100 Jahre Stadtrecht und ein geliehener Frack
Seit 1921 darf Haan die Bezeichnung Stadt verwenden. Ein erster Anlauf 30 Jahre zuvor war noch gescheitert – trotz hohen Aufwands.
HAAN Es war eine schmucke Abordnung, die sich im Frühsommer des Jahres 1893 auf den beschwerlichen Weg nach Berlin machte, um den erzkonservativen preußischen Innenminister Botho Graf zu Eulenburg gönnerhaft zu stimmen. Brennereibesitzer Wilhelm Hoppenhaus und der Kaufmann Wilhelm Birschel hatten sich für das Gespräch mit dem hohen Staatsdiener sogar Frack und Zylinder geliehen, damit sie ihr Anliegen der Etikette entsprechend vorbringen konnten: Es ging schließlich um nicht mehr und nicht weniger als die Gewährung der Stadtrechte für Haan.
Der Einsatz war ebenso bemerkenswert wie vergeblich. Im ersten Anlauf scheiterte die Gemeinde – Haan sollte noch weitere 30 Jahre warten müssen.
Dabei hatte alles so hoffnungsvoll begonnen: Eine neue Kreisordnung, die 1887 in Kraft trat, gewährte Landgemeinden die Möglichkeit, die Stadtrechte durch königlichen Erlass gewährt zu bekommen; zuvor musste der Provinziallandtag zustimmen. Ermutigt durch diese neue Rechtslage, beantragten 15 Mitglieder des Rates der Spezialgemeinde Haan 1889 die Anerkennung ihres Heimatortes als Stadt.
Erst im Sommer 1890 schickte Bürgermeister Gottwald Hirsch die Bewerbungsunterlagen los. Mitte Oktober 1890 beschloss die Bürgermeisterei-Versammlung der Sammtgemeinde – die Vertreter der Gemeinden Haan, Gruiten, Obgruiten, Millrath und Schöller – dass Haan die Stadtrechte bekommen, aber aus dem Gemeindeverband ausscheiden solle. Die übrigen wollten eine Landgemeinde „Gruiten“
bilden. 1892 erklärte sich der Regierungspräsident mit den Teilungsplänen einverstanden, ein halbes Jahr später segnete auch der Rheinische Provinziallandtag das Ansinnen ab.
Die gerade gegründete „Haaner Volkszeitung“widmete diesem Ereignis eine Extra-Ausgabe. In einem Kommentar wurden allerdings auch einige Schwächen aufgedeckt: Haan hatte nicht nur „theilweise Trottoir“, dem Ort fehlten Rathaus und Bahnhof, eine Güterladestelle an der bedeutenden Bahnlinie Köln-Elberfeld, eine weiterführende Schule, Geburts- und Krankenstation, Telefonnetz, Gas- und Elektrizitätswerk. Die Straßenlaternen wurden noch mit Petroleum betrieben. Im Mai 1893 wurde die Sammtgemeinde geteilt, der eigentliche Haaner Wunsch fand indes keine Berücksichtigung.
Deshalb also reisten Brennereibesitzer Hoppenhaus und Kaufmann Birschel in die Reichshauptstadt, um beim Minister vorzusprechen. Der erklärte den Bittstellern, er habe seiner Majestät dem Kaiser derzeit von einer Stadterhebung abgeraten. Er empfahl aber, die Sache im Auge zu behalten.
Am 12. Mai 1919 beschloss der Stadtrat einstimmig, den Antrag zu erneuern, da sich in drei Jahrzehnten vieles geändert habe; in der Tat war, bis auf das Krankenhaus, alles vorhanden, was 1893 noch gefehlt hatte. Am 12. Februar 1921 verlieh ein ministerieller Erlass denn auch die langersehnte Städteordnung.
Mittlerweile werden alle fünf Jahre aus Anlass dieses Ehrentages Frauen und Männer, die sich um Haan besondere Verdienste erworben haben, mit der Ehrengabe der Stadt ausgezeichnet. Ausgerechnet zum 100-Jährigen funkt die Coronakrise dazwischen. In welcher Form die Preisverleihung stattfindet, wird die Stadt daher erst noch bekanntgeben. Fest steht allerdings schon jetzt: Publikumsintensive Feierlichkeiten dürfte es wohl eher in der zweiten Jahreshälfte geben. Die Zeit bis dahin soll unter anderem für einen Fotowettbewerb genutzt werden.