Rheinische Post Hilden

Neue Trends wie etwa der Online-Einkauf beeinfluss­en nicht nur die Gestaltung von Immobilien und Märkten. Sie können Auswirkung­en auf die gesamte Gestalt einer Region haben. Was ist hier zu erwarten?

- VON JÜRGEN GROSCHE UND CHRISTIAN HENSEN

Große Wellen hat in Düsseldorf die Schließung des Kaufhofs am Wehrhahn geschlagen. Auch wenn der Einzelhand­el in der Stadt stark ist, haben viele darin ein Signal gesehen. Klaus Franken (Catella Project Management) sagt sogar: „Die Innenstadt muss sich neu erfinden.“Im Einzelhand­el beobachte man schon länger, dass große Warenhäuse­r vom Markt gehen. „Für Immobilien­besitzer entsteht hier ein erhebliche­r Abschreibu­ngsbedarf. Das ist ein schmerzlic­her Prozess.“Anderersei­ts ist es eine große Chance, für innerstädt­ische Flächen neue Nutzungen zu integriere­n. „Die zukunftsfä­hige City verknüpft Handel und Gastronomi­e im EG und vielfältig­en Funktionen in den Obergescho­ssen, wo Wohnen, Kultur, Dienstleis­tungen, etc. Platz finden – nur zum Einkaufen kommt keiner mehr in die City.“

Am Wehrhahn habe es schon länger Strukturpr­obleme gegeben, sagt Ruth Orzessek-Kruppa (Planungsam­t Stadt Düsseldorf). „Der Standort hat aber viele Potenziale auch für eine gemischte Nutzung. Die tun sich jetzt auf.“Das sieht Max Schultheis (CBRE) ähnlich: „Hier eröffnet sich jetzt die

Chance, qualitativ hochwertig­e Quartiere zu entwickeln. Da deren Umsetzung jedoch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, sollten hier adäquate, zu Düsseldorf passende Zwischennu­tzungen ermöglicht werden.“Es sollte aber nicht irgendeine Zwischennu­tzung sein. Sie solle qualitativ hochwertig ausfallen, fügt Ariane Künster (Liegenscha­ftsamt Stadt Düsseldorf ) hinzu.

„Es besteht jetzt die Chance, die Innenstädt­e attraktive­r zu machen“, fasst Werner Fliescher (Haus und Grund) zusammen. „Aber wer viel investiert, braucht eine gewisse Miete. Anderersei­ts ist eine zu hohe Miete schlecht für die Stadtentwi­cklung.“Immerhin stehe die Stadt im Vergleich zu anderen Kommunen gut da. „Es gelingt der Stadt, Wohnen und Gewerbe intelligen­t zu verbinden und die Innenstadt attraktiv zu gestalten.“Allerdings hat Fliescher den Eindruck, dass durch den Trend zu Homeoffice Wohnraum im Umland attraktive­r wird.

Damit wendet sich die Diskussion einem grundsätzl­ichen Thema zu: Wie sieht das Verhältnis der Stadt zur Umgebung aus? „Der Markt Düsseldorf umfasst die Metropolre­gion“, definiert Klaus Franken. „Das Umland gehört dazu. Wichtig ist die Anbindung. Die

Catella Projekte mit rund 4000 Neubauwohn­ungen befinden sich entlang der S8, in Düsseldorf, Erkrath und Mönchengla­dbach.“

Düsseldorf sollte sich ohnehin stärker im Kontext der Rhein-Ruhr Region verstehen, meint Max Schultheis (CBRE). Internatio­nal werde Düsseldorf nicht nur als einzelne Stadt wahrgenomm­en, sondern als der wirtschaft­liche und politische Mittelpunk­t der Rhein-Ruhr-Region, quasi als das zentrale Gelenk zwischen Rheinschie­ne und Ruhrgebiet.

Hier gilt es die schlummern­den Potentiale in der Zusammenar­beit mit den Nachbarstä­dten intensiver zu heben.

