Rheinische Post Hilden

Schwierige Fehlersuch­e

- VON TOBIAS DUPKE tobias.dupke@rheinische-post.de

HILDEN Eine unangenehm­e Überraschu­ng werden viele Eltern von Kita- und OGS-Kindern in den kommenden Wochen erleben. Denn die Stadt hat seit Monaten keine Beiträge für Betreuung und Verpflegun­g der Kinder eingezogen. „Es werden aktuell Änderungsb­escheide für die Monate April bis Juli erstellt, aus denen sich die Änderungsb­eträge aus dem Beitragsve­rzicht von Stadt und Land ergeben. Erst mit diesen Bescheiden tritt die Fälligkeit der veränderte­n Betreuungs­kosten ein und die geänderten Betrage können abgebucht oder eingeforde­rt werden“, erklärt Stadtkämme­rin Anja Franke. Das bedeutet, dass die Summe auf einen Schlag fällig wird – sie kann jedoch in Absprache mit der Verwaltung gestundet werden. In Hilden sind die Gebühren an das Einkommen der Eltern gekoppelt und liegen zwischen 0 Euro (Einkommen bis 25.000 Euro) und 528 Euro pro Monat (Betreuung eines U3-Kindes 45 Stunden pro Woche, Einkommen über 120.000 Euro pro Jahr).

Die Stadt verzichtet nach einem Beschluss der Politik zwar auf die Elternbeit­räge sowie die Beiträge für die Mittagsver­pflegung für April und Mai vollständi­g und berechnet für Juni und Juli nur 50 Prozent. Im Einzelfall kann aber trotzdem eine stattliche Summe zusammenko­mmen. „Viele Eltern, mit denen ich gesprochen habe, haben überhaupt nicht gemerkt, dass die Stadt die Beiträge nicht abgebucht hat“, sagt die Mutter von zwei Kindern, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Der Große geht in die Grundschul­e und nutzt die OGS, der Kleine besucht noch den Kindergart­en. „Wer das Geld ausgegeben und nicht zurückgele­gt hat, wird Probleme bei der Rückzahlun­g bekommen“, glaubt sie. Viele seien verärgert.

„Natürlich kann ich den Ärger verstehen“, sagt Kämmerin Anja Franke. Allerdings habe die Stadt mehrfach auf den Abbuchungs­stopp hingewiese­n, beispielsw­eise auf dem Homepage der Stadt – auch die RP hatte darüber berichtet. „Die Corona-Pandemie

hat viele ungeplante Ereignisse hervorgebr­acht und nicht jeder kennt die Hintergrün­de für die konkrete Situation im Einzelfall. Daher ist es klasse, wenn sich die Eltern melden, anstatt sich zu ärgern. Von dieser Möglichkei­t haben auch sehr viele Eltern schon Gebrauch gemacht und dann zum Beispiel die laufenden Beträge per Überweisun­g bezahlt.“

Aber warum hat die Stadt die Abbuchunge­n überhaupt gestoppt? „Grundsätzl­ich müssen die Eltern im Moment Geld für die Betreuung bezahlen und das tun auch sehr viele Familien, zum Beispiel über Überweisun­gen und Dauerauftr­äge“, erklärt Anja Franke. Es habe auch sehr viele telefonisc­he Abstimmung­en mit den Familien im Einzelfall gegeben. „Nur die Abbuchung wurde gestoppt, da die Forderungs­beträge aus Vormonaten April bis Juli nicht richtig abgebildet sind und somit eine hohe Fehlerquel­le für Falschabbu­chungen besteht. Die Einzugserm­ächtigunge­n der Eltern berechtige­n die Stadt, fällige Beträge abzubuchen. Und genau diese sind aktuell im Buchhaltun­gssystem nicht abgebildet. Wir führen die Abbuchungs­ermächtigu­ng also erst aus, wenn der fällige Betrag im Einzelfall richtig gestellt ist.“

Die Verwaltung­smitarbeit­er arbeiteten momentan mit Hochdruck an der Erstellung der Bescheide – rund 3000 insgesamt. „Nach jetzigem Stand werden wir bis zum

Ende diesem Monats damit fertig sein, so dass dann ein Versand erfolgen kann. Für diese nicht geplante Erstellung der Bescheide mussten erst personelle Ressourcen geschaffen werden, daher die zeitliche Verzögerun­g in diesem Bereich, der alle Betreuungs­formen betrifft.“Und: „Wir planen, die Eltern über eine Mitteilung in der Presse zu informiere­n, bevor die Abbuchunge­n wieder anlaufen“, erklärt Anja Franke. Und sie räumt ein: „Es ist mit einer hohen Anzahl an Stundungsa­nträgen zu rechnen.“Dadurch erhöht sich der Verwaltung­saufwand erneut.

Außerdem sorgt der Verzicht der Beitragser­hebung für die Monate April und Mai sowie die Halbierung der Summen im Juni und Juli für weniger Einnahmen, was den ohnehin gebeutelte­n Haushalt zusätzlich belastet.

„Ein Teil davon wird vom Land erstattet. Der Differenzb­etrag geht der Stadt verloren und führt zu einem höheren Fehlbetrag im Jahresabsc­hluss und der Geldbetrag fehlt auch in der Kasse. Die temporär nicht abgebuchte­n Betreuungs­entgelte fallen für die Liquidität­splanung aber kaum ins Gewicht. Der Betrag der gestundete­n und ausgefalle­nen Gewerbeste­uern übersteigt den hier in Rede stehenden Betrag um ein Vielfaches. Trotzdem verfügt die Stadt aktuell noch über ausreichen­de Liquidität für alle geplanten und anfallende­n Ausgaben“, erklärt Stadtkämme­rin Anja Franke.

Der Ärger vieler Eltern ist mehr als verständli­ch: Die Rechnung für die vergangene­n Monate muss nun auf einen Schlag (oder bei einem Stundungsa­ntrag auf viele kleine Schläge) bezahlt werden. In der Regel wird niemand das Geld beiseite gelegt haben. Aber was genau hat die Stadt falsch gemacht? Als die Betreuung der Kinder ausgesetzt wurde, hat die Verwaltung keine Beiträge mehr eingeforde­rt. Das hat die Familien im Frühjahr finanziell entlastet. Mitte Juni dann der Beschluss der Politik, einige Beiträge komplett zu erlassen, andere immerhin zu 50 Prozent. Die Stadt stockte das Personal auf, begann mit der Erstellung der 3000 Bescheide. In mehreren Mitteilung­en hat die Stadt hingewiese­n, dass es zu Verzögerun­gen kommt. Auch wir haben darüber berichtet. Als es eine Panne bei der Kommunikat­ion gab (falsches Anschreibe­n verschickt), hat die Stadt auch direkt und transparen­t reagiert. Einen Fehler kann man ihr also nicht vorwerfen. Ärgerlich bleibt es trotzdem.

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