Fünf Impfstoffe, eine Mission
Der Corona-Impfstoff des US-Konzerns Moderna ist der nächste, der in der EU zugelassen wird. Weitere Vakzine befinden sich bereits in der Endphase der Entwicklung. Die Forscher setzen auf zwei unterschiedliche Methoden zur Synthetisierung.
BRÜSSEL Ein Impfstoff-Anbieter für die knapp 450 Millionen Menschen in den Ländern der europäischen Union – man muss kein Mathematiker sein, um zu verstehen, dass dies viel zu wenig ist. Alle Hoffnungen der EU-Staaten richten sich nun auf Brüssel. Dort hat die Europäische Arzneimittelbehörde (Ema) angekündigt, über die Zulassungsempfehlung für den Impfstoff der Firma Moderna zu entscheiden; eine Entscheidung stand am Abend noch aus. Was unterscheidet die Vakzine? Welche könnten bald folgen?
Biontech/Pfizer: BNT 162b2
Das deutsch-amerikanische Unternehmen hat das Rennen um die Erstzulassung gewonnen. Am
21. Dezember hatte es die Ema zur Zulassung empfohlen, seit dem
27. Dezember wird es EU-weit verimpft. Knapp 317.000 Geimpfte meldete das Robert-Koch-Institut bisher (Stand 5. Januar). BNT 162b2 ist ein mRNA-Impfstoff. Er enthält die Bauanleitung für Virus-Antigene (in diesem Fall das Spike-Protein von Sars-CoV-2), die dann in den Zellen des Geimpften gebildet werden. Wichtig zu wissen: Es entstehen keine vollständigen Viren. Die produzierten Virenpartikel aktivieren lediglich die menschliche Abwehr und lösen die gewünschte Immunantwort samt der Bildung von Antikörpern aus.
RNA-Impfstoffe gelten allgemein als sicher und hochwirksam. Für den Herstellungsprozess sind keine Zellkulturen oder toxischen Chemikalien erforderlich. Ihre Synthese kann im Labor relativ unkompliziert erfolgen, sobald das Genom (also die Erbsubstanz) eines Krankheitserregers sequenziert wurde. Ein weiterer Vorteil solcher genbasierter Impfstoffe sind die daher vergleichweise geringen Herstellungskosten.
Der Biontech-Impfstoff wurde in Phase III an rund 43.000 Probanden getestet. Er hat eine extrem hohe Wirksamkeit von 95 Prozent erzielt. Sein Nachteil ist, das er bei extrem kalten Temperaturen von minus 70 Grad gelagert werden muss. Nach dem Auftauen ist er nur einige Tage im Kühlschrank haltbar.Die EU hat sich bis zu 300 Millionen Impfdosen gesichert.
Moderna: mRNA-1273
Der amerikanische Hersteller hat die Vakzine mit dem Namen mRNA1273 gemeinsam mit dem US-National Institute of Allergy and Infectious Diseases entwickelt. In den USA und Kanada wird der Moderna-Stoff bereits verimpft. Es ist ebenfalls ein mRNA-Impfstoff. Seine Wirksamkeit ist mit 94,1 Prozent ähnlich hoch, das ergab die klinische Studie mit rund 30.000 Probanden an 99 US-Zentren. Ähnlich wie beim Biontech-Impfstoff setzte der Schutz etwa zehn Tage nach der ersten Dosis ein, nach der zweiten Dosis verstärkte sich der Effekt. Die Moderna-Vakzine hat einen großen Vorteil: Sie ist einfacher zu lagern als der Biontech-Stoff. Bis zu 30 Tage ist mRNA-1273 bei Kühlschranktemperaturen von zwei bis acht Grad lagerfähig. Wie die Biontech-Vakzine muss auch der Moderna-Impfstoff zweimal gespritzt werden.
Beide mRNA-Impfstoffe zeigten sich bisher als für den Menschen gut verträglich. Bei einem Teil der Probanden traten vorübergehend typische Impf-Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, eine Rötung an der Einstichstelle, Gliederschmerzen oder Müdigkeit auf.
Die EU hat sich per Vertrag im Falle einer Zulassung 160 Millionen Impfdosen gesichert, Deutschland soll davon 50,5 Millionen bekommen.
Astrazeneca: AZD 1222
Das Mittel des britischen Unternehmens hat bisher eine Notfallzulassung in Großbritannien und in Indien. In der EU läuft das sogenannte Verfahren mit „Rolling Review“. Das bedeutet: Während die Phase-III-Studie noch läuft, arbeitet die Ema schon die Ergebnisse der Tierstudien und der Phase-Iund Phase-II-Studien durch. Es ist die letzte Etappe vor dem eigentlichen Zulassungsverfahren.
Bei AZD 1222 handelt es sich um einen Vektorviren-Impfstoff. Das Prinzip, eine Immunantwort durch den Bau von Coronavirus-Antigenen zu provozieren, ist hier ähnlich. Der Unterschied ist, dass ein abgeschwächtes, für den Menschen harmloses Adenovirus als Transporter
( Vektor) für den ebenfalls ungefährlichen Teil der Sars-CoV-2-Erbmasse dient. Das Vektorvirus kann sich nicht in menschlichen Zellen vermehren. Erprobtes Beispiel für einen Vektor-Impfstoff ist etwa die Vakzine gegen Ebola. Eine inzwischen eingeräumte Dosierungspanne des Herstellers offenbarte eine besondere Auffälligkeit bei der Wirkung: In Phase-III-Studien ergab die Verabreichung „erst halbe, dann volle Dosis“mit bis zu 55-jährigen gesunden Teilnehmern eine 90-prozentige Wirksamkeit. Zweimal die volle Dosis, verabreicht an beliebig alte Teilnehmer einschließlich Vorerkrankten, kam nur auf eine 62-prozentige Wirksamkeit.
Ein großer Vorteil dieses Impfstoffes ist die einfache Lagerung im
Kühlschrank. Ein Kritikpunkt ist unter Experten die Tatsache, dass die Vakzine nur an Probanden im Alter unter 55 Jahren getestet wurde. Die Zulassung der EU ist laut Ema „im Januar unwahrscheinlich“. 300 Millionen Dosen habe man sich aber für den Fall der Zulassung bereits gesichert.
Curevac: CVnCoV
Das Tübinger Unternehmen befindet sich in Studien der Phase IIb/III. Es hat ebenfalls einen mRNA-Impfstoff in der Entwicklung, der in ersten Studienphasen ähnlich vielversprechend abgeschnitten hat wie die Vakzinen von Biontech und Moderna. Die EU-Kommission hat sich für den Fall einer Zulassung bereits 405 Millionen Dosen gesichert.
Johnson & Johnson: Ad 26.COV2-S
Der Vektorimpfstoff des Unternehmens Johnson & Johnson ist in den Vereinigten Staaten, Brasilien und einigen anderen Ländern bereits in der klinischen Phase III und zugleich im vorgezogenen Teil-Prüfverfahren der Ema. Die EU hat sich bis zu 200 Millionen Impfdosen gesichert.