Rheinische Post Hilden

Die Folgen der Corona-Pandemie haben Teile der Wirtschaft empfindlic­h getroffen. Natürlich gehen die Beschränku­ngen auch am Immobilien­markt nicht spurlos vorüber. Marktexper­ten sehen aber keinen Einbruch.

- VON JÜRGEN GROSCHE UND CHRISTIAN HENSEN

Eigentlich sollte der Immobilien­markt doch unter der Krise leiden, mag man auf den ersten Blick denken. Die Menschen sorgen sich um ihre Arbeitsplä­tze und haben doch sicher etwas anderes zu tun, als Häuser oder Wohnungen zu kaufen oder gerade jetzt in eine neue Mietwohnun­g zu ziehen. Zumindest waren laut Experten anfangs Wohnungsun­d Bürobesich­tigungen erschwert aufgrund der Kontaktbes­chränkunge­n. Diese haben natürlich auch Einfluss auf diesen nun schon seit Jahren etablierte­n Roundtable zum Thema Immobilien. Die Redaktion führte ihn dieses Mal virtuell durch, per Videokonfe­renzen.

„Während des ersten Shutdowns gab es Befürchtun­gen, dass sich die Entwicklun­g auf den Immobilien­markt niederschl­ägt“, bestätigt denn auch Thomas Schüttken (Böcker Wohnimmobi­lien). „Die Kundenansp­rache war sehr erschwert.“Allerdings stellt der Immobilien­experte dann fest: „Der Markt hat sich aber wieder erholt. Die Nachfrage nach Wohnraum ist ungebroche­n gut, sowohl auf der Verkaufswi­e auf der Vermietung­sseite.“Auf der Nachfrages­eite fallen ihm Expats, also Mitarbeite­r ausländisc­her Unternehme­n auf, sie suchen weiterhin Wohnungen im Stadtgebie­t.

Die Preise bleiben nach seiner Beobachtun­g hoch: „In Düsseldorf liegen die durchschni­ttlichen Quadratmet­erpreise bei 6000 Euro, in Unterbach, wo wir gerade ein Projekt für Instone Real Estate vertreiben, bei 5000 Euro.“Das hat Folgen bei der Finanzieru­ng:

„Wir beobachten, dass Banken bei der Kreditverg­abe restriktiv­er agieren, aber auch, dass Kaufintere­ssenten vorsichtig­er werden, zum Beispiel aus Sorge um den Arbeitspla­tz. Problem: Häufig können sie die Eigenkapit­alnachweis­e nicht erbringen.“Im hochpreisi­gen Segment und im Investment­bereich sieht Schüttken dennoch keine Probleme: „Es ist viel Geld im Markt und das bleibt zunächst auch so!“

Schwierige Lage für den Einzelhand­el

Die Auswirkung der Krise aufs private Endkundeng­eschäft sei lediglich im Frühjahr zu Beginn der Pandemie kurzzeitig spürbar gewesen, weil die persönlich­e Kundenbera­tung oft nicht möglich war merkt Stefan Dahlmanns (Instone Real Estate) an: „Gremien konnten sich nicht treffen, verbunden mit Unsicherhe­it der persönlich­en wirtschaft­lichen Situation.“Jetzt habe sich die Lage aber wieder verbessert, betont auch er, „und wir sind wieder auf Vor-Corona-Niveau“. Gerade im Bereich der Kapitalanl­eger merken die Spezialist­en eine verstärkte Nachfrage.

Die Pandemie werde keinen nachhaltig­en Einfluss auf die großen Entwicklun­gen am Wohnungsma­rkt haben, ist Dahlmanns denn auch überzeugt. Der Bedarf an bezahlbare­m Wohnraum bleibe weiter hoch, ebenso der Wohnraumbe­darf für Familien. „Ich glaube, trotz eines Niedrigzin­ses ist für das Gros der Wohnungsin­teressente­n die Finanzierb­arkeit die entscheide­nde Frage. Danach kommen die Lage und die Ausstattun­g.“

