Wie werden die Immobilienmärkte nach Corona aussehen? Werden Trends wie Homeoffice die Nachfrage, die Angebote, gar die Struktur der Kommunen verändern? Ein Thema, das Immobilienexperten derzeit intensiv diskutieren. Auch beim virtuellen Roundtable der RP
„Man stellt sich derzeit die Frage: Wie wird Wohnraum künftig gestaltet? Werden zusätzliche Flächen fürs Homeoffice und zusätzliche Angebote für die Kinderbetreuung gebraucht?“Damit lenkt Ariane Künster (Liegenschaftsamt Stadt Düsseldorf) den Blick auf mögliche Konsequenzen des Arbeiten-von-Zuhause-Trends. Ruth Orzessek-Kruppa (Planungsamt Stadt Düsseldorf) bringt die Auswirkungen auf den Handel ins Spiel: „Corona wirkt als Brandbeschleuniger bei Strukturveränderungen, zum Beispiel im Einzelhandel.“Düsseldorf verfolge hier die richtige Einzelhandelspolitik, indem die Stadt Zentren fördert, fügt sie hinzu.
Insbesondere das Wohnen der Zukunft beschäftigt die Marktbeobachter. „Wohnen ist in der Wertigkeit gestiegen, das sah man schon in der Krise am Zulauf zu den Baumärkten“, stellt Klaus Franken (Catella Project Management) fest. „Den Menschen ist die schöne Wohnung wichtig, ebenso ein großer Balkon. Unsere speziellen Angebote zur Kinderbetreuung kommen gut an. Aber auch das Wohnumfeld muss passen. Statt vollgeparkter Straßen wird Begrünung und Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum gefordert.“
„Beim Thema Wohnen stellen wir eine Rückbesinnung auf mehr Häuslichkeit fest“, bestätigt Werner Fliescher (Haus und Grund). „Wir werden daher in Zukunft beim Wohnraum mehr Qualität sehen.“Thomas Schüttken (Böcker Wohnimmobilien) geht davon aus, dass künftig mehr Menschen von zu Hause aus arbeiten werden. „Das stellt Projektentwickler vor neue Herausforderungen: Werden zum Beispiel kleine Räume mit wenigen Quadratmetern fürs Büro eingeplant oder multifunktionale Zimmer?“Interessant könnten nach seiner Ansicht in größeren Projekten auch Gemeinschaftsflächen werden, die zum Beispiel ein kleines Fitnesscenter aufnehmen.
„Die eigene Immobilie ist immer noch die größte Anschaffung im Leben“, merkt Alexander Schmitz (Interboden) an. „Da achten unsere Kunden schon darauf, dass die Qualität im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten stimmt.“Homeoffice mache die Suche nach geeignetem Wohnraum schwieriger, erst recht mit Kindern
und wenn beide Partner zu Hause arbeiten. „Auf die Grundrisse wird sich das nicht wesentlich auswirken. Sonst werden die Wohnungen eine Größe bekommen, die sich kaum jemand leisten kann“, ist Schmitz überzeugt.
„Viele hoffen, dass sie auch künftig mehr im Homeoffice arbeiten können“, fügt Ruth Orzessek-Kruppa vom Planungsamt hinzu. Das mache einem Segment zu schaffen, das gerade boome: „Teure Mikroappartements kommen unter Druck. Wir haben schon länger gewarnt, dass hier am Markt vorbeigeplant worden ist, ebenso bei Hotels.“Klaus Franken sieht Mikroappartements ebenfalls mit einer gewissen Skepsis. „Wer will schon geschrumpft wohnen? Wir müssen anbieten, was die Menschen wirklich möchten – nur dann ist das Investment stabil.“
Werner Fliescher (Haus und Grund) sieht eher das Thema der Gestaltbarkeit insgesamt als relevant an: „Der Bedarf an flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten nimmt zu. Situationen ändern sich plötzlich und häufig. Sowohl Wohnraum wie auch gewerbliche Flächen mit flexiblen Wänden sind daher gefragt.“„Man muss sich in beiden Welten wohlfühlen“, sagt Ariane Künster.
