Rheinische Post Hilden

Ein Rheinlände­r auf Kanzler-Kurs

- VON MORITZ DÖBLER

Die CDU hat endlich einen neuen Vorsitzend­en, der Parteitag ist gelaufen, jetzt geht es wieder ausschließ­lich um Corona: Wer diese Erwartung hegt, liegt falsch. Politik wird in diesen Wochen und Monaten nahezu ausschließ­lich daran gemessen, wie gut – oder schlecht – sie die Pandemie bewältigt. Und der Wettstreit zwischen Markus Söder und Armin Laschet, der sich schon im alten Jahr immer wieder in Corona-Fragen zeigte, dürfte an Schärfe eher zunehmen, trotz aller gegenteili­gen Beteuerung­en. Acht Monate vor der Bundestags­wahl kann es gar nicht anders sein.

Wenn die Bundeskanz­lerin am Dienstag die neuerliche­n Verschärfu­ngen des Lockdowns verkündet, wird sich neben ihr der bayerische Ministerpr­äsident in Szene setzen. Der neue CDU-Vorsitzend­e wird andere Wege finden müssen. Dagegen ist aber auch nichts zu sagen. Wettbewerb führt zu besseren Lösungen, und in der Politik besteht er eben auch aus Bildern und Rhetorik. Glaubwürdi­gkeit entsteht, wenn es dabei nicht bleibt, sondern Substanz dazu kommt. Nicht zuletzt zeigt sich das in der wieder so stark gewachsene­n Popularitä­t von Angela Merkel. Die Frage nach der Substanz erklärt aber auch, warum bei Laschet wie bei Söder Zweifel bestehen, wie kanzlertau­glich sie sind.

Vielleicht sei er nicht der Mann der perfekten Inszenieru­ng, aber er sei Armin Laschet, auf den man sich verlassen könne – so hatte es der neue CDU-Vorsitzend­e vor seiner Wahl auf dem Parteitag gesagt. Aber er war beides: von den drei Kandidaten der mit der besten Inszenieru­ng und doch der authentisc­he Armin Laschet aus Aachen. Er hätte sich wohl auch mit einer schlechter­en Rede durchgeset­zt, denn seine Machtbasis war schon mit den knapp 300 Delegierte­n aus NRW groß. Aber er hielt eben keine schlechte Rede, sondern eine gute, vielleicht seine beste. Da sprach einer, der sich das Kanzleramt offenkundi­g zutraut, auch wenn die Umfragen gegen ihn sprechen. aschet, der sich oft schwer tut mit öffentlich­en Auftritten, hatte die Kamera des digitalen Parteitags souverän im Blick, aber auch die Gefühle der 1001 Delegierte­n zu Hause. Eine Erkennungs­marke, die sein Vater einst als Bergmann getragen habe, beschrieb er als Glücksbrin­ger, aber noch mehr sollte sie wohl als Symbol seiner Bodenständ­igkeit fungieren. Er zeigte Anstand, als er seiner glücklosen Vorgängeri­n Annegret Kramp-Karrenbaue­r ausdrückli­ch dankte. Er sprach von Zusammenha­lt, Vertrauen und Verlässlic­hkeit. Klartext wolle er sprechen, aber nicht polarisier­en.

Dass Angela Merkel beliebter sei als die CDU – auch das gehörte zu den Wahrheiten, die Armin Laschet offen aussprach. Nach 16 Jahren endet eine Ära, das macht den weiteren Weg unübersich­tlich. Wie groß sind die Chancen ohne Merkel-Bonus wirklich? Die CDU hat sich getreu ihrem Parteitags­motto #wegenmorge­n zwar gegen Friedrich Merz entschiede­n, aber die spalterisc­he Sehnsucht nach der guten alten Zeit begleitet sie weiter. Es wird an Armin Laschet sein, nach seinem Zittersieg, den er erst im zweiten Wahlgang errang, die Partei wieder zusammenzu­führen. Das Feld der möglichen Kanzlerkan­didaten hat sich bereits gelichtet, auch Jens Spahn dürfte nicht mehr im Spiel sein, nachdem er den Parteitag so gründlich vergeigt hat. ber eine gute Rede allein macht noch keinen Kanzlerkan­didaten, geschweige denn einen Bundeskanz­ler. Vor Armin Laschet liegen zwei bis drei entscheide­nde Monate. Wenn er seinem Auftritt beim Parteitag treu bleibt, also Demut und Ambition überzeugen­d verbindet, wenn es ihm gelingt, die Reihen in der CDU zu schließen, dürfte sich ihm niemand in den Weg stellen, auch Markus Söder nicht.

Und dass beide Ministerpr­äsidenten vor allem danach beurteilt werden, wie sie ihre großen Bundesländ­er durch die Krise führen, ist ebenso folgericht­ig wie gut für das Wohl der Menschen. Denn dieser politische Wettbewerb garantiert, dass beide 100 Prozent geben. Am Ende entscheide­n dann eben doch nicht die schönsten Bilder und die beste Rhetorik, sondern setzt sich Substanz durch – erst recht in der Krise.

LA

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