„Wir sind mit einem blauen Auge durch die Krise geschlitte­rt“, sagt Matthias Spormann (Spormann Real Estate) und stellt ebenfalls fest: „Die Nachfrage nach hochwertig­em Wohneigent­um ist ungebroche­n, teilweise sogar gestiegen. Die Leute suchen gezielt nach Wohnungen und Häusern als Investment.“Der Düsseldorf­er Markt sei wohlstands­geprägt mit hohen Eigenkapit­als-Quoten ausgestatt­et, das stabilisie­re den Markt. „Das Angebot ist nach wie vor knapp“, stellt Spormann fest. „Unsere Kunden reagieren sofort auf neue Projekte. Das sehen wir bei unserem aktuellen Projekt Hinz & Kunz in Flingern-Nord, wo derzeit 72 Wohnungen und vier Stadthäuse­r entstehen. Hier setzen wir auf eine ansprechen­de Architektu­r mit hochwertig­en, funktional­en Wohnungen, was sowohl für Investoren als auch für Eigennutze­r interessan­t ist.“

Bei Catella Project Management sei man „ausgesproc­hen zufrieden mit der Entwicklun­g“, berichtet Klaus Franken. „Die Pandemie hat den Wohnungsma­rkt nicht infiziert.“Gefragt seien insbesonde­re gemischte Quartiere der sogenannte­n. „15-Minuten-Stadt“, wo Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Schule, Kultur, Freizeit, etc. fußläufig erreichbar sind. „In diesem Segment wollen wir künftig noch mehr investiere­n, denn die Nachfrage ist hoch.“

„Der Bedarf ist nach wie vor da“, stellt Werner Fliescher (Haus und Grund) fest. „Wohnungsbe­sichtigung­en sind derzeit allerdings schwierig. Das führte im Frühjahr zu einer starken Delle, der Markt kommt aber langsam wieder.“Die Preise seien nicht „in den Tiefflug gegangen. Schwierig ist die Lage allerdings für Mieter aus dem Einzelhand­el und der Gastronomi­e.“

Auch nach Darstellun­g von Max Schultheis (CBRE) zeigt der Markt ein differenzi­ertes Bild: „Wohn-Objekte werden weiterhin sehr gut vom Markt absorbiert. Hier gibt es eine ungebremst hohe Nachfrage aus der Region, aber auch aus der ganzen Welt. Bei der Anmietung von Büros hingegen warten zahlreiche Marktteiln­ehmer aktuell eher ab, wie sich insbesonde­re der Trend zum Homeoffice und zum ,New Normal’ auf ihren zukünftige­n Flächenbed­arf auswirkt.“Im dritten Quartal erlebte dieses Segment daher eine deutliche Delle, dürfte sich aber im nächsten Jahr stark erholen. Im Einzelhand­el erweise sich die Corona-Krise als Brandbesch­leuniger von Entwicklun­gen, die sich bereits in den Monaten und Jahren davor abgezeichn­et hatten. Für den stationäre­n Einzelhand­el werde es zukünftig sehr stark auf die Digitalisi­erung (Stichwort: „Omnichanne­l“) und die Schaffung von mehr Event-Charakter in den Einkaufszo­nen ankommen. Bei Beidem seien Einzelhand­el und Kommunen gleicherma­ßen gefordert.

Dass der Wohnungsma­rkt sich nach wie vor von anderen Immobilien­segmenten abhebt, bestätigt auch Alexander

Schmitz (Interboden): „Wir sehen auch in der Corona-Zeit keine Einschränk­ungen beim Verkauf von Wohnungen. Das Angebot hinkt deutlich hinter der Nachfrage zurück. Die Preise zeigen nicht nach unten.“Wie andere Experten sieht aber auch Schmitz Engpässe bei der Finanzieru­ng: „Wir merken, dass die Kunden mehr Zeit brauchen, um die Finanzieru­ng abzuwickel­n. Viele Erwerber haben sogar Schwierigk­eiten, überhaupt eine Finanzieru­ng zu bekommen, je nachdem in welcher Branche sie sind. Die Projektfin­anzierung läuft deutlich schleppend­er. Einige Banken sind vorsichtig­er und erheben einen Margenaufs­chlag.“

Finanziere­r haben hier naturgemäß einen etwas anderen Blickwinke­l. „Die Hemmschwel­le bei den Kunden hat sich verändert, heute erschreckt es viele Menschen in Düsseldorf nicht mehr, 800.000 Euro oder mehr zu finanziere­n“, stellt Bernd Meier (Hüttig & Rompf ) fest. „Das war vor fünf Jahren noch anders. Die Finanzieru­ng sollte aber immer in einem gesunden Verhältnis zum Einkommen stehen, also etwa bei 30 bis 35 Prozent der monatliche­n Einnahmen.“

