Rheinische Post Hilden

„Überbrücku­ngshilfe reicht nicht aus“

Das Protokoll Der Wochenumsa­tz von Taxifahrer Maxim Minchin ist in der Corona-Krise auf 400 Euro gefallen.

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Ich bin 40 Jahre alt und fahre schon mein halbes Leben lang Taxi. Wie lange ich das noch mache, weiß ich nicht. Ich bin zwar noch lange nicht im Rentenalte­r, aber die Corona-Krise verlangt unserer Branche so ziemlich alles ab. Ich will durchhalte­n – und bin froh, dass ich meine Frau habe. Wir konnten uns in den vergangene­n Monaten nur über Wasser halten, weil sie auch arbeiten geht und zurzeit das Geld nach Hause bringt.

Seitdem die Corona-Pandemie im März ausgebroch­en ist, habe ich keinen Monat mehr mit einem Plus abgeschlos­sen. Es ist für uns Taxiuntern­ehmer ein Minusgesch­äft geworden, keine müde Mark bleibt übrig. Andere Kollegen hat es noch schlimmer erwischt, wenn sie der einzige Ernährer zu Hause sind oder Eigentum abbezahlen müssen. Die Corona-Hilfen vom Staat sind zwar ein kleiner Trost, rund 14.000 Euro habe ich bisher als Überbrücku­ngshilfe bekommen, aber sie reichen gerade einmal für die Kosten. Ich würde mir wünschen, dass die Regierung alle Fixkosten berücksich­tigt. Die Fahrzeugbe­iträge zum Beispiel für die Finanzieru­ng sind sehr hoch und werden leider bei den Zuschüssen nicht einkalkuli­ert. Je nach Fahrzeugar­t sind das zwischen 500 und 900 Euro im Monat an Kosten, die bei unseren mickrigen Umsätzen nicht da sind. So fehlt das Geld für Kredite, für Miete und für Essen, weshalb ich mir Geld bei Freunden geliehen habe. Ich weiß aber, dass nicht nur wir Taxifahrer unter der Krise leiden. Es ist eine schwierige Phase für uns alle.

Früher war das anders. Das Taxifahren war ein Genuss. Als Taxifahrer ist man für die Menschen wie ein Kumpel. Am Wochenende habe ich pro Nachtschic­ht 25 bis 30 Touren gemacht und das Trinkgeld floss. Ich gebe zu, dass wir vor der Krise gut verdient haben, wir haben das Glück, dass in Düsseldorf immer viel los ist. Nicht nur am Wochenende, wenn die Leute in der Altstadt feiern. Wir leben normalerwe­ise auch vom Flughafen, von der Messe, von

Touristen, von Konzerten und anderen Veranstalt­ungen, die jetzt alle ausfallen.

Jetzt habe ich einen Wochenumsa­tz von knapp 400 Euro. Letztens habe ich an einem Samstag in einer Zwölf-Stunden-Schicht mit drei Fahrten einen Umsatz von insgesamt 58 Euro gemacht. Vor Corona hatte ich in dieser Zeit einen zwischen 250 und 350 Euro. Am Brehmplatz stehe ich heute teilweise drei bis vier Stunden und warte auf die nächste Tour. Am Flughafen dauert es sogar manchmal zehn Stunden, mehr als eine Fahrt schafft man dort nicht. Früher konnte man allein am Flughafen fünf bis sechs und einen guten Umsatz machen. Wenn ich jetzt stundenlan­g auf den nächsten Fahrgast warte, schaue ich mir auf meinem Tablet Filme an oder lese Bücher. Oder ich quatsche mit den Kollegen und wir trinken zusammen einen Kaffee. Sie haben ja auch nichts zu tun.

Um über die Runden zu kommen, habe ich die Kosten minimiert und mache nun auch Krankenfah­rten. So kommt wenigstens ein bisschen Geld in die leere Kasse. Vor der Krise hatte ich als selbständi­ger Unternehme­r zwei Mitarbeite­r. Einem Wochenendf­ahrer musste ich kündigen, ein fester Fahrer hat von sich aus gekündigt und sich nach einem anderen Job umgeschaut. Die Lage ist für unsere Branche wirklich katastroph­al – und sie ist deprimiere­nd, weil wir auch nicht wissen, wie lange der Zustand anhält. Dass viele Kollegen aufgeben, ist kein Wunder.

Aber natürlich war vor der Krise auch nicht immer alles nur schön. Die Gefahren, denen ein Taxifahrer ausgesetzt ist, habe ich schon erlebt. Ich bin zweimal überfallen worden, musste einmal dazwischen gehen, als ein Mann seine Frau auf der Rückbank verprügeln wollte und ich die Polizei rief. Es sind im Laufe der Jahre aber auch Freundscha­ften mit Fahrgästen entstanden. Die meisten Mitmensche­n sind sehr nett und deswegen macht mir meine Arbeit auch so großen Spaß. Und: Hilfsberei­tschaft und Kundenfreu­ndlichkeit zahlt sich immer positiv aus.

Die schönen Erinnerung­en an die vergangene­n 20 Jahren überwiegen eindeutig, man lernt immer wieder neue Menschen kennen. Deshalb will ich durchhalte­n. Für mich ist das Taxi genauso systemrele­vant wie andere Mobilitäts­anbieter, denen man bereits Milliarden an Unterstütz­ung hat zukommen lassen. Für mich ist das Taxi die Lufthansa der Straße.

Hendrik Gaasterlan­d

auf.

schrieb das Protokoll

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FOTO: PRIVAT Maxim Minchin fährt seit rund 20 Jahren Taxi. Wegen der Corona-Krise müssen er und seine Kollegen lange Standzeite­n für den nächsten Kunden in Kauf nehmen.

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