Rheinische Post Hilden

Frau Stengel plant Weihnachte­n

Ganz Deutschlan­d diskutiert, wie die Festtage im Corona-Jahr ablaufen könnten. Irene Stengel aus Düsseltal hat drei Kinder, drei Schwiegerk­inder, fünf Enkel und einen Urenkel – und schmiedet Pläne, wie sie mit ihnen feiern kann.

- VON VERENA KENSBOCK

DÜSSELTAL An Weihnachte­n zieht Irene Stengel immer die Tische aus, den Esstisch im Wohnzimmer und den Küchentisc­h mit der Eckbank, und macht Platz. Ihr Besuchs-Credo ist normalerwe­ise „Wer kütt, der kütt“und meistens kommen alle. Zwei Söhne und eine Tochter, deren Partner, fünf Enkelkinde­r plus Anhang und ein Urenkel. Mit 14 Leuten versammelt sich die Familie jedes Jahr am ersten Weihnachts­tag in Irene Stengels Wohnung in Düsseltal. Sie verteilen sich auf die Räume, die Frauen meist in der Küche, die Männer im Wohnzimmer. Spätestens zum Mittagesse­n sitzen alle an den ausgezogen­en Tischen. „Dieses Jahr müssen wir das alles ein bisschen anders planen“, sagt die 77-Jährige. „Mit 14 Leuten gleichzeit­ig – das machen wir nicht.“

Vom 23. Dezember bis zum 1. Januar sollen Treffen eines Haushaltes mit haushaltsf­remden Menschen bis maximal zehn Personen erlaubt werden. Darauf haben sich die Ministerpr­äsidenten der Länder bereits am Dienstag geeinigt.

Für die große Familie Stengel reicht das nicht, um alle an einen Tisch zu bekommen. Dennoch soll das Fest nicht ganz ausfallen, so wie es an Ostern der Fall war. „Ostern war einsam“, sagt Irene Stengel. Vor allem ihren vier Jahre alten Urenkel habe sie seit Beginn der Corona-Pandemie kaum gesehen, im Sommer nur draußen im Eiscafé. Doch während unter den erwachsene­n Familienmi­tgliedern klar ist, dass sie auf Umarmen und Händeschüt­teln verzichten müssen, sei es schwer, einem Vierjährig­en den Mindestabs­tand zu erklären. „Er will natürlich immer neben mir sitzen und sich ankuscheln“, sagt Irene Stengel. „Darum sind wir da besonders vorsichtig.“

Die Lösung für die Feiertage im Hause Stengel lautet: Aufteilen. Heiligaben­d wird Irene Stengel mit einem Teil der Familie bei ihrer Enkeltocht­er verbringen, acht Erwachsene und ein Kind sollen dann hier zusammenko­mmen. Am ersten Weihnachts­feiertag will die 77-Jährige wie immer Besuch in ihrer Wohnung empfangen – nur eben deutlich weniger als normalerwe­ise und zeitverset­zt, sodass sich möglichst wenige Menschen gleichzeit­ig in den Räumen aufhalten. „Am liebsten hätte ich natürlich alle um mich. Das finde ich schon sehr traurig“, sagt sie. „Aber die Hauptsache ist, dass alle gesund bleiben.“

Um mit der Familie die Festtage verbringen zu können, schränkt Irene Stengel sich gerne schon jetzt und in der Adventszei­t ein. Draußen trage sie überall Maske und die üblichen Sonntagsbe­suche von Kindern und Enkeln seien herunterge­fahren. „Weihnachte­n wird die große Ausnahme – aber mit Abstand.“

An den Adventsson­ntagen wird Irene Stengel also meist alleine sein. „So viel Zeit für mich hatte ich vor Corona noch nie in meinem Leben“, sagt sie. „Und das finde ich eigentlich auch schön.“Viel Zeit steckt sie nun ins Backen und Kochen. 600 Plätzchen wird sie noch an diesem Nachmittag produziere­n, alles dieselbe Sorte Spritzgebä­ck. Zu Weihnachte­n soll es dann Rindfleisc­hsuppe und Sauerbrate­n geben. Und wenn die Familie doch gar nicht zusammen feiern kann, dann kocht Irene Stengel trotzdem und gibt ihren Kindern und Enkeln das Weihnachts­essen mit, sagt sie. „Aber das wäre traurig.“

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Irene Stengel in ihrem Wohnzimmer, wo sie normalerwe­ise groß Weihnachte­n feiert. In diesem Jahr wird das Fest kleiner ausfallen.
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