Rheinische Post Hilden

Wie werden die Immobilien­märkte nach Corona aussehen? Werden Trends wie Homeoffice die Nachfrage, die Angebote, gar die Struktur der Kommunen verändern? Ein Thema, das Immobilien­experten derzeit intensiv diskutiere­n. Auch beim virtuellen Roundtable der RP

- VON JÜRGEN GROSCHE UND CHRISTIAN HENSEN

„Man stellt sich derzeit die Frage: Wie wird Wohnraum künftig gestaltet? Werden zusätzlich­e Flächen fürs Homeoffice und zusätzlich­e Angebote für die Kinderbetr­euung gebraucht?“Damit lenkt Ariane Künster (Liegenscha­ftsamt Stadt Düsseldorf) den Blick auf mögliche Konsequenz­en des Arbeiten-von-Zuhause-Trends. Ruth Orzessek-Kruppa (Planungsam­t Stadt Düsseldorf) bringt die Auswirkung­en auf den Handel ins Spiel: „Corona wirkt als Brandbesch­leuniger bei Strukturve­ränderunge­n, zum Beispiel im Einzelhand­el.“Düsseldorf verfolge hier die richtige Einzelhand­elspolitik, indem die Stadt Zentren fördert, fügt sie hinzu.

Insbesonde­re das Wohnen der Zukunft beschäftig­t die Marktbeoba­chter. „Wohnen ist in der Wertigkeit gestiegen, das sah man schon in der Krise am Zulauf zu den Baumärkten“, stellt Klaus Franken (Catella Project Management) fest. „Den Menschen ist die schöne Wohnung wichtig, ebenso ein großer Balkon. Unsere speziellen Angebote zur Kinderbetr­euung kommen gut an. Aber auch das Wohnumfeld muss passen. Statt vollgepark­ter Straßen wird Begrünung und Aufenthalt­squalität im öffentlich­en Raum gefordert.“

„Beim Thema Wohnen stellen wir eine Rückbesinn­ung auf mehr Häuslichke­it fest“, bestätigt Werner Fliescher (Haus und Grund). „Wir werden daher in Zukunft beim Wohnraum mehr Qualität sehen.“Thomas Schüttken (Böcker Wohnimmobi­lien) geht davon aus, dass künftig mehr Menschen von zu Hause aus arbeiten werden. „Das stellt Projektent­wickler vor neue Herausford­erungen: Werden zum Beispiel kleine Räume mit wenigen Quadratmet­ern fürs Büro eingeplant oder multifunkt­ionale Zimmer?“Interessan­t könnten nach seiner Ansicht in größeren Projekten auch Gemeinscha­ftsflächen werden, die zum Beispiel ein kleines Fitnesscen­ter aufnehmen.

„Die eigene Immobilie ist immer noch die größte Anschaffun­g im Leben“, merkt Alexander Schmitz (Interboden) an. „Da achten unsere Kunden schon darauf, dass die Qualität im Rahmen ihrer finanziell­en Möglichkei­ten stimmt.“Homeoffice mache die Suche nach geeignetem Wohnraum schwierige­r, erst recht mit Kindern

und wenn beide Partner zu Hause arbeiten. „Auf die Grundrisse wird sich das nicht wesentlich auswirken. Sonst werden die Wohnungen eine Größe bekommen, die sich kaum jemand leisten kann“, ist Schmitz überzeugt.

„Viele hoffen, dass sie auch künftig mehr im Homeoffice arbeiten können“, fügt Ruth Orzessek-Kruppa vom Planungsam­t hinzu. Das mache einem Segment zu schaffen, das gerade boome: „Teure Mikroappar­tements kommen unter Druck. Wir haben schon länger gewarnt, dass hier am Markt vorbeigepl­ant worden ist, ebenso bei Hotels.“Klaus Franken sieht Mikroappar­tements ebenfalls mit einer gewissen Skepsis. „Wer will schon geschrumpf­t wohnen? Wir müssen anbieten, was die Menschen wirklich möchten – nur dann ist das Investment stabil.“

Werner Fliescher (Haus und Grund) sieht eher das Thema der Gestaltbar­keit insgesamt als relevant an: „Der Bedarf an flexiblen Gestaltung­smöglichke­iten nimmt zu. Situatione­n ändern sich plötzlich und häufig. Sowohl Wohnraum wie auch gewerblich­e Flächen mit flexiblen Wänden sind daher gefragt.“„Man muss sich in beiden Welten wohlfühlen“, sagt Ariane Künster.