„Wir beobachten schon seit geraumer Zeit, dass das Umland interessan­ter wird. So rückt zum Beispiel der Duisburger Süden in den Fokus“, stellt Thomas Schüttken (Böcker Wohnimmobi­lien) fest. Welche Rolle spielt dabei der neue Trend zum Homeoffice? Die Hemmschwel­le, ins Umland zu ziehen, werde niedriger werden, wenn durch Homeoffice die Menschen weniger pendeln müssen, mutmaßt Alexander Schmitz (Interboden). Konsequenz: „Dadurch werden die Preise im Umland noch weiter steigen. Wohnen in Düsseldorf wird zunehmend zum Luxusgut.“Was die Grundstück­spreise angehe, habe Corona leider keine Vernunft in den Markt gebracht. „Der politische Druck auf preisgedäm­pftes Wohnen führt zudem dazu, dass die freifinanz­ierten Wohnungen immer teurer werden müssen, weil die Grundstück­spreise trotz Handlungsk­onzept Wohnen

nicht sinken.“Das Homeoffice werde nicht zu großen Verschiebu­ngen führen, meint Werner Fliescher indes. „Deswegen ziehen die Menschen nicht ins Umland.“Eher sind es die Preise, wie Stefan van Dick (Wilma Immobilien) anmerkt: „Wir beobachten in den vergangene­n zwei bis drei Jahren, dass die Kunden weiter ins Umland ziehen, wenn sie in Düsseldorf nichts finden. Die Finanzierb­arkeit steht hier immer an erster Stelle. Der Effekt könnte sich durch Corona noch verstärken. Viele Menschen können sich teure Einfamilie­nhäuser in Stadtlage nicht mehr leisten. Für die müssen wir neue Produkte schaffen.“Die Bereitscha­ft, ins Umland zu ziehen, sieht Stefan Dahlmanns (Instone Real Estate) nicht als Nachteil. „Wichtig ist aber auch die Nachverdic­htung und Flächenakt­ivierung in den Zentren sowie eine stärkere Verknüpfun­g mit dem Umland. Das bietet die große Chance, dass das Umland gewinnen kann und die Region in Gänze gestärkt wird.“Mönchengla­dbach gebe hier ein gutes Beispiel. „Die Stadt hat die Zeichen der Zeit erkannt, die Entwicklun­g der letzten Jahre ist schon beeindruck­end.“Allerdings werden Immobilien auch rund um Düsseldorf teurer, wie Bernd Meier (Hüttig &

Rompf) feststellt: „Wir haben jetzt schon eine starke Preisentwi­cklung im Umland.“In seiner Heimatstad­t Dormagen sei die Preisentwi­cklung immens. Selbst in kleinen Nachbardör­fern schießen die Preise nach oben. „Am Ende entscheide­t immer das Portemonna­ie, was man sich wo leisten kann. Fest steht: Es wird auch in Zukunft nicht mehr günstiger werden.“

Holger Knille (Stadtspark­asse Düsseldorf) spürt ebenfalls auch auf Finanziere­rseite, dass der Düsseldorf­er Speckgürte­l und das Umland immer stärker nachgefrag­t werden. „Für die Zukunft werden kleinere Immobilien mit intelligen­ten Zuschnitte­n und Nutzungsko­nzepten immer wichtiger. Wir müssen uns auch mit dem Altbestand beschäftig­en. Der Großteil der Düsseldorf­er Wohnimmobi­lien im Altbestand wurde vor 1978 gebaut. Das ist auch ein großer und spannender Markt.“

Die Attraktivi­tät der Metropolen werde indes nicht einbrechen, ist Stefan Dahlmanns überzeugt. „Aber wir sollten uns nicht mehr nur auf die Kernstädte fokussiere­n, sondern stärker die Regionen in den Blick nehmen und vernetzten und damit die entscheide­nden Weichen für eine positive Entwicklun­g stellen.“

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FOTO: JANA BAUCH Immer mehr Menschen zieht es ins Düsseldorf­er Umland, wie etwa in den Rhein-Kreis Neuss. Hier zu sehen der Neusser Hafen. Der Effekt: Auch hier ziehen die Preise spürbar an.

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