„Im Homeoffice brauchen Mitarbeiter Unterstützung, im Büro ist künftig ansprechend gestalteter Platz für Mitarbeiter notwendig.“Damit richtet sich der Fokus auch auf Gewerbeimmobilien. „Die Arbeitswelt wird sich verändern, neue Bürokonzepte werden entstehen“, sagt Ruth Orzessek-Kruppa. „Dagegen kommen alte Immobilien, die man nicht umgestalten kann, unter Druck.“
Die Themen rund um moderne und qualitätsvolle Wohn- und Arbeitswelten werden die Zukunft prägen, ist Max Schultheis (CBRE) in diesem Zusammenhang überzeugt. Hier sieht er nachhaltige, mischgenutzte und innovative Quartiere als Lösung für die sich rasch ändernden Anforderungen. „Wenn es uns gelingt, attraktives urbanes Wohnen und Arbeiten enger mit guter Nahversorgung, Kitas, Schulen und innovativen Mobilitätsund Freizeitangeboten zu verknüpfen, haben wir viel gewonnen.“
Beim Flächenbedarf in den Büros sieht Max Schultheis ein Zusammenspiel aus Bewegung und Gegenbewegung: „Derzeit werden viele Aktivitäten aus dem Büro ins Homeoffice verlegt – dadurch werden vorübergehend weniger Flächen benötigt. Andererseits sehnen sich viele Mitarbeiter zurück zu der Gemeinsamkeit im Büro. Sie suchen die Arbeit im Team, den persönlichen Austausch, die Inspiration und die Identifikation mit dem Unternehmen – bei mehr räumlicher Distanz als bisher.“Das Büro der Zukunft brauche daher neue Qualitäten, mehr Raum für Flexibilität und Kollaboration. Dies führe zur Gegenbewegung, die den .Flächenbedarf mittelfristig wieder nivelliere.
Geht der Trend in Richtung Homeoffice oder zurück ins Büro? Oder werden sich beide Arbeitsweisen halten? Das fragt sich auch Ariane Künster vom Liegenschaftsamt. „Für viele ist der Austausch im Büro wichtig, auch um ihre Karriere aufzubauen. Daher sind die Konzepte zukunftsfähig, die auf beide Trends reagieren können. Flexibilität ist gefragt.“Aber selbst wenn mehr Menschen zu Hause arbeiten, werden Büroflächen insgesamt nicht geringer ausfallen, merkt Thomas Schüttken (Böcker Wohnimmobilien) an. „Es werden wohl weniger Mitarbeiter präsent sein, aber mehr Raum benötigt.“
Davon geht auch Matthias Spormann (Spormann Real Estate) aus: „Durch Homeoffice wird zwar der Aufenthalt in der Bürofläche seltener, aber die Menschen werden trotzdem in die Büros zurückkehren. Das Büro wird nach Corona nicht abgeschafft.“
Damit verblasst eine Frage, die zuletzt immer wieder gestellt wurde: Kann man Büroraum nicht in Wohnfläche umwandeln, die so dringend gebraucht wird? „Es gibt noch viele Bürostandorte aus den 70er und 80er Jahren, die durchaus spannende Flächenpotenziale bergen“, erklärt Stefan Dahlmanns (Instone Real Estate). „Allerdings ist die Umnutzung
für den Wohnungsmarkt nicht immer einfach.“
„Wir werden einen Flächenrückgang erleben“, prognostiziert Alexander Schmitz (Interboden). „Aber er wird nicht dramatisch ausfallen. Das Arbeiten wird sicher auch neu organisiert werden, auch was den Austausch der Mitarbeiter angeht.“Als spannend erachtet er die Frage: Was passiert mit dem Handel und mit den Innenstädten im Hinblick auf die Handelsflächen, die durch Online-Handel nicht mehr genutzt werden? „Damit werden sich die Städte beschäftigen müssen.“
Büronachfrage werde es immer geben, ist Stefan van Dick (Wilma Immobilien) überzeugt. „Gefragt sein wird ein Mix von Nutzungsformen, Büroflächen und Wohnen.“Ob das günstiger ist als ein Neubau, müsse man aber hinterfragen. Pflege oder betreutes Wohnen könnte man sicher gut in Bürogebäuden realisieren. „Wir brauchen mehr Nachverdichtung und auch smarte, intelligente Lösungen für Gewerbeimmobilien“, sagt Holger Knille (Stadtsparkasse Düsseldorf). „Denkbar ist auch ein Mix aus Wohnen und Arbeiten.“Er hebt hervor: Der Einzelhandel müsse sich neu erfinden.
Zumindest innerstädtisch bleibt aber Wohnen weiter unter Druck. Viele Menschen werden es kaum finanzieren können, befürchtet Bernd Meier (Hüttig&Rompf).„DieFinanzierung muss in die Lebenssituation passen. Vor 20 Jahren hat man für den Rest seines Lebens gekauft. Da hat sich die Einstellung geändert. Heute will man sich nicht mehr für die nächsten 30 Jahre an einen Ort binden.“
Ein Thema wird die Zukunft noch intensiver beeinflussen als bislang: die energetische Gestaltung der Immobilie. Hier werde sich noch viel tun, betont Werner Fliescher (Haus und Grund). „Die CO2-Bepreisung ist in der Immobilienwirtschaft noch nicht so richtig angekommen“, sagt Klaus Franken (Catella). Die „zweite Miete“, also die Nebenkosten, werde steigen. „Wir legen daher darauf Wert, neue Energiekonzepte zu entwickeln, um die Mieter vor dem Anstieg der Nebenkosten zu schützen.“Bei Konzeptausschreibungen spiele das Thema Energie schon seit Jahren eine große Rolle, fügt Ariane Künster vom Liegenschaftsamt hinzu. „Energetische Standards werden auch künftig wichtig sein.“