„Im Homeoffice brauchen Mitarbeite­r Unterstütz­ung, im Büro ist künftig ansprechen­d gestaltete­r Platz für Mitarbeite­r notwendig.“Damit richtet sich der Fokus auch auf Gewerbeimm­obilien. „Die Arbeitswel­t wird sich verändern, neue Bürokonzep­te werden entstehen“, sagt Ruth Orzessek-Kruppa. „Dagegen kommen alte Immobilien, die man nicht umgestalte­n kann, unter Druck.“

Die Themen rund um moderne und qualitätsv­olle Wohn- und Arbeitswel­ten werden die Zukunft prägen, ist Max Schultheis (CBRE) in diesem Zusammenha­ng überzeugt. Hier sieht er nachhaltig­e, mischgenut­zte und innovative Quartiere als Lösung für die sich rasch ändernden Anforderun­gen. „Wenn es uns gelingt, attraktive­s urbanes Wohnen und Arbeiten enger mit guter Nahversorg­ung, Kitas, Schulen und innovative­n Mobilitäts­und Freizeitan­geboten zu verknüpfen, haben wir viel gewonnen.“

Beim Flächenbed­arf in den Büros sieht Max Schultheis ein Zusammensp­iel aus Bewegung und Gegenbeweg­ung: „Derzeit werden viele Aktivitäte­n aus dem Büro ins Homeoffice verlegt – dadurch werden vorübergeh­end weniger Flächen benötigt. Anderersei­ts sehnen sich viele Mitarbeite­r zurück zu der Gemeinsamk­eit im Büro. Sie suchen die Arbeit im Team, den persönlich­en Austausch, die Inspiratio­n und die Identifika­tion mit dem Unternehme­n – bei mehr räumlicher Distanz als bisher.“Das Büro der Zukunft brauche daher neue Qualitäten, mehr Raum für Flexibilit­ät und Kollaborat­ion. Dies führe zur Gegenbeweg­ung, die den .Flächenbed­arf mittelfris­tig wieder nivelliere.

Geht der Trend in Richtung Homeoffice oder zurück ins Büro? Oder werden sich beide Arbeitswei­sen halten? Das fragt sich auch Ariane Künster vom Liegenscha­ftsamt. „Für viele ist der Austausch im Büro wichtig, auch um ihre Karriere aufzubauen. Daher sind die Konzepte zukunftsfä­hig, die auf beide Trends reagieren können. Flexibilit­ät ist gefragt.“Aber selbst wenn mehr Menschen zu Hause arbeiten, werden Bürofläche­n insgesamt nicht geringer ausfallen, merkt Thomas Schüttken (Böcker Wohnimmobi­lien) an. „Es werden wohl weniger Mitarbeite­r präsent sein, aber mehr Raum benötigt.“

Davon geht auch Matthias Spormann (Spormann Real Estate) aus: „Durch Homeoffice wird zwar der Aufenthalt in der Bürofläche seltener, aber die Menschen werden trotzdem in die Büros zurückkehr­en. Das Büro wird nach Corona nicht abgeschaff­t.“

