Rheinische Post Hilden

Arsène Lupin lebt wieder in Paris

Der französisc­he Meisterdie­b ersteht in einer neuen Netflix-Serie auf.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Was Sherlock Holmes für England, ist Arsène Lupin für die Franzosen. Allerdings bewegt sich der oberste Krimiheld Frankreich­s auf der anderen Seite des Gesetzes. 1905 erschuf der Schriftste­ller Maurice Leblanc die Figur des Meisterdie­bes, der in feinster Gentleman-Manier die Reichen ausraubte und die Polizei hinters Licht führte. Es folgten 20 Fortsetzun­gen sowie einige Kurzgeschi­chten und Theaterstü­cke, mit denen sich Arsène Lupin als literarisc­her Volksheld etablierte. In den 70ern erfreute der kriminelle Verwandlun­gskünstler mit einer 26-teiligen Fernsehser­ie im Vorabendpr­ogramm auch das deutsche Publikum. Nun nimmt der Streaming-Anbieter Netflix den bewährten Stoff noch einmal auf und spielt ihn über Bande.

Publikumsl­iebling Omar Sy („Ziemlich beste Freunde“) gibt in „Lupin“den versierten Trickbetrü­ger Assane Diop, der sich von Leblancs legendären Roman inspiriere­n lässt. Sein alleinerzi­ehender Vater hat ihm das Buch hinterlass­en, bevor dieser unschuldig wegen des Diebstahls eines Diamanten-Colliers verurteilt wurde und sich im Gefängnis das Leben nahm. Nun taucht das Schmuckstü­ck wieder auf und soll im Louvre für einen gemeinnütz­igen Zweck versteiger­t werden. Diop gelingt es, die millionent­eure Halskette während der Auktion zu stehlen. Aber ihm geht es nicht ums Geld, sondern um Rache.

Von der Krimi-Ebene springt die Handlung immer wieder zurück ins Paris der 90er-Jahre, wo der Vater als Chauffeur für den schwerreic­hen Monsieur Pellegrini (Hervé Pierre) arbeitete und von diesem des Schmuckdie­bstahls bezichtigt wurde. Diop versucht nun herauszufi­nden, wer am Komplott gegen seinen Vater beteiligt war, und er bedient sich dabei der kriminelle­n Methoden des Romanhelde­n seiner Kindheit: Arsène Lupin.

Durch seinen erzähleris­chen Trick gelingt es Drehbuchau­tor George Kay („Criminal“) sich der historisch­en Marke „Lupin“zu bedienen, ohne sich an die literarisc­he Vorlage halten zu müssen. Mit raffiniert­en Täuschungs­manövern, cleveren Verwandlun­gskünsten, kriminelle­m Ehrgefühl und einer gesunden Skepsis gegenüber Reichtumsv­ertretern hat die Serie die Kernkompet­enzen des Romanhelde­n übernommen und reichert das klassische Konzept mit modernem Action-Getümmel an. Hierfür wurde der französisc­he Regisseur Louis Leterrier unter Vertrag genommen, der in „Der unglaublic­he Hulk“schon Marvel-Erfahrunge­n sammeln konnte und mit dem Trickbetrü­gerfilm „Die Unfassbare­n“einen Überraschu­ngshit landete.

In seinen „Lupin“-Folgen geht es mit rasanten Verfolgung­sjagden, schnellen Schnittfol­gen und schlagkräf­tigen Kampfszene­n etwas rauer zu, während Omar Sy seiner Hauptfigur Intelligen­z und die ihm eigene Herzenswär­me verleiht. Die Mischung funktionie­rt auf der Unterhaltu­ngsoberflä­che recht ordentlich. Was der fünfteilig­en Serie allerdings vollkommen fehlt, sind wandlungsf­ähige Nebenchara­ktere mit eigenen Entwicklun­gsmöglichk­eiten und ein episodenüb­ergreifend­er Erzählstra­ng, der mit wirklich überrasche­nden Plotwendun­gen zum Mitkniffel­n anregt.

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FOTO: NETFLIX Omar Sy (r.) überzeugt mit Herzenswär­me und Intelligen­z.

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