke.
Der Ärger vieler Eltern ist mehr als verständlich: Die Rechnung für die vergangenen Monate muss nun auf einen Schlag (oder bei einem Stundungsantrag auf viele kleine Schläge) bezahlt werden. In der Regel wird niemand das Geld beiseite gelegt haben. Aber was genau hat die Stadt falsch gemacht? Als die Betreuung der Kinder ausgesetzt wurde, hat die Verwaltung keine Beiträge mehr eingefordert. Das hat die Familien im Frühjahr finanziell entlastet. Mitte Juni dann der Beschluss der Politik, einige Beiträge komplett zu erlassen, andere immerhin zu 50 Prozent. Die Stadt stockte das Personal auf, begann mit der Erstellung der 3000 Bescheide. In mehreren Mitteilungen hat die Stadt hingewiesen, dass es zu Verzögerungen kommt. Auch wir haben darüber berichtet. Als es eine Panne bei der Kommunikation gab (falsches Anschreiben verschickt), hat die Stadt auch direkt und transparent reagiert. Einen Fehler kann man ihr also nicht vorwerfen. Ärgerlich bleibt es trotzdem.