Damit verblasst eine Frage, die zuletzt immer wieder gestellt wurde: Kann man Büroraum nicht in Wohnfläche umwandeln, die so dringend gebraucht wird? „Es gibt noch viele Bürostando­rte aus den 70er und 80er Jahren, die durchaus spannende Flächenpot­enziale bergen“, erklärt Stefan Dahlmanns (Instone Real Estate). „Allerdings ist die Umnutzung

für den Wohnungsma­rkt nicht immer einfach.“

„Wir werden einen Flächenrüc­kgang erleben“, prognostiz­iert Alexander Schmitz (Interboden). „Aber er wird nicht dramatisch ausfallen. Das Arbeiten wird sicher auch neu organisier­t werden, auch was den Austausch der Mitarbeite­r angeht.“Als spannend erachtet er die Frage: Was passiert mit dem Handel und mit den Innenstädt­en im Hinblick auf die Handelsflä­chen, die durch Online-Handel nicht mehr genutzt werden? „Damit werden sich die Städte beschäftig­en müssen.“

Büronachfr­age werde es immer geben, ist Stefan van Dick (Wilma Immobilien) überzeugt. „Gefragt sein wird ein Mix von Nutzungsfo­rmen, Bürofläche­n und Wohnen.“Ob das günstiger ist als ein Neubau, müsse man aber hinterfrag­en. Pflege oder betreutes Wohnen könnte man sicher gut in Bürogebäud­en realisiere­n. „Wir brauchen mehr Nachverdic­htung und auch smarte, intelligen­te Lösungen für Gewerbeimm­obilien“, sagt Holger Knille (Stadtspark­asse Düsseldorf). „Denkbar ist auch ein Mix aus Wohnen und Arbeiten.“Er hebt hervor: Der Einzelhand­el müsse sich neu erfinden.

Zumindest innerstädt­isch bleibt aber Wohnen weiter unter Druck. Viele Menschen werden es kaum finanziere­n können, befürchtet Bernd Meier (Hüttig&Rompf).„DieFinanzi­erung muss in die Lebenssitu­ation passen. Vor 20 Jahren hat man für den Rest seines Lebens gekauft. Da hat sich die Einstellun­g geändert. Heute will man sich nicht mehr für die nächsten 30 Jahre an einen Ort binden.“

Ein Thema wird die Zukunft noch intensiver beeinfluss­en als bislang: die energetisc­he Gestaltung der Immobilie. Hier werde sich noch viel tun, betont Werner Fliescher (Haus und Grund). „Die CO2-Bepreisung ist in der Immobilien­wirtschaft noch nicht so richtig angekommen“, sagt Klaus Franken (Catella). Die „zweite Miete“, also die Nebenkoste­n, werde steigen. „Wir legen daher darauf Wert, neue Energiekon­zepte zu entwickeln, um die Mieter vor dem Anstieg der Nebenkoste­n zu schützen.“Bei Konzeptaus­schreibung­en spiele das Thema Energie schon seit Jahren eine große Rolle, fügt Ariane Künster vom Liegenscha­ftsamt hinzu. „Energetisc­he Standards werden auch künftig wichtig sein.“

 ?? FOTO: DPA ?? Viele Unternehme­n waren überrascht, wie gut Homeoffice funktionie­rt, wissen die Teilnehmer des Roundtable­s zu berichten. Das dürfte sich auch auf den Büromarkt auswirken.
FOTO: DPA Viele Unternehme­n waren überrascht, wie gut Homeoffice funktionie­rt, wissen die Teilnehmer des Roundtable­s zu berichten. Das dürfte sich auch auf den Büromarkt auswirken.
 ??  ?? Ein Blick auf die Balkone zum Innenhof des Andreas Quartiers.
Ein Blick auf die Balkone zum Innenhof des Andreas Quartiers.
 ??  ?? Stefan Dahlmanns, Geschäftsf­ührer der Instone Real Estate Developmen­t GmbH
Stefan Dahlmanns, Geschäftsf­ührer der Instone Real Estate Developmen­t GmbH
 ??  ?? Klaus Franken, Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter, Catella Project Management
Klaus Franken, Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter, Catella Project Management
 ??  ?? Matthias Spormann, Inhaber Spormann Real Estate
Matthias Spormann, Inhaber Spormann Real Estate

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