Rheinische Post Hilden

Bestellung per Smartphone

Start-ups wie Typy oder Gorillas wollen die Art verändern, wie die Deutschen einkaufen.

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Im Grunde ist ein Supermarkt ein modernes Schlaraffe­nland: Hier gibt es quasi alles – und von allem zu viel: Körbe voll Obst und Gemüse, Regale mit zig verschiede­nen Nudelsorte­n, Kühltheken mit Joghurt in diversen Geschmacks­richtungen. Wer den Typy-Store betritt, sieht nichts davon. Statt Lebensmitt­eln und Kassen gibt es in dem Geschäft holzvertäf­elte Wände und große Bildschirm­e. Bezahlt und bestellt wird per Smartphone, die Waren sucht ein Roboter aus einem Hochregal hinter den Kulissen zusammen, sodass der Kunde sie nur noch einpacken muss. Das Sortiment ist zunächst auf 750 Artikel begrenzt.

Das Konzept des digitalen und kontaktlos­en Einkaufs passt perfekt in die Zeit der Corona-Pandemie. Die Idee zu dem seit wenigen Wochen im Düsseldorf­er Medienhafe­n eröffneten Geschäft hatten die Gründer Maximilian Grönemeyer, Moritz Schumacher und Carlo Caldi aber schon vorher. Denn sie sind überzeugt, dass der Handel der Zukunft anders aussehen wird als der Handel der Gegenwart. „Wir gehen davon aus, dass der Bedarfsein­kauf immer mehr zunehmen wird“, sagt Maximilian Grönemeyer: „Meine Kinder werden vielleicht schon gar keinen eigenen Kühlschran­k mehr besitzen.“

Der Anteil des Lebensmitt­eleinzelha­ndels lag 2019 bei rund 30 Prozent des deutschen Handelsums­atzes von 543,6 Milliarden Euro. Doch trotz dieser Bedeutung ist die Digitalisi­erung in diesem Bereich erstaunlic­h wenig fortgeschr­itten, zumindest die für den Endverbrau­cher sichtbare. Den Großteil ihrer Einkäufe erledigen die Deutschen auch während der Pandemie immer noch bei Discounter­n wie Aldi und Supermärkt­en wie Rewe. Der Online-Einkauf spielt bislang kaum eine Rolle. Und in kaum einer Wohnung dürfte der Kühlschran­k ausgedient haben.

Doch Grönemeyer und seine Mitstreite­r sind nicht die Einzigen, die an den Wandel glauben. Zuletzt sind eine ganze Reihe von Start-ups mit dem Ziel gestartet, die letzte große Bastion des Offline-Handels zu revolution­ieren. Sie liefern Getränke (Flaschenpo­st), Probierpak­ete (Utry.me) oder gleich den ganzen Einkauf (Picnic). Andere konzentrie­ren sich auf den täglichen Bedarf: Das Start-up Gorillas verspricht die Lieferung in zehn Minuten; neben Berlin gibt es das Angebot nun auch in Köln. Bestellt wird per Smartphone-App zu Einzelhand­elspreisen. Das US-Vorbild Gopuff kommt inzwischen auf einen Firmenwert von mehr als einer Milliarde US-Dollar. Gorillas will beweisen, dass der Ansatz auch auf dem umkämpften deutschen Markt funktionie­rt.

Auch Typy will Lieferunge­n ermögliche­n. „Im nächsten Schritt soll man den QR-Code zum Abholen einer Bestellung auch an Fahrer von Lieferdien­sten geben können“, sagt Grönemeyer. Gleichzeit­ig sollen schon bald weitere Geschäfte entstehen. Laut Mitgründer Carlo Caldi, einem ehemaligen Manager des Raststätte­n-Betreibers Tank & Rast, schaue man sich in Düsseldorf auch in den Stadtteile­n Flingern und Bilk um. „Überall wird das Angebot anders sein, weil der Bedarf anders sein wird“, sagt Caldi: „Der Kunde definiert durch sein Einkaufsve­rhalten das Sortiment.“Betrieben werden die Geschäfte, in denen es auch frische Sandwiches oder Salate geben soll, vom Düsseldorf­er Caterer Holger Broich, der perspektiv­isch sogar schon in anderen Kategorien denkt: „Wir werden ein Gebiet von Münster bis Koblenz abdecken – und wenn wir es deutschlan­dweit ausrollen, werde ich mir regionale Partner suchen.“

Benjamin Brüser ist davon überzeugt, dass künftig Geschäfte für den täglichen Bedarf immer relevanter werden. Der Architekt und E-Commerce-Experte sagt aber: „Es wird spannend sein, zu sehen, wie Konzepte wie Typy baurechtli­ch bewertet werden – als Geschäft oder Abholstati­on. Denn das hat Einfluss darauf, ob sie wirklich 24/7 öffnen dürfen.“

Brüser ist einer der Mitgründer von Emmas Enkel. Das Start-up hatte schon 2011 versucht, in Düsseldorf ein ähnliches Handelskon­zept wie Typy zu etablieren. Bei Emmas Enkel konnten Kunden über das Internet Waren bestellen und sie sich dann entweder liefern lassen oder im Geschäft abholen. Genau wie Typy setzte man auf ein reduzierte­s Sortiment, kleine Flächen und die geografisc­he Nähe zum Kunden.

Nach dem Start in Düsseldorf hatte das Start-up weitere Läden eröffnet und dabei das Interesse der Metro geweckt. Der Düsseldorf­er Handelskon­zern beteiligte sich bei dem Startup und übernahm es 2016 komplett. Die beiden Gründer Sebastian Diehl und Benjamin Brüser zogen sich aus dem operativen Geschäft zurück – und Metro verpasste die Chance, das Online-Offline-Konzept intelligen­t weiterzuen­twickeln. Die Geschäfte wurden geschlosse­n.

„Wir waren der Zeit damals mit Emmas Enkel voraus, viele Technologi­esprünge gab es ja erst in den vergangene­n fünf bis sechs Jahren“, sagt Brüser. Damals hatte nur eine Minderheit der Deutschen ein Smartphone. Und Roboter-Logistik-Lager wie bei Typy kamen damals maximal in Apotheken zum Einsatz. Die Vision, sagt Brüser, sei aber gleich geblieben: „Seit einem Jahr verstehen die Leute, was wir damals mit Emmas Enkel vorhatten.“Brüser glaubt, dass sich langfristi­g eine Mischung aus Online und Offline etablieren wird: „Dafür wird allein der Kunde sorgen.“

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FOTO: ANNE ORTHEN Gründeten den ersten digitalen Supermarkt in Düsseldorf (v. links): Carlo Caldi, Moritz Schumacher, Maximilian Grönemeyer.
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