Rheinische Post Hilden

Erzieherin beklagt mangelnde Solidaritä­t der Eltern

In den Kitas wird der Betreuungs­umfang ab heute reduziert. Erzieher beklagen, dass viele sich nicht daran halten und fühlen sich nicht ernst genommen.

- VON MARLEN KESS

DÜSSELDORF Eigentlich liebt Christina S. (Name geändert) ihren Beruf als Erzieherin – doch derzeit geht sie nicht gerne zur Arbeit in einer Düsseldorf­er U3-Kita. Der Grund: Trotz hoher Corona-Infektions­zahlen lassen viele Eltern ihre Kinder trotzdem in der Kita betreuen. „An die Appelle, das Kind zu Hause zu betreuen, wenn es möglich ist, halten sich viel zu wenige Eltern“, sagt S. Sie ist aufgebrach­t und besorgt. „Viele meiner Kollegen sind Risikopati­enten und können nicht eingesetzt werden“, sagt sie, „und trotzdem kommen bis zu 70 Prozent der Kinder.“

Sie und ihre Kolleginne­n fühlen sich nicht ernst genommen. Schon oft hätten sie versucht, mit den Eltern zu sprechen – bisher ohne Erfolg. „Man hat das Gefühl, manche nutzen die Situation aus“, sagt sie, „sie bringen ihre Kinder später, um auszuschla­fen.“Oft komme es auch vor, dass das jüngere Kind gebracht werde, obwohl ein älteres zu Hause betreut werde. „Dafür fehlt mir völlig das Verständni­s“, sagt S.

Am Freitag hat sie ihrem Ärger in der Düsseldorf­er Facebook-Gruppe „Nettwerk“Luft gemacht. Dazu postete sie den Link zu einer Petition, in der NRW-Familienmi­nister

Joachim Stamp (FDP) aufgeforde­rt wird, die Kitas ähnlich wie im vergangene­n Frühjahr zu schließen und eine Notbetreuu­ng nur für Eltern anzubieten, die in systemrele­vanten Berufen arbeiten. „In anderen Bundesländ­ern ist das auch jetzt so – und mit den klaren Regeln hat das im Frühjahr auch sehr gut funktionie­rt“, sagt S. Sie verstehe nicht, dass bei der Corona-Lage so viel Spielraum für individuel­le Entscheidu­ngen bleibe. „Das sorgt für enorm viel Frust und große Verunsiche­rung in den Kitas.“

Auch Stefanie Walther, die bei der Diakonie den Geschäftsb­ereich Bildung und Erziehung leitet und für die 48 Kitas des Trägers in Düsseldorf verantwort­lich ist, sagt: „Die Sorge in den Kitas, wie ernst die Eltern die Lage nehmen, ist da. Am Freitag habe sie einen Brief an alle Eltern geschickt und den Appell der Landesregi­erung, die Kinder wenn möglich zu Hause zu betreuen, unterstric­hen.

Vor den Weihnachts­ferien seien von rund 3000 Kindern etwa 650 in den Kitas betreut worden, am Freitag sei diese Zahl aber bereits gestiegen. Wie viele Kinder am heutigen Montag kommen, sei aber noch unklar. „Ich hoffe darauf, dass die Eltern das auch im Sinne des guten

Miteinande­rs ernst nehmen“, sagt Walther.

„Leider müssen wir feststelle­n, dass die Praxis eines solidarisc­hen und verantwort­ungsvollen Handelns an dieser Stelle scheitert“, heißt es hingegen in der Petition. Bis Sonntagabe­nd hatten diese schon mehr als 1600 Menschen unterzeich­net.

In den städtische­n Kitas werden derzeit etwa 25 Prozent der Kinder vor Ort betreut, heißt es auf Anfrage von der Stadt. Es gebe aber Schwankung­en zwischen den einzelnen Kitas und Stadtteile­n – und man rechne damit, dass sich diese Quote in der kommenden Woche erhöht, so eine Sprecherin. Gleichwohl sei es nicht möglich und von Seiten der Stadt auch nicht geboten zu beurteilen, ob und wer die Angebote sorglos in Anspruch nehme. „Jede Ausnahmesi­tuation bringt mit sich, dass Menschen unterschie­dlich damit umgehen.“

Gleichwohl appelliert die Stadt „eindringli­ch, da wo es möglich ist, eine Betreuung zu Hause zu gewährleis­ten.“So werde ein wichtiger Beitrag zur Eindämmung des Infektions­geschehens geleistet. Aus Sicht des Jugendamt ist die fortgeführ­te Betreuung auch von Kindern, deren Eltern nicht in systemrele­vanten Berufen arbeiten, allerdings durchaus zu begrüßen.

Im Frühjahr seien Kinder aus belasteten Familien und Familien in Krisen unberücksi­chtigt geblieben, jetzt könnten diese betreut werden. „So kann auch Kindeswohl­gefährdung­en begegnet werden“, sagt die Sprecherin. Das Kita-Personal sei sogar angehalten, Eltern anzusprech­en, die sich in einer schwierige­n Lage befinden – um diese davon zu überzeugen, ihre Kinder in die Betreuung zu bringen: „Damit wird eine Balance hergestell­t zwischen der Bekämpfung der Pandemie und der gleichzeit­igen Berücksich­tigung des Kindeswohl­s.“

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Kinder spielen in einer Kindertage­sstätte (Symbolbild).

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