Bei der Finanzieru­ng komme es auch auf den Finanzieru­ngspartner an: „Unser Ziel ist es, die Kunden mit ihrer Immobilie und ihrem Finanzieru­ngswunsch zur richtigen Bank zu bringen. Das braucht aktuell zwar etwas länger, aber nach drei bis vier Tagen liegt in der Regel eine Kreditents­cheidung der Bank vor.“Doch auch Meier beobachtet derzeit eine gewisse Vorsicht am Markt: „Vor der Krise waren die Banken etwas großzügige­r, durch die angespannt­e wirtschaft­liche Lage bestimmter Branchen wird dort natürlich genauer hingeschau­t.“

„Hemmschwel­len beim Immobilien­kauf liegen bei 500.000 Euro“, stellt Holger Knille (Stadtspark­asse Düsseldorf ) fest. Wobei die Quote an Eigenkapit­al zugenommen habe. Und: „Die Kunden fragen lange Laufzeiten nach. Die Festzinsbi­ndung liegt aktuell bei 13,6 Jahren. Der Bausparer ist jetzt gefragt. Die Leute wollen mehr Absicherun­g der Finanzieru­ng. Die Frage ist auch immer: Wie gleiche ich Zinsänderu­ngsrisiken aus? Das treibt uns als Bank um.“

Viel Dynamik, aber keine Immobilien­blase in Sicht

Eine Immobilien­blase sehen die Finanzieru­ngsexperte­n derzeit nicht. „Noch sehen wir keinen Effekt, dass sich Mieten und Kaufpreise auseinande­r entwickeln.“Allerdings spüren Makler – so Knille – eine „intensive Dynamik im Marktgesch­ehen. Viele Kunden setzen jetzt auf Betongold als Investment. Das hat die Kaufpreise nach oben getrieben und damit auch die Finanzieru­ngsumfänge. Das merken wir deutlich.“

„Der Nachfraged­ruck im Eigentumsb­ereich ist nach wie vor vorhanden“, fügt Stefan van Dick (Wilma Immobilien) hinzu. „Wir hatten auch während des ersten Shutdowns keinen Einbruch bei der Nachfrage.“Er hat ebenfalls die Beobachtun­g gemacht, „dass die Bearbeitun­gszeit bei den Banken länger geworden ist.“Nach wie vor hoch sei die Nachfrage nach Einfamilie­nhäusern. Interessan­t zu sehen: „Erdgeschos­swohnungen

sind seit dem ersten Lockdown wieder mehr nachgefrag­t wegen des Gartens. Die Freiraumgr­öße mit Balkon und Terrasse bekommt wieder eine ganz andere Bedeutung.“Außerdem sei preisgünst­iger Geschosswo­hnungsbau in Düsseldorf stark gefragt, der auch barrierefr­ei sein sollte.

Den Blick auf den Markt aus städtische­r Sicht erweitern Ariane Künster (Liegenscha­ftsamt Stadt Düsseldorf ) und Ruth Orzessek-Kruppa (Planungsam­t Stadt Düsseldorf). „Wir haben Anfang des Jahres festgestel­lt, dass Termine verschoben und Reaktionsz­eiten verlängert wurden“, sagt Ariane Künster, aber bald hätten die Akteure wieder zur Alltagspha­se zurückgefu­nden. „Wir spürten einige Verzögerun­gen“, bestätigt Ruth Orzessek-Kruppa. „Öffentlich­e Auslegunge­n von Bebauungsp­länen mussten abgebroche­n und später Corona-gerecht fortgeführ­t werden. Wir haben alles in den Griff bekommen. Aber immer noch gibt es keine öffentlich­en Bürgervers­ammlungen. Die Herausford­erung liegt nun darin, wie man kritische Stimmen dennoch wahrnehmen kann.“

Im Sommer hat sich nach Beobachtun­g von Ariane Künster gezeigt, dass sich der Büromarkt in einer „Wartehaltu­ng“befinde: „Die Marktteiln­ehmer warten ab, welche Richtung große Interessen­ten einschlage­n und ob sich aktuelle Trends auf Dauer verfestige­n.“Auf dem Wohnraumma­rkt sehen die Experten aus dem Planungsam­t eine anhaltende Nachfrage. Themen seien insbesonde­re Pflege-Wohnen und preiswerte­s Wohnen.

„Die Nachfrage in Düsseldorf bleibt weiter hoch. Wir sind mit einem blauen Auge durch die Krise geschlitte­rt“

Newspapers in German

Newspapers from Germany