Der NRW-Ministerpräsident ist nun auch CDU-Chef. Gewerkschafter und Opposition befürchten, dass die neue Doppelrolle zulasten der Pandemiebekämpfung gehen könnte.
DÜSSELDORF/BERLIN Nach der Wahl von Armin Laschet zum Bundesvorsitzenden der CDU mehren sich in Nordrhein-Westfalen kritische Stimmen angesichts der drohenden Doppelbelastung. Die Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Anja Weber, warnte, in NRW gebe es gerade unter Pandemie-Bedingungen zahlreiche politische Baustellen, auf die sich der Ministerpräsident konzentrieren müsse. „Wir erwarten daher von Armin Laschet, dass er seine Aufgaben in Nordrhein-Westfalen nicht vernachlässigt, sondern mit hundertprozentigem Einsatz fortführt“, so Weber. Auch die Grünen-Fraktionsund Parteispitze hatte zu einem „vollen Engagement für unser Bundesland“aufgefordert.
Laschet hatte sich in der Stichwahl beim digitalen Bundesparteitag mit 521 Stimmen gegen Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz durchgesetzt. Der Sauerländer kam auf 466 Stimmen. Merz hatte nach der Wahl für erhebliche Irritationen auch in den eigenen Reihen gesorgt, weil er zwar einen Sitz im Präsidium der Partei ausschlug, sich jedoch für den Posten des Wirtschaftsministers in der amtierenden Bundesregierung empfahl. Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ ihren Sprecher umgehend erklären, dass das nicht infrage komme. Und auch Laschet winkte im Interview mit der ARD ab.
Die Opposition in NRW vermutet allerdings, dass sich ein innerparteilicher Graben auftun könnte: „Die Frage des Parteivorsitzes ist entschieden. Mit Blick auf das Wahlergebnis lässt sich das über den Richtungsstreit in der Partei aber nicht sagen. Der innerparteiliche Zwist geht weiter“, warnte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty. Davon zeuge schon allein das schlechteste Ergebnis aller Stellvertreter für Laschets Teammitglied Jens Spahn. „Die CDU zu einen, erfordert deshalb die volle Kraft des neuen Bundesvorsitzenden. Als Ministerpräsident hat Armin Laschet aber schon in NRW einen Full-TimeJob – wie soll das alles funktionieren?“Es dürfe jedenfalls nicht passieren, dass Termine und Aufgaben in Berlin zulasten von NRW gingen. „Das Vertrauen der Menschen in die
Landesregierung ist schon jetzt das schlechteste unter allen Bundesländern. Wie soll es bei dieser Mehrfach-Belastung besser werden?“
Vizeministerpräsident Joachim Stamp (FDP) bezeichnete die Kritik als „Unsinn“: „Hätte Laschet nicht kandidiert oder verloren, hätten doch dieselben Leute gesagt, der Landesregierung fehle es an Einfluss in Berlin.“Die Konzentration gelte weiterhin in erster Linie der Pandemiebekämpfung. „Darüber herrscht zwischen Armin Laschet
und mir völlige Einigkeit“, so Stamp. NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst verwies darauf, dass auch die Bundeskanzlerin jahrelang Parteivorsitzende gewesen sei. „Und in der Corona-Pandemie haben wir alle gelernt, dass man nicht ständig reisen und Zeit verlieren muss: Man kann eben auch vieles sehr gut per Videokonferenz machen“, sagte Wüst. Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) sagte, es gebe viele Beispiele, gerade von Sozialdemokraten, wie das gut gelungen sei. „Im Gegenteil: Für Nordrhein-Westfalen stärkt diese Position weiter das bundespolitische Gewicht.“
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat sich derweilen vom Angebot von Friedrich Merz, ihn als Wirtschaftsminister abzulösen, unbeeindruckt gezeigt. „Die Kanzlerin und der neue Vorsitzende haben dazu das Ihrige gesagt, und das sind auch diejenigen, die über solche Fragen zu entscheiden hätten. Ich mache meine Arbeit, denn die Unternehmen, von denen viele in dieser Corona-Krise gerade um ihre Existenz kämpfen, zählen auf uns“, sagte Altmaier unserer Redaktion. „Wir müssen dafür sorgen, dass die deutsche Volkswirtschaft und die Unternehmen ihre Stärke behalten – und bislang gelingt uns das recht gut.“Auf die Frage, wie man Merz und seine Anhänger denn einbinden könne, sagte Altmaier: „Ich war und bin davon überzeugt, dass in der CDU Platz für unterschiedliche Charaktere und Persönlichkeiten ist. Außerdem ist Integration besser als Spaltung.“
Ähnlich äußerte sich NRW-Finanzminister Lienenkämper: „Armin Laschet hat Samstag bereits angekündigt, die Anhänger von Friedrich Merz in die Arbeit der Volkspartei CDU einzubinden.“Wichtige Vertreter wie Carsten Linnemann hätten dieses Angebot sofort angenommen. „Ich würde mir wünschen, dass Friedrich Merz mit ein bisschen Abstand zum gestrigen Tag in den anstehenden Gesprächen mit Armin Laschet auch für eine Rolle in der CDU bereit sein wird, die zusammenführt und niemanden ausgegrenzt.“Auch der Vorsitzende der Jungen Union in NRW, Johannes Winkel, sagte: „Ich hätte mich wirklich sehr darüber gefreut, wenn Friedrich Merz für das Präsidium kandidiert